Agentur für Arbeit:Diskretion im Supermarkt

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Etwa 145 Euro des monatlichen Hartz-IV-Satzes sind für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke vorgesehen.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Arbeitsagentur will Hartz-IV-Vorschüsse einfacher auszahlen. Sozialhilfeempfänger sollen Teile ihrer Leistungen daher bald bei Rewe oder Real an der Kasse bekommen. Kritiker befürchten, die Arbeitslosen könnten bloßgestellt werden.

Von Janis Beenen

Eine Salami, zwei Tüten Milch und dazu 50 Euro Arbeitslosengeld II: Diese Kombination wird an Supermarktkassen im kommenden Jahr Realität. Die Arbeitsagentur will Leistungen wie Hartz-IV-Bezüge zum Teil in Lebensmittelmärkten und Drogerien auszahlen lassen. Unter anderem soll das bei Rewe, Real, Penny und Rossmann möglich sein.

In welchen Fällen gibt es Geld im Supermarkt?

"Bei den Auszahlungen an der Kasse handelt es sich um Vorschüsse in Notsituationen", sagt eine Sprecherin der Arbeitsagentur. Solche Notsituationen können bei unerwarteten Ausgaben entstehen: Wenn beispielsweise die Waschmaschine einer alleinerziehenden Mutter kaputtgeht, die auf Hartz IV angewiesen ist. Die Familie benötigt ein neues Gerät, alltägliche Ausgaben fallen aber weiterhin an. In solchen Fällen springt die Arbeitsagentur ein. Bislang erhielten die Arbeitslosen solche Vorschüsse in den Jobcentern.

Die regulären Auszahlungen bleiben auch im neuen Jahr unverändert: Leistungsempfänger bekommen diese weiterhin auf ihr Konto überwiesen. Wenn sie kein Bankkonto haben, erhalten sie Barschecks.

Wie oft werden Vorschüsse an Arbeitslose ausgezahlt?

Im Jahr 2016 zählte die Arbeitsagentur etwa 400 000 entsprechende Transaktionen. Insgesamt zahlte sie dabei an den 309 eigenen Kassenautomaten 120 Millionen Euro aus. Nicht jedes Jobcenter oder jede Niederlassung der Arbeitsagentur verfügt über einen Automaten. Daher müssen einige Sozialhilfeempfänger bislang weite Wege in Kauf nehmen, wenn sie kurzfristig Geld benötigen. Die Umstellung auf das Supermarkt-Modell soll im zweiten Quartal 2018 starten und bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, kündigt die Arbeitsagentur an.

Wie läuft die Auszahlung an der Supermarktkasse?

Sind Sozialhilfeempfänger in einer Notlage, verschickt die Arbeitsagentur Schreiben mit einem Barcode. Dieser wird an der Kasse gescannt und der angezeigte Betrag ausgezahlt. Die Behörde arbeitet dabei mit einem privaten Dienstleister zusammen.

Den Zuschlag für die neue Art der Bargeldauszahlung erhielt das Berliner Unternehmen Cash Payment Solutions mit der Marke Barzahlen.de. Der Zahlungsdienstleister verfügt über ein bundesweites Händlernetz, an das 8500 Filialen angeschlossen sind. Dort können Kunden schon heute Online-Einkäufe und Stromrechnungen bar an der Ladenkasse bezahlen. Einige Banken bieten die Kassen ihren Kunden als Alternative zum Geldautomaten an.

Werden Arbeitslose bloßgestellt?

"Die Auszahlung der Barmittel erfolgt unkompliziert, ohne Wartezeit und diskriminierungsfrei im normalen Lebensumfeld des Kunden", verspricht die Arbeitsagentur. Die Gefahr, dass der Barcode-Zettel die Geldabholer im Supermarkt als Arbeitslose outet, bestehe nicht. Das Logo der Arbeitsagentur werde dort nicht zu finden sein, heißt es. "Die Scheine für Arbeitslose sehen genauso aus wie alle anderen Scheine, die unser Partner Barzahlen.de ausstellt", sagt eine Sprecherin. Selbst die Kassierer könnten nicht unterscheiden, ob ein Online-Käufer sich Geld für einen Umtausch auszahlen lässt oder ein Arbeitsloser seinen Vorschuss abholt.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, widerspricht: "Wenn das ein Bescheid mit einem Barcode ist, den man in der Supermarktschlange an der Kasse vorzeigen muss, um Geld ausbezahlt zu bekommen, ist das ein denkbar indiskretes Verfahren." Ob die Vorkehrungen der Arbeitsagentur zur Wahrung der Diskretion reichen, muss also die praktische Umsetzung zeigen.

Warum lagert die Arbeitsagentur die Auszahlungen überhaupt aus?

Die Behörde will vor allem Kosten sparen. Bislang standen für die Auszahlungen Kassenautomaten in Jobcentern und Arbeitsagenturen zur Verfügung. Diese Automaten sollen nun abgebaut werden. Sie gelten als störanfällig und technisch veraltet. Ihr Unterhalt ist teuer: Jede Transaktion koste die Bundesagentur acht Euro, so die Sprecherin. Im Vorjahr hätten sich die Kosten demnach auf 3,2 Millionen Euro belaufen. Die neue Lösung werde günstiger, heißt es. Eine exakte Höhe nennt die Arbeitsagentur nicht.

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