Agrar - Hannover:Neuer Präsident muss Landvolk durch den Umbruch führen

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Holger Hennies, neuer Präsident des Landvolks Niedersachsen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa (Foto: dpa)

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Hannover (dpa/lni) - Niedersachsen ist in vielerlei Hinsicht Deutschlands Agrarland Nummer eins. Noch ist das so - diese Einschränkung fügen in diesen Tagen viele Interessenvertreter der Bauern hinzu. Die Landwirtschaft wandelt sich, steht unter wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Druck. Wie viele Bauern in einigen Jahren noch Milch erzeugen, Geflügel, Schweine oder Weizen produzieren, das ist im Moment die große Frage. Auf die wird Holger Hennies mit Antworten finden müssen. Der 50-Jährige wurde am Donnerstag zum neuen Präsidenten des Landvolks in Niedersachsen gewählt. Gegen Mitbewerber Jörn Ehlers setzte er sich mit knapp 55 Prozent - oder 90 von 164 Stimmen - durch.

Ministerpräsident Stephan Weil versicherte bei der Mitgliederversammlung in seinem Grußwort, dass der Landesregierung die Bedeutung der Landwirtschaft in Niedersachsen bekannt und wichtig sei. Der SPD-Politiker wusste aber auch um die Probleme der Branche. "Sie befinden sich in einer Sandwich-Situation", analysierte Weil: Die Landwirte seien quasi eingequetscht zwischen den Erfordernissen eines weltweiten Marktes und den Erwartungen einer auf Umwelt- und Tierwohlfragen immer sensibler reagierenden deutschen Öffentlichkeit.

Weil ließ keinen Zweifel daran, dass seine Regierung grundsätzlich auf der Seite der Landwirte stehe. Mehr Qualität bei der Tierhaltung etwa müsse auch von der Gesellschaft besser honoriert werden. "Wer hart arbeitet, hat auch Anspruch auf einen fairen Lohn", sagte der Ministerpräsident.

Auch Weils Parteifreund und Umweltminister Olaf Lies stellte klar, dass die Landwirte ihre Arbeit nicht als Hobby betrieben. "Die Bauern machen das nicht aus Jux und Dollerei, sondern müssen davon leben."

Die Politiker stellten fest, dass sich die Landwirtschaft auf einen grundlegenden Wandel einstellen müsse. Sie muss auf den Klimawandel ebenso reagieren wie auf die Forderung nach einer qualitativ besseren Tierhaltung. "Dabei ist klar, dass wir nicht alle Betriebe mitnehmen können", sagte Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Für diese Bauern müsse es aber Einkommensalternativen geben - etwa als "Klimalandwirt" oder als "Energielandwirt", so die CDU-Politikerin.

Bei den Landwirten kamen die verständnisvollen Worte gut an. "Es tut gut, das zu hören", sagte der scheidende Präsident Albert Schulte to Brinke an die Adresse Weils. Aber er und sein Nachfolger Hennies wiesen auch auf den Berg von Problemen hin, vor denen Bauern stehen.

Der Milchpreis sei seit Monaten nicht mehr auskömmlich, gleichzeitig müssten die Betriebe wichtige Investitionen stemmen - viele werden das nicht schaffen, stellte Schulte to Brinke fest. Die im Sommer neu gefasste Regelung zur Sauenhaltung werde dazu führen, dass die Ferkelerzeugung aus Niedersachsen weitgehend verschwinden werde. Hier komme es nun auf die Ausführungsbestimmungen an - das Land möge sich dafür einsetzen, dass diese für die Landwirte möglichst verträglich ausfielen, appellierte Schulte to Brinke.

Unzufriedenheit herrscht auch über die neu gefasste Düngeverordnung, die Bauern in "roten Gebieten" mit zu hoher Grundwasserbelastung wegen intensiver Düngung pauschal zu 20 Prozent weniger Düngereinsatz verpflichte. Die Gebiete müssten viel differenzierter betrachtet werden. Es könne nicht sein, dass die Betriebe bestraft werden, die sich seit Jahren an die Düngeauflagen hielten, fordern die Landwirte.

Sorge Nummer eins ist aber die Lage der Schweinemäster, die in den vergangenen Wochen einen noch nie da gewesenen Preisverfall und einen "Schweinestau" vor den Schlachthöfen hinnehmen müssen. Zugleich erleben sie, dass im Lebensmittelhandel die Preise nicht gesunken sind. "Die Schere zwischen den Erzeugerpreisen und den Preisen im Lebensmittelhandel war noch nie so groß wie jetzt", sagte Hennies. Für Trecker-Blockaden vor Lagern des Discounters Lidl habe er volles Verständnis, sagte er: "Da waren auch Freunde von mir dabei." Die Herausforderungen für die Landwirtschaft seien existenziell.

Zuversichtlich stimmte immerhin, dass trotz Schwierigkeiten der "Niedersächsische Weg" gelungen sei - hier hatten sich Landwirtschaft sowie Umwelt- und Naturschutzverbände auf Regeln für einen besseren Umwelt- und Artenschutz geeinigt. Das könnte bundesweit Vorbild sein.

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