Agrarministerin Aigner:Bitte - ach, nein doch nicht

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Mehr Fleisch essen? Oder weniger? Muss die Landwirtschaft sich mehr ums Klima sorgen? Oder doch nicht? Agrarministerin Aigner sorgt für Durcheinander.

Oliver Bilger und Daniela Kuhr

Ilse Aigner ist engagiert. So engagiert, dass es zuletzt ein wenig drunter und drüber ging bei den Meldungen der Landwirtschaftsministerin zum Thema Klimaschutz: "Aigner empfiehlt Verzicht auf zu viel Fleisch", hieß es Ende Dezember.

Ilse Aigner: "Wir wollen die globale Diskussion um den Klimawandel herunterbrechen auf die einzelnen Nationen" (Foto: Foto: dpa)

Und wenige Tage später: Die Ministerin halte nichts von Empfehlungen, weniger Fleisch zu essen. Anfang dieser Woche wurde gemeldet: "Aigner gegen gesetzliche Klimaschutz-Auflagen für die Landwirtschaft". Und am Freitag: "Aigner kündigt weitere Klimaschutz-Auflagen für die Landwirtschaft an". Was soll man da noch glauben?

An diesem Samstag wird die CSU-Politikerin Gelegenheit haben, ihre Positionen klarzustellen. Auf dem zweiten Berliner Agrarministergipfel wird Aigner das Thema Landwirtschaft und Klimaschutz mit Politikern aus mehr als 50 Ländern diskutieren. Die Teilnehmer der Konferenz vertreten mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. "Wir wollen die globale Diskussion um den Klimawandel herunterbrechen auf die einzelnen Nationen", sagt Aigner im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

"Die Teilnehmer sollen die Konferenz mit einem klaren Ziel verlassen. Jeder soll in seinem Land konkrete Maßnahmen definieren, wie er die Landwirtschaft so umgestalten kann, dass sie mit den gewandelten Bedingungen zurechtkommt und zudem das Klima schont." Denn eines stehe fest: "Die Landwirtschaft ist nicht nur Opfer, sie ist auch einer der Verursacher der Erderwärmung", räumt Aigner ein.

Auflagen zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen

In den vergangenen Tagen hatte die Ministerin Umweltschützer verärgert mit der Aussage, die deutsche Landwirtschaft sei nur für sechs Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Tatsächlich seien es zwischen 13 und 16 Prozent, sagen sie und werfen der Ministerin Verharmlosung vor. Doch Aigner nimmt das Thema sehr wohl ernst. Am Freitag kündigte sie für die deutsche Landwirtschaft weitere Auflagen zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen an. Von dem Agrarministergipfel am Wochenende erhofft sie sich, dass in Berlin fortgesetzt werde, was in Kopenhagen nicht zu Ende gebracht worden sei.

"Wir müssen Synergieeffekte nutzen. Dazu wurde bereits in Kopenhagen eine globale Forschungsallianz speziell für die Landwirtschaft gegründet, die den Wissenstransfer in die Praxis verbessert", sagt sie. "Mit dem Ergebnis von Berlin wollen wir nun eine politische Allianz bilden und den Startpunkt für ein internationales Arbeitsprogramm zur Landwirtschaft setzen, das in den Prozess der Vertragsstaaten-Konferenz zur Klimakonvention einfließen kann."

Nach Ansicht vieler Experten ist aus Klimaschutzgründen eine stärkere Ausrichtung auf eine ökologische Landwirtschaft erforderlich. Weniger Pestizide, weniger Dünger und vor allem weniger Massentierhaltung - all das würde den Ausstoß von Klimagasen reduzieren.

Doch Aigner ist skeptisch. "Die Weltbevölkerung wächst rapide", sagt sie. In den kommenden vier Jahrzehnten müsse die Produktion von Nahrungsmitteln um 70 Prozent gesteigert werden. "Fest steht: Wir werden die Welt nicht allein mit Bioprodukten ernähren können." Flächen, auf denen ökologisch produziert werde, seien häufig weniger ertragreich und die Treibhausgas-Emissionen pro Liter Milch höher. "Wir brauchen beides: konventionellen Anbau und Bio", sagt Aigner.

Hoffnung auf die Forschung

"Nur so werden wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können." Dabei setzt sie auch große Hoffnungen auf die Forschung - sowohl was die traditionelle Züchtung angeht als auch moderne molekularbiologische Verfahren: "Wir brauchen Pflanzen, die trotz salziger Böden und Trockenheit gedeihen. Zwar hat die erste Generation der Gentechnik hier keine Erfolge vorzuweisen, aber wir müssen weiterforschen. Schon allein, weil man nie weiß, was am Ende dabei rauskommt."

Auch Verbraucher könnten zum Klimaschutz beitragen. "Das fängt beim Einkauf an", sagt Aigner. "Erstens sollte man nie mehr kaufen als man benötigt. Denn jede Gurke oder jedes Stück Fleisch, das im Müll landet, hat unnötig Klimagase verursacht." Zudem sollten die Verbraucher sich verstärkt mit saisonalen Produkten ernähren. "Wir brauchen nicht das ganze Jahr über Erdbeeren und Spargel", sagt die Ministerin. Und schließlich solle man zu regionalen Produkten greifen. "Wer sich eine Banane aus Chile einfliegen lässt, und sei es auch eine Bio-Banane, der handelt nicht nachhaltig."

Letztlich ist Aigner aber dagegen, Vorschriften aufzustellen. "Der Verbraucher muss entscheiden, was er isst", sagt die Ministerin auf dem traditionellen Eröffnungsrundgang über die Internationale Grüne Woche in Berlin. Ihr selbst blieb zumindest an diesem Freitagmorgen wenig Entscheidungsfreiheit. 26 Stände in vier Stunden besuchte sie gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit.

An jedem Stand gab es freundliche Worte, allerlei Leckereien aus verschiedenen Ländern und natürlich einen Begrüßungstrunk: Wein, Sekt, Bier, Cognac, Likör, Wodka. "Herr Wowereit, schauen wir mal, wer die bessere Kondition hat", hatte Aigner den Bürgermeister herausgefordert. Den ersten Schnaps gab es früh um zehn nach acht.

Betrunken sei sie nicht, ließ Aigner später Journalisten wissen. Nur nippen, war ihre Strategie. Der Stand ihrer bayerischen Heimat kam Aigner besonders entgegen. Zwar warteten dort die fränkische Weinkönigin und die bayerische Bierkönigin auf die Ministerin. Doch während ihre Begleiter zum Weizenbier griffen, entschied sich Aigner zuerst für einen Schluck Milch.

© SZ vom 16.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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