Aidstests:Geschäfte mit dem Virus

Eine kleine deutsche Biotech-Firma liefert günstige Aidstests in die Dritte Welt. Einem mächtigen US-Konkurrenten entgeht dadurch Umsatz - weshalb dieser sich nun erbittert wehrt.

Judith Raupp

Der Rundbrief aus Amerika hat Roland Göhde wachgerüttelt. Ein renommierter US-Wissenschaftler forderte Firmen in aller Welt auf, billige Aidstests herzustellen. Patienten in armen Ländern bräuchten dringend solche Tests, um überleben zu können, schrieb der Amerikaner im Jahr 2002. Göhde, Mitinhaber der deutschen Biotech-Firma Partec, war damals noch nie in Afrika gewesen, wo die meisten Aidskranken leben.

Weltaidstag - Philippinen

Ein weltweites Symbol der Solidarität mit HIV-Infizierten und Aidskranken: die Rote Schleife.

(Foto: dpa)

Aber er erkannte sofort, dass dort eine Geschäftschance winkte. Ließ doch der Aufruf vermuten, dass die Hersteller überzogene Preise für Aidstests verlangten. So entwickelte Partec ein Messgerät und ein Testverfahren, das weiße Blutkörperchen zählen kann. Diese CD4-Helferzellen sind wichtige Indikatoren in der Aidstherapie.

Das Produkt passte gut zum Familienunternehmen mit Sitz in Münster und Görlitz. Es produziert seit vier Jahrzehnten Geräte und chemische Stoffe zur Zellanalyse. Den neuen Apparat stellte Göhde auf der Welt-Aidskonferenz in Barcelona vor. Die Technik war preiswert und einfach zu bedienen. Mediziner und Gesundheitspolitiker aus Afrika und Asien drängten sich um das Laborgerät.

"Diese Begeisterung war für mich ein Schlüsselerlebnis," sagt Göhde, der 38 Jahre alte Sohn des Firmengründers Wolfgang Göhde. Das mag die Verbissenheit erklären, mit der Vater und Sohn um den Markt in Entwicklungsländern kämpfen. Dort teilten sich bis jetzt einige wenige Firmen das Geschäft mit den CD4-Tests. Besonders mächtig trat der US-Medizintechnik-Konzern Becton Dickinson (BD) auf. Es dauerte nicht lang, dann entbrannte ein Zweikampf. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sagen, Partec und BD seien sich spinnefeind.

BD ist im Vergleich zu Partec ein Gigant. Die Amerikaner erzielen mit 29.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 7,3 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Euro) und einen Gewinn von 1,7 Milliarden Dollar. Partec hat gerade einmal 140 Angestellte und bringt es auf einen Umsatz von 26 Millionen Euro. BD sei dennoch "einiges an Geld" entgangen, seit Partec vor knapp zehn Jahren mit der CD4-Technik auf den Markt kam, sagen Beobachter.

Der Preis für einen Test ist im Durchschnitt um den Faktor 20 gesunken. Derzeit kostet ein Test von Partec in allen Ländern zwei Euro, BD verlangt - je nach Verhandlungsmacht - zwischen zwei Euro und 5,10 Euro. Weil das für die meisten Patienten in armen Ländern immer noch zu teuer ist und es kaum Krankenversicherungen gibt, werden Aidsprojekte in der Regel über die staatliche oder private Entwicklungshilfe finanziert. Kein Wunder also, dass der Preisrutsch die Hilfsorganisationen freut.

"Wir sind faire Wettbewerber"

Generika-Hersteller hätten dafür gesorgt, dass mehr Patienten in armen Ländern Medikamente bekämen, sagt Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen. Aber genauso wichtig seien billige Testverfahren, um den Erfolg der Therapie zu überwachen. Solche Kontrollen finden aber zu selten statt. Daher merken die Ärzte zu spät, wenn Patienten Resistenzen gegen Aidsmedikamente bilden, erklärt der Apotheker Dieter Wenderlein von der Hilfsorganisation Sant' Egidio.

Während Mediziner in armen Staaten den Mangel verwalten und Patienten um ihr Leben fürchten müssen, fechten Partec und BD mit aller Macht um ihr Geschäft. Partec klagt, die Amerikaner nutzten bisweilen zweifelhafte Mittel. Öffentliche Ausschreibungen gewännen sie oft nur mit aggressivem Lobbying. "Stimmt nicht", wehrt Gloria Young ab, Vizepräsidentin der Aids-Initiative bei BD: "Wir sind faire Wettbewerber und halten uns an die Gesetze."

Young bezichtigt Partec dagegen, zu dick aufzutragen. Die Deutschen halten sich mit 2,5 Millionen verkauften CD4-Tests pro Jahr für die Marktführer. BD setze nur etwa 1,7 Millionen CD4-Tests ab, vermutet Göhde. Diese Zahl stimme nicht, erklärt Young. Aber wie viele Tests das US-Unternehmen tatsächlich verkauft, behält sie für sich. Beide Firmen sind mit ihren CD4-Tests in mehr als 100 Entwicklungsländern vertreten. Seit fünf Jahren sei dieses Geschäft rentabel, sagt Göhde. Insgesamt erziele Partec eine Umsatzrendite von zehn Prozent.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichten, die Qualität der Geräte, der Tests sowie der technische Service seien bei BD und bei Partec vergleichbar. Die Technik von BD sei eher für große Labors zugeschnitten, in denen viele Tests in kurzer Zeit gemacht würden.

Bei Partec sei aber das Preis-Leistungsverhältnis oft besser und die Geräte seien für Gesundheitsstationen in abgelegenen Regionen besonders gut geeignet. Weshalb Partec preiswerter anbieten kann als BD, erklärt Göhde so: "Wir sind ein reines Familienunternehmen, wir haben nicht den Druck von Aktionären im Genick."

Die Kritik an der Kapazität seiner Technik ärgert ihn. Vielleicht stecke BD dahinter, lässt er durchblicken. Wieder einmal. So etwas kann der Firmenchef nicht auf sich sitzen lassen und versendet umgehend einen Stapel unabhängiger Studien per E-Mail, die der Technik von Partec beste Zeugnisse ausstellen. Für Göhde sind die Aidstests längst mehr als ein Geschäft. Er will Goliath besiegen.

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