Agrarpolitik:Die Größe entscheidet

EU-Agrarreform - Weizenernte

Weizenfeld in Sierksdorf-Oevelgönne in Schleswig-Holstein. Umweltaktivisten kritisieren, dass die neue Agrarpolitik letztlich Natur, Klima und Landwirten schade.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Dem Parlament zufolge sollen 30 Prozent der Direktzahlungen an Landwirte an Ökoregeln geknüpft werden. Umweltschützer protestieren, weil weiterhin Großbauern profitieren werden - zu Lasten des Klimas.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die letzten Stimmen waren noch gar nicht ausgezählt, da hatte der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold sein Urteil schon gefällt: "Von diesem Tag werde ich mich nicht so leicht erholen", sagte er am Freitagmittag in einer Pressekonferenz. Sein Missfallen galt der Parlamentsabstimmung über die künftige EU-Agrarpolitik. Nach der Einigung der EU-Agrarminister in der Nacht zum Mittwoch stimmten am Freitag auch die Europaabgeordneten über die Reform ab, sie einigten sich mit großer Mehrheit auf eine gemeinsame Position.

Diese Mehrheit hatte sich zuvor bereits abgezeichnet: Christ- und Sozialdemokraten und Liberale hatten sich vorab auf die wichtigsten Eckpunkte der Reform geeinigt. Demnach sollen künftig 30 Prozent der Direktzahlungen an Landwirte an die Einhaltung von Ökoregeln geknüpft werden, die von den Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden sollen, und die über die verpflichtenden Anforderungen für Bauern hinausgehen. Das sind etwas mehr als die 20 Prozent, auf die sich die Agrarminister im Rat der Mitgliedstaaten geeinigt haben.

Umweltschützer kritisieren aber nicht nur die Einigung der EU-Länder, sondern auch den Parlamentskompromiss: In beiden Fällen richte sich der Großteil der Zahlungen weiterhin nach der Größe der bewirtschafteten Fläche - auch wenn das Parlament sich bei den Zahlungen für Obergrenzen einsetzen will. Umweltaktivisten wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer hatten vor der Abstimmung dazu aufgerufen, gegen den Kompromiss zu stimmen. Greenpeace teilte nach der Entscheidung mit: "Europas größte Chance, die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, hat des Europäische Parlament heute fahrlässig verspielt."

Wegen unzureichender Vorgaben für den Klimaschutz hatte auch die SPD-Gruppe im Europaparlament am späten Donnerstagabend erklärt, doch noch gegen den Kompromiss stimmen zu wollen. "Unsere rote Linie, die Agrarpolitik an den Europäischen Green Deal zu binden, wurde gerissen", sagte die Abgeordnete Maria Noichl, die den Kompromiss zuvor selbst mit ausgehandelt hatte. Zahlenmäßig fallen die 16 SPD-Abgeordneten in der insgesamt 144 Mitglieder zählenden Gruppe der Sozialdemokraten jedoch nicht ins Gewicht.

Nach der Abstimmung im Parlament können nun die Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten beginnen. Da die Positionen relativ nah beieinander liegen, dürften diese nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Für die kommenden zwei Jahre gilt aber ohnehin eine Übergangszeit, in der sich praktisch nichts ändert.

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