Süddeutsche Zeitung

Valerie Holsboer:Arbeitsagentur schasst Vorständin

  • Valerie Holsboer, die erste Frau im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, muss ihren Posten abgeben.
  • Am Freitag beendete der Verwaltungsrat ihren Vertrag vorzeitig, vorausgegangen war ein interner Machtkampf um die Personalie.
  • Als Nachfolgerin könnte mittelfristig Jutta Cordt auf dem Posten folgen. Sie war bis 2018 Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, derzeit arbeitet sie im Bundesinnenministerium.

Von Alexander Hagelüken

Nach nur zwei Jahren muss Valerie Holsboer gehen. Am Freitag beschloss der mächtige Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg, dass die 42-Jährige ihren Posten im dreiköpfigen Vorstand vorzeitig räumen muss. Holsboer hat damit einen schmutzigen, über Wochen im Hintergrund ausgetragenen Machtkampf verloren. Die Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat, angeführt von Peter Clever, hatten gegen sie Front gemacht, dabei hatten sie die 42-Jährige einst selbst für den Posten ausgesucht. Am Freitag nun hieß es, das Verhältnis sei "zerrüttet".

Über eine Nachfolge für Holsboer soll im Herbst entschieden werden. Als Kandidatin gilt Christiane Schönefeld, Regionaldirektorin der Bundesagentur Nordrhein-Westfalen. Die 61-Jährige wird von Insidern gelobt. "Sie ist eine der besten, die wir haben", sagt einer aus der Behörde. Wegen ihres Alters könnte Schönefeld allerdings eine Übergangslösung sein. Es soll den Plan geben, nach ihr Jutta Cordt auf den Posten zu hieven. Die 55-Jährige arbeitet derzeit im Bundesinnenministerium. Sie war 2018 als Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entlassen worden, im Zuge der Debatte um zu Unrecht bewilligte Asylanträge in der Bremer Bamf-Außenstelle. Später stellte sich heraus, dass die Zahlen bei Weitem nicht so hoch waren wie anfangs gedacht.

Im Arbeitgeberlager war vor der Entscheidung betont worden, die Pläne für die vorzeitige Auflösung von Holsboers mit etwa 250 000 Euro jährlich dotierten Fünf-Jahres-Vertrags hätten rein fachliche Gründe. Sie sei glänzend in der Selbstdarstellung, habe sich aber zu wenig in Personalmanagement und Finanzfragen eingearbeitet. Zur wesentlichen Aufgabenstellung, wie sich eine zementierte Langzeitarbeitslosigkeit aufbrechen lasse, falle ihr nichts ein. Die Unterstützer der Vorstandsfrau sprechen dagegen von einer Intrige: Der wahre Grund sei, dass sich Holsboer von Clever, dem zentralen Mann im Arbeitgeberlager, nicht so habe steuern lassen, wie der es wünschte. Dorothee Bär, Staatsministerin im Kanzleramt, sprach diese Woche von "verheerenden Signalen für den Umgang mit Menschen nach innen wie nach außen".

Holsboer reagierte enttäuscht auf die Entscheidung. Sie habe in den vergangenen zwei Jahren alles daran gesetzt, die BA fit für die Zukunft zu machen. "Es gibt noch viel zu tun. Deshalb bedaure ich das Ergebnis der Wahl - auch dass es so unnötig und schädlich laut zustande gekommen ist."

Bundesrechnungshof prüft Reisekosten des Verwaltungsrats

Das Verhältnis zwischen Holsboer und Clever gilt bereits seit Längerem als schwer belastet, mindestens. Einst war sie vom Arbeitgeberlager geholt worden, womöglich auch, um im Vorstand ein Gegengewicht zu BA-Chef Detlef Scheele zu schaffen, der der SPD nahesteht. Doch diese Rolle wollte Holsboer nicht spielen. Clever brachte bald seinen Unwillen zum Ausdruck. Ein Insider sagt über ihn: "Der hat gedacht, er kann mit der Holsboer machen, was er will." Beteiligte schildern, die Vorständin habe schon nach wenigen Monaten einen anderen Arbeitgebervertreter um Vermittlung gebeten, Clever schreie sie häufig an. Genutzt hat die Vermittlung wenig. Clever sei öfter lautstark geworden, heißt es. Einmal habe er sogar ein Gesetzbuch über den Tisch geworfen. In die Richtung, in der Holsboer saß.

Den 21-köpfigen BA-Verwaltungsrat besetzen Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam. Und das mächtige Gremium steht gerade nicht nur wegen der Holsboer-Personalie im Blickpunkt: Der Bundesrechnungshof prüft derzeit das Reiseverhalten der Verwaltungsräte und deren Abrechnungen. Die Rechnungsprüfer nennen in einem vorläufigen Bericht keine Namen, aber Zahlen: Demnach bekamen mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats 2018 je 242 Euro für die Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Hotel erstattet, Rückfragen stellte die Abrechnungsstelle nicht. Der Ton des Reports ist deutlich kritisch, die Behörde wird aber erst antworten müssen, bevor man klarer sehen wird.

Jedenfalls hat der Rechnungshof seinen vorläufigen Bericht ungewöhnlich schnell vorgelegt. Insider vermuten, das könnte mit einer alten Fehde zwischen dem Rechnungshof und Verwaltungsrat Clever zu tun haben, die sich in der Vergangenheit bereits juristisch duelliert haben. Sowohl Gegner wie Unterstützer Holsboers betonten, das Bekanntwerden der Prüfung der Reisekosten habe ihr nicht genutzt: "Ein solcher Vorwurf schließt die Reihen des Verwaltungsrates", sagte einer.

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