Agrarindustrie:Bayer hakt Zoff um Glyphosat ab - Börse zufrieden

Anleger erleichtert über Deal mit US-Klägern. Konzernchef: Kein Schuldeingeständnis.

Endet für Bayer-Chef Werner Baumann ein Albtraum, den er durch die Übernahme des umstrittenen US-Saatgutkonzerns Monsanto und dessen Unkrautvernichter Glyphosat selbst heraufbeschwor? Anleger und Marktbeobachter jedenfalls reagierten am Donnerstag erleichtert auf den milliardenschweren Vergleich, den der Leverkusener Konzern am Vorabend mit US-Klägern erzielt hatte. Die Bayer-Aktie kletterte in der Spitze um 3,6 Prozent auf 72,48 Euro, verlor im Verlauf aber wieder. Analysten wie Mark Purcell von der US-Investmentbank Morgan Stanley sprachen von einer aus finanzieller Sicht vernünftigen Übereinkunft mit den Klägern, die eine Grenze für die Entschädigung ziehe. Ob damit aber auch der Reputationsschaden erledigt ist?

Baumann war vor allem eine Botschaft wichtig: Der Deal sei kein Schuldeingeständnis, aber die vernünftigste Lösung. Man wolle nach vorn blicken. Insgesamt mehr als zehn Milliarden Dollar lässt sich der Konzern die Einigung mit Zehntausenden Klägern kosten. Im Zentrum stehen dabei angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat. Laut Bayer werden mit dem Kompromiss etwa drei Viertel der aktuellen Roundup-Verfahren abgeschlossen, insgesamt gehe es um rund 125 000 eingereichte und nicht eingereichte Klagen. Auch die übrigen Verfahren sollen bald zum Abschluss kommen.

Bayer erzielte zudem eine Verständigung bei weiteren US-Klagen, die sich auf den ebenfalls umstrittenen Unkrautvernichter Dicamba beziehen. Bis zu 400 Millionen Dollar wird der Dax-Konzern zahlen, um Verfahren wegen Verwehungen dieses Herbizids und dadurch angeblich verursachte Ernteschäden abzuwenden. Zudem wird es Bayer weitere etwa 820 Millionen Dollar kosten, den wesentlichen Teil der US-Verfahren wegen des Umweltgifts PCB beizulegen.

Bayer kaufte 2018 für mehr als 60 Milliarden Dollar Monsanto, doch wie sich bald zeigte, ging der Konzern damit enorme Rechtsrisiken ein, zeitweise sah es so aus, dass sie zur Existenzfrage für das Traditionsunternehmen werden könnten. In den ersten drei Glyphosatprozessen in den USA sah sich der Konzern mit hohen Schadenersatzurteilen konfrontiert, weshalb immer mehr Menschen den Vorwurf erhoben, durch Monsantos Unkrautvernichter an Krebs erkrankt zu sein. Die Kläger beriefen sich auf die WHO-Krebsforschungsagentur IARC, die Glyphosat 2015, anders als andere Behörden, als "wahrscheinlich krebserregend" einstufte. Für etwaige künftige Glyphosat-Fälle wird laut Bayer ein unabhängiges Wissenschaftsgremium gebildet. Frei von Restrisiken ist das womöglich nicht.

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