Süddeutsche Zeitung

Sharing Economy:Airbnb-Vermietern droht Ärger mit dem Finanzamt

Der Konzern muss Daten seiner Vermieter an Steuerbehörden weitergeben, entscheidet ein Gericht. Für Airbnb ist das im Corona-Jahr ein weiterer Rückschlag.

Von Angelika Slavik

Man muss sagen, dass von der Romantik nicht mehr viel übrig ist, schon lange nicht mehr. Airbnb, das stand mal für Airbed and Breakfast, Luftmatratze und Frühstück. Das war ja die Idee: Fremden eine spartanische Übernachtungsgelegenheit anzubieten, für kleines Geld oder kostenlos. Das sollte Reisen demokratisch machen, weil es ja viel günstiger wäre. Es sollte Menschen aus aller Welt zusammenbringen. Es wurde ein Milliardengeschäft.

Airbnb ist der größte Star der Sharing Economy: Kein anderes Unternehmen vermarktete den Geist des Teilens so eindringlich wie Airbnb, gleichzeitig wurde es zum Disruptor nicht nur der Hotellerie: Airbnb veränderte die Strukturen im weltweiten Tourismus grundlegend - und in manchen Städten auch die des Wohnungsmarktes. Nun aber gerät das Geschäftsmodell von vielen Seiten unter Druck: etwa durch das Höchstgericht in Irland.

In Irland befindet sich der Europasitz von Airbnb, und nach langem juristischem Hin und Her entschieden die Richter dort nun letztinstanzlich, dass das Unternehmen verpflichtet ist, der Hamburger Steuerfahndung Vermieterdaten zu übermitteln. Bedeutet: Wer seine Wohnung an Touristen vermietet und die Einnahmen daraus nicht versteuert hat, darf sich auf Ärger mit dem Finanzamt einstellen. Airbnb gibt sich offiziell gelassen, man weise ja seine Vermieter schon seit Jahren darauf hin, "wie wichtig es ist, die Steuervorschriften einzuhalten". Aber klar ist auch: Für viele Vermieter war wohl natürlich nicht ausschließlich die Völkerverständigung ein Motiv, Touristen bei sich aufzunehmen - sondern auch die Aussicht auf ein bisschen Zusatzeinkommen, das die Behörden lange nur schwer oder gar nicht nachvollziehen konnten.

Der Zeitpunkt dieser Entscheidung, die auch wegweisend für andere Bundesländer ist, birgt eine gewisse Ironie: Jahrelang boomte das Geschäft von Airbnb, jahrelang rangen Kommunen auf der ganzen Welt mit diesem neuen Anbieter. Gesetzgebung ist meistens langsamer als Wirtschaft, deshalb blieb lange unklar, wie das Unternehmen reguliert werden sollte. Während also viele Wohnungsbesitzer längst zu dem Schluss gekommen waren, dass sich mit wechselnden Touristen mehr Geld machen lasse als mit schnöden einheimischen Mietern, standen die Städte noch da und überlegten, ob man Wohnraum eigentlich schützen müsse. Ob das überhaupt ginge und wenn ja wie. Und wie man Steuereinnahmen generieren könnte. Ob das überhaupt ginge und wenn ja wie. Und gerade jetzt, wo die Pandemie Airbnb in eine existenzielle Krise gestürzt hat, zeitigen auch die Bemühungen der Behörden Resultate.

Die Corona-Pandemie trifft Airbnb in seinen Grundfesten: Der Tourismus kam praktisch zum Erliegen, und kaum etwas scheint weniger in die Zeit zu passen als die Idee, wechselnde fremde Menschen in seiner Wohnung unterzubringen. Und jetzt auch noch die Steuerfahndung: diese Aussichten schmälern den Reiz einer Karriere als Airbnb-Vermieter aus der Sicht vieler Menschen wohl deutlich.

Für das Unternehmen ist das ein Problem. Airbnb will die Vermieter halten, damit das Geschäft nach der Pandemie möglichst stark zurückkommen kann. Bislang habe sich das Geschäft "noch nicht erholt", sagt der Konzern auf Anfrage. Man sei aber dennoch optimistisch. Am Buchungs- und Suchverhalten sehe man, dass das "Interesse" an Städtereisen wieder steige.

Die Luft scheint raus bei Airbnb - zumindest vorerst

Image und Angebot möglichst heil durch die Krise zu bekommen, lässt sich der Konzern einiges kosten. Schon zu Beginn der Coronavirus-Krise kündigte man an, 250 Millionen Dollar zur Unterstützung vieler von Stornierungen betroffener Gastgeber bereitzustellen. Vermieter, die Einnahmen für ihren Lebensunterhalt benötigten, konnten sich zudem um bis zu 5000 Dollar Unterstützung bewerben. Macht weitere 17 Millionen Dollar. Dabei hatte der eigentlich erfolgsverwöhnte Konzern schon vor Beginn der Pandemie eine schlechte Phase: Nach Gewinnen 2017 und 2018 machte Airbnb 2019 Verluste - 322 Millionen Dollar Miese bis September wegen teurer Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit für Gäste und Vermieter.

Die Luft scheint raus bei Airbnb - zumindest vorerst. Denn natürlich könnten vor allem Wohnungen und Häuser, die Gäste zu ihrer Alleinnutzung mieten können, bald wieder Interessenten finden. Touristen, die Hotels meiden wollen. Oder Arbeitnehmer, die in der Krise gelernt haben, dass Büros überschätzt werden. Das käme vor allem kommerziellen Vermietern entgegen und weniger den privaten Anbietern, die Freunde aus der ganzen Welt finden wollten. Die also den ursprünglichen Geist von Airbnb repräsentieren. Aber von der Romantik, na ja, ist eben nicht mehr viel übrig, schon lange.

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SZ vom 04.09.2020
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