Süddeutsche Zeitung

Agrarindustrie:Das Kükenschreddern ist ein ökonomisches Kalkül

Lesezeit: 1 min

Niedersachsen will das Töten männlicher Küken verbieten. Für den Bundeslandwirtschaftsminister wäre ein solches Verbot beschämend.

Kommentar von Jan Heidtmann

Niedersachsen ist die Legebatterie der Republik. Von 13 Milliarden Eiern, die Jahr für Jahr in Deutschland verbraucht werden, kommen vier Milliarden von dort. Beim Hühnerfleisch ist es gar die Hälfte, das in Niedersachsen herangemästet wird. Wenn jetzt also der niedersächsische Landwirtschaftsminister in Hannover ankündigt, das Schreddern der männlichen Küken verbieten zu wollen, hat das Gewicht. Bis Ende 2017, so Christian Meyer, soll es damit vorbei sein.

Jahr für Jahr werden in Deutschland nach Schätzungen der Tierschutzorganisation Peta 50 Millionen männliche Küken getötet, die so genannten Eintagsküken. Dafür werden sie direkt nach dem Schlüpfen erst vergast, dann zerkleinert und schließlich in den Müll geworfen. Aus ökonomischem Kalkül - sie werden keine Eier legen und setzen im Unterschied zu Hennen nur wenig Fleisch an. Eine Praxis, die eigentlich gegen das Tierschutzgesetz verstößt. "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen", heißt es dort in Paragraf 1.

Der Bundesminister legt bislang keinen konreten Plan vor

Klagen gegen die Brütereien waren bislang aber erfolglos, zuletzt versucht von der Staatsanwaltschaft in Münster. Weil das Schreddern der Küken von den zuständigen Behörden geduldet wird, können die Brütereien sagen, sie wussten nicht um die Strafbarkeit. Auch als die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 2013 ein Verbot des Schredderns erlassen wollte, scheiterte sie an den Gerichten. Die bewerteten die Berufsfreiheit des Hühnerhalters höher als das Wohl des Kükens.

Im Fall von Niedersachsen dürfte die rechtliche Einschätzung jedoch anders ausfallen. Denn inzwischen gibt es Methoden, das Geschlecht des Kükens bereits kurz nach der Befruchtung zu bestimmen. Die männlichen Embryos könnten dann bereits nach drei Tagen getötet werden. Sollte Niedersachsen sein Verbot tatsächlich umsetzen, wäre das beschämend für den Bundeslandwirtschaftsminister. Christian Schmidt (CSU) erklärt zwar regelmäßig, dass das Schreddern bis 2017 aufhören solle. Doch weder legt er einen konkreten Zeitplan vor, noch wagt er sich an die Agrarindustrie heran. Stattdessen soll eine freiwillige Vereinbarung mit den Brütereien gefunden werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2879230
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.