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Agrar - Kiel:Bauern im Norden wollen Perspektiven und mehr Anerkennung

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Kiel (dpa/lno) - Trotz passabler Ernteaussichten in Schleswig-Holstein ist die Stimmung bei vielen Landwirten eher düster. Überbordende Bürokratie wegen Überregulierungen, ein negatives Image der Branche in der Öffentlichkeit und hoher wirtschaftlicher Druck nannte Landesbauernverbandspräsident Werner Schwarz am Donnerstag in Kiel als Hauptgründe für den Unmut. "Wir suchen Perspektiven, die die landwirtschaftlichen Familienbetriebe, die wir vertreten, nicht nur überleben lassen, sondern auch für Anerkennung und ein wirtschaftliches Auskommen sorgen."

Für die diesjährige Ernte rechnet Schwarz mit durchschnittlichen Erträgen. "Wir sind hier im Norden auf der Seite der Glücklichen", sagte er. Im Osten Deutschlands gebe es dagegen zum vierten Mal in Folge Ernten deutlich unter dem Durchschnitt. Schwarz appellierte an die Landesregierung, die Bauern durch Abbau von Bürokratie und andere Maßnahmen zu unterstützen.

Unterdessen ging der sogenannte Strukturwandel verstärkt weiter. Schwarz zufolge sinkt die Zahl der Betriebe im langjährigen Schnitt um 1 bis 2 Prozent. Im vorigen Jahr seien es gut 2,5 Prozent gewesen. Als einen Grund nannte Schwarz die schwierige wirtschaftliche Lage besonders für Milchbauern. Auch Flächenverluste an Autobahnen oder Stromtrassen führt der Verband an. Zudem schmälerten Abgaben die Einkommen. "Ich sehe nicht, dass Landwirte wegen Corona Betriebe schließen sollten", stellte Schwarz auch klar. Sein Verband vertritt nach eigenen Angaben konstant 80 Prozent der gut 10 000 Betriebe.

Die Landesregierung könnte der Landwirtschaft mehr Rückenwind geben, sagte Schwarz. Die Wettbewerbsbedingungen seien auch in Deutschland unterschiedlich. So habe Niedersachsen die Betriebe bei Saisonarbeitern finanziell unterstützt und fördere neue Güllebehälter ebenso wie Untersuchungen von Hausschweinen auf die Afrikanische Schweinepest. Er hoffe auf Gespräche mit der Regierung auch über Bürokratieabbau nach der Sommerpause, sagte Schwarz. Im Blick auf die gewünschte Biodiversität bräuchten die Bauern finanzielle Anreize wie beim Vertragsnaturschutz.

Zur geforderten Deregulierung sagte Schwarz, für einen Umbau von Ställen für mehr Tierwohl seien so viele Rechtsvorschriften zu beachten, dass diese gar nicht in angemessener Zeit umgesetzt werden könnten.

Beim Konfliktthema Schweinehaltung rechne er an diesem Freitag mit einer Zustimmung des Bundesrates zum Kompromissvorschlag von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, sagte Schwarz. Er befürchte in der Folge, dass vor allem kleinere Betriebe mit Muttersauenhaltung aufgeben werden.

Im Fokus sind die sogenannten Kastenstände - enge Metallkäfige, in denen bisher Sauen nach dem Decken und während der Säugezeit wochenlang fixiert werden. Laut Kieler Landwirtschaftsministerium sollen mit dem jetzt vorliegenden Änderungsentwurf die Kastenstände im sogenannten Deckzentrum nach einer Übergangsfrist von acht Jahren beendet werden. Die Gruppenhaltung werde danach zum Regelfall.

Nach drei Jahren müsse dafür ein Umbaukonzept vorliegen und nach fünf Jahren der Bauantrag, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Bauern, die nicht umbauen, müssten dies spätestens nach drei Jahren melden und nach fünf Jahren die Sauenhaltung einstellen. Die Schweine müssten auch während Übergangszeit ihre Gliedmaßen in Seitenlage ausstrecken können.

Wenn es nur noch die sogenannte freie Besamung der Sauen gebe, werde es in der heutigen Tierhaltung schwierig, sagte Bauernpräsident Schwarz. Es sollte weiter möglich sein, Sauen zumindest fünf bis sieben Tage zu fixieren. Ohne Kastenstand würden die Tiere unruhig und verletzten einander.

Der traditionelle Landesbauerntag zur Agrar- und Verbrauchermesse Norla fällt in diesem Jahr der Corona-Krise zum Opfer. Normalerweise kommen Anfang September gut 1000 Landwirte zusammen, um ihre Interessen zu artikulieren. Diesmal gibt es als digitale Alternative eine Podiumsdiskussion, die am 4. September live im Internet übertragen wird.

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