Agrar- und Lebensmittelindustrie:Diese Konzerne ernähren die Welt

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Eine niederländische Produktionsstätte des US-Konzerns Monsanto: Das Unternehmen, das von Bayer übernommen werden soll, ist besonders umstritten. (Foto: Bloomberg)
  • Immer weniger Konzerne kontrollieren das Geschäft mit der Ernährung. Das zeigt ein Konzernatlas, den Sozial-, Hilfs- und Umweltorganisationen vorgelegt haben.
  • Umweltschützer kritisieren vor allem, dass den mächtigen Konzernen keine einflussreiche Kontrollinstanz gegenübersteht.

Von Silvia Liebrich, München

Tomaten oder Butter vergessen? Kein Problem, ein Klick, und Drohnen liefern das Gewünschte binnen Minuten direkt vor die Haustür. Fehlende Zutaten für das Abendessen könnten also bald aus der Luft kommen. Was manche heute noch für Luftschlösser halten, könnte in nicht allzuferner Zukunft Realität werden, zumindest wenn es nach dem Online-Händler Amazon geht. Der weltweit agierende Konzern hat gerade erst ein Patent für fliegende Warenhäuser angemeldet, die solche Drohnen bestücken.

Visionen und neue Technologien, wie die Lebensmittelversorgung einer wachsenden Weltbevölkerung aussehen könnte, haben Hochkonjunktur. Der Kampf um die Marktanteile der Zukunft ist in vollem Gang. Zugleich kontrollieren immer weniger Konzerne das Milliardengeschäft mit der Ernährung. Das zeigt der Konzernatlas, den eine Allianz von Sozial-, Hilfs- und Umweltorganisationen am Dienstag vorgelegt hat. Herausgeber sind Heinrich-Böll- und Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Oxfam, Germanwatch und die Monatszeitung Le Monde Diplomatique.

Sorgen bereitete den Autoren der Untersuchung vor allem die anhaltende Fusions- und Übernahmewelle in der Agrar- und Lebensmittelindustrie. "Wir haben es mit einem unglaublichen Prozess von Machtkonzentration zu tun, der die ganze Produktion vom Acker bis zum Supermarktregal betrifft. Konzerne bestimmen immer mehr, wie wir in Zukunft ernährt werden", sagt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie verweist darauf, dass fünf der zwölf teuersten Übernahmen börsennotierter Konzerne in den vergangenen zwei Jahren die Agrar- und Ernährungsbranche betrafen.

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(Foto: SZ-Grafik)

SZ-Grafik; Quelle: Konzernatlas

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SZ-Grafik; Quelle: Konzernatlas

Die Übernahme von Monsanto durch Bayer war dabei mit 66 Milliarden Dollar nicht die teuerste. Doppelt so groß war das Transaktionsvolumen beim Zusammengehen der Rivalen Dow und Dupont. Die Bierallianz von AB Inbev und SAB Miller brachte es auf 177 Milliarden Dollar. "Die wachsende Marktmacht einiger weniger Großunternehmen gefährdet eine bäuerliche, sozial und ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Der Konzernatlas zeigt, dass das Bild von einer vielfältigen und bäuerlich geprägten Landwirtschaft überholt ist. Es sind einige wenige internationale Firmengruppen, die bestimmen, wie Pflanzen angebaut, Tiere gehalten und Lebensmittel verarbeitet und gehandelt werden. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Verbraucher. "Es wird uns suggeriert, dass es beim Essen nach wie vor eine große Vielfalt gibt. Tatsächlich ist die Wahlfreiheit aber eingeschränkt, weil in vielen Packungen oft das Gleiche drin ist", sagt Unmüßig, "die Großen können zudem stärker Preise diktieren". Das bekämen auch Bauern und andere Erzeuger zu spüren, die schon heute unter dem Preisdruck leiden, der von einigen wenigen Einzelhändlern ausgeht.

Tatsache ist, dass die Marktkonzentration in vielen Bereichen des Agar- und Lebensmittelsektors inzwischen so hoch ist, dass Oligopole entstanden sind. Das bedeutet, nur wenigen Anbietern stehen sehr vielen Abnehmer gegenüber. Solche Strukturen gelten als kritisch, weil das Marktgleichgewicht gestört ist. Das kann zum Beispiel zu überhöhten Preisen führen.

Die Zahl der großen Anbieter von Saatgut und Pestiziden könnte noch in diesem Jahr von sieben auf vier zurückgehen. Den Handel mit Agrarrohstoffen teilen sich vier große, in der Düngemittelproduktion sind es zehn, in der Agrartechnik sechs Anbieter. Auf nur 50 Firmengruppen entfällt die Hälfte des weltweiten Umsatzes mit Lebensmitteln. Ganz vorne mit dabei sind bekannte Namen wie Nestlé oder Danone. Dass die Nummer zwei der Branche JBS heißt und der größte Fleischkonzern der Welt mit Sitz in Brasilien ist, dürfte wenig bekannt sein.

Doch wer kontrolliert das Entstehen solch mächtiger Konzerne? "Dafür fehlen die entsprechenden Institutionen auf globaler Ebene", sagt Unmüßig, seit 2002 Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht. Unternehmen werden normal von nationalen Wettbewerbsbehörden überwacht, die außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen kaum regulieren können. Unmüßig fordert deshalb eine internationale Wettbewerbskontrolle. Sie findet, dass die Bundesregierung nun handeln müsse. Deutschland hat derzeit den Vorsitz im G 20-Verbund der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. "Die Politik muss den Gefahren der Marktkonzentration endlich etwas entgegensetzen", findet sie.

Mit Amazon könnte ein neuer Gigant ins Lebensmittelgeschäft einsteigen

Im Konzernatlas sind jedoch auch viele Unternehmen zu finden, die man dort nicht erwarten würde, etwa die Ölkonzerne Petrobras und Shell. Sie investieren massiv in den Anbau von Zuckerrohr und Ölsaaten, um daraus Sprit und Diesel herzustellen. Im Umfeld der Branchen treten auch Technologiekonzerne wie Microsoft, IBM und andere immer häufiger in Erscheinung. Die Digitalisierung der Landwirtschaft eröffnet ihnen völlig neue Geschäftsfelder. Hightech und künstliche Intelligenz können dabei helfen, den Anbau zu optimieren, sie machen aber auch Arbeitskräfte überflüssig, etwa im Kuhstall, in dem die Tiere mit dem Roboter gemolken werden oder mit autonom fahrenden Traktoren, die den Acker bestellen. Biotechnologiefirmen arbeiten an neuen Gentechnik-Verfahren, um das Erbgut von Tieren und Pflanzen noch gezielter zu verändern.

Neue Geschäftsmodelle wie schwebende Warenhäuser sind zwar noch Fiktion. Doch im Handel steht mit dem angekündigten Einstieg von Amazon in das Lebensmittelgeschäft die nächste Revolution möglicherweise bevor. Dass Amazon als bester Einzelhändler wahrgenommen werden könnte, bereite ihm Bauchschmerzen, sagte Rewe-Chef Alain Caparros vor Kurzem. Ein starker Online-Vertrieb von Lebensmitteln könnte in Deutschland bis zu 40 000 Arbeitsplätze kosten, glauben Branchenanalysten. Zum Vergleich: Im Kampf um die Supermarkt-Kette Kaiser's Tengelmann ging es um 15 000 Arbeitsplätze.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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