Süddeutsche Zeitung

Airbnb-Missbrauch:Teilen und betrügen

Airbnb-Vermieter meinen es nicht immer ehrlich. Sie versuchen, Interessenten auf eigene Webseiten zu locken und dann abzukassieren - ohne Wohnung. Nun schreitet in Amerika die Aufsichtsbehörde ein.

Von Jürgen Schmieder

Hundert Milliarden Dollar. So viel wird laut der amerikanischen Handelskommission FTC mittlerweile weltweit pro Jahr umgesetzt, weil die Menschen erkannt haben, dass die beiden Yuppies im Mein-Haus-mein-Auto-mein-Boot-Werbespot aus den Neunzigern nicht nur wegen ihrer Jacken ziemlich lächerlich waren, sondern auch wegen ihrer Hymne an das Eigentum.

Der Konsument von heute kauft nicht mehr, er leiht und verleiht und sorgt für eine Gesellschaft der Gemeinschaftsnutzer. Auto teilen, Wohnung teilen, Bohrmaschine teilen. Das klingt wie die Idee kiffender Kommunarden in Kalifornien, doch vielleicht führt die Sharing Economy, die Ökonomie des Teilens, dazu, dass die Menschen einander wieder vertrauen? Doch so wunderbar, wie sich das anhört, ist es freilich nicht. Auch beim Teilen und Vermieten, das hat die FTC nun verkündet, wird gewaltig gelogen und betrogen - es geht dabei meist noch nicht einmal darum, dass zahlreiche Arbeitskräfte von den Unternehmen ausgebeutet werden. Es geht auch nicht um technisch anspruchsvolle Verbrechen wie das Hacken von Nutzerkonten, und auch nicht um dreiste Betrügereien wie das unrechtmäßige Vermieten des Nachbarhundes oder der Nachbarbohrmaschine.

Es geht um einen ganz banalen Trick. Bei der Wohnungsvermittlung Airbnb greift es um sich, dass Anbieter eine gefälschte Anzeige einstellen und den potenziellen Mieter davon überzeugen, sich die vom Unternehmen verlangte Gebühr zu sparen und die Miete direkt zu überweisen. Danach wird die Anzeige gelöscht und das Geld einbehalten. Ein Bauerntrick, gewiss, der jedoch auf zahlreichen Plattformen offenbar derart erfolgreich und regelmäßig angewendet wird, dass FTC-Vorsitzende Edith Ramirez nun "gezielte Maßnahmen zur Regulierung" gefordert hat. Welche das sein sollen, verrät sie jedoch noch nicht.

Wenn sich Mieter und Vermieter von der Plattform entfernen, sind die Anbieter meist machtlos. Das nutzen Betrüger aus. "Angebote wie unseres werden immer beliebter, sie werden damit natürlich auch anfälliger für Betrüger", sagt Airbnb-Sprecher Nick Shapiro: "Wir können es so lange wiederholen, bis uns die Luft ausgeht: Verlasst unsere Seite nicht, gebt eure Kontaktinformationen nicht weiter und überweist kein Geld." Wer eine Dienstleistung verkauft und sie danach nicht erbringt - eine Dreckswohnung vermietet oder den Nachbarn mit einer kaputten Bohrmaschine abzockt, der ist überall ein Halunke. Womöglich hat die FTC, eine unabhängige Behörde der US-Regierung und zuständig für den Verbraucherschutz, deshalb Schwierigkeiten, konkrete Maßnahmen einzuleiten: Es sind keine neuen, ausgefeilten Tricks, sondern welche aus der Bauernfänger-Schublade. Die FTC sollte wissen, dass die Ökonomie des Teilens keineswegs auf Vertrauen basiert, sondern auf den gegenseitigen Bewertungen der Nutzer. Es braucht keine neuen Regularien, die Behörde muss lediglich sicherstellen, dass die internen Systeme der Anbieter funktionieren. Die können es sich nicht leisten, dass ihnen die Kunden nicht mehr vertrauen oder sie schlecht bewerten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2865667
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.