Bodenschätze in Afghanistan:Staub und Gold

Lesezeit: 3 min

Blick auf Kabul. Die radikal-islamischen Taliban haben die Stadt eingenommen. Die Wirtschaft liegt brach. (Foto: Shan Marai/AFP)

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Erde, dabei sitzt das Land auf einer Unmenge wertvoller Rohstoffe - auf deren Ausbeutung nun der Nachbar China spekuliert.

Von Max Hägler

Mit dem Post-Service DHL Express lassen sich 220 Länder beschicken - eigentlich auch Afghanistan. Der Logistikkonzern unterhielt eine Dependance in dem Land. Doch jetzt ist die ohnehin herausfordernde Arbeit beendet, natürlich. Der Service ist "derzeit eingestellt", heißt es auf der Website. Damit ist eine der ohnehin wenigen handfesten wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Afghanistan gekappt. Denn so sehr das Land im Fokus stand und steht - so wenig hat es sich in den vergangenen 20 Jahren als Ziel für privatwirtschaftliche Investitionen oder als Absatzmarkt etablieren können.

"Die deutsch-afghanischen Wirtschaftsbeziehungen befinden sich auf einem niederschwelligen Niveau", so drückt es Volker Treier aus, der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Im Jahr 2020 habe das Handelsvolumen etwa 70 Millionen Euro betragen. Unter den wenigen Gütern, die trotz Sanktionskontrollen nach Afghanistan ausgeführt wurden, befanden sich Autos und Autoteile, Maschinen und Nahrungsmittel. Zurück kam noch weniger. Der Ackerbau wird immer noch vom illegalen Anbau des Heroin-Grundstoffes Opium dominiert und die Fabriken und Werkstätten im Land sind zu rudimentär, als dass sie relevant wären für Deutschland.

Dabei sitzt das Land eigentlich auf einem riesigen Schatz: Lithium und Kupfer, Aluminium und Gold, Kohle und Kobalt und noch viel mehr Rohstoffe im Wert von insgesamt einer Trillion US-Dollar, umgerechnet knapp einer Billion Euro liegen in der afghanischen Erde, schätzen US-Geologen, die umfangreiche Explorationen angestellt haben. "Es gibt ein atemberaubendes Potential hier", so wurde vor einem Jahrzehnt auch der damalige US-Oberbefehlshaber David Petraeus zitiert. Die US-Armee soll intern sogar davon gesprochen haben, dass Afghanistan das "Saudi-Arabien des Lithium" sei, in Anlehnung daran, dass in Saudi-Arabien das Öl sprudelt und Quell des Wohlstands ist: Lithium ist eines der wichtigsten und nachgefragtesten Materialen für die Elektromobilität und Batteriezellen. In einer Werbebroschüre des afghanische Öl- und Bergbauministerium aus dem Jahr 2019 hat der mittlerweile geflohene Präsident Ashraf Ghani wohl treffend erklärt: Der Bergbau sei die größte Chance um Wirtschaftswachstum für das Land zu generieren.

Ein Foto aus anderen Zeiten: NATO-Soldaten besichtigen im Frühjahr 2019 eine Kohle-Mine in Herat. (Foto: Hossein Fatemi/dpa)

Doch die prekäre Sicherheitslage hat eine Ausbeutung kaum zugelassen - wobei sich das absurderweise gerade durch den Abzug der westlichen Truppen ändern könnte: Die Bemühungen etwa von Russland, der Türkei und vor allem von China um Gespräche mit den Taliban dieser Tage dürften nicht nur mit Sicherheitsinteressen zu tun haben, sondern auch mit den Aussichten auf diese reichen Bodenschätze. So hatte die gestürzte afghanische Regierung bereits vor längerer Zeit die Ausbeutungsrechte einer großen Kupfermine südöstlich von Kabul an einen chinesischen Staatskonzern verkauft: für drei Milliarden US-Dollar.

Doch von dem Vertrag haben die Menschen bislang nichts. Die Förderung hat noch gar nicht recht begonnen, denn auch den Chinesen war die Lage bislang zu unsicher. In der Gegenwart ist Afghanistan deshalb eines der ärmsten Länder der Welt: den offiziellen Zahlen nach war bereits vor der Covid-Krise einer von vier Erwerbsfähigen arbeitslos. Eines von zehn Neugeborenen stirbt, das ist die höchste Sterblichkeit in der Welt. Die Lebenserwartung der etwa 38 Millionen Menschen liegt bei durchschnittlich 53 Jahren, nirgendwo in der Welt ist sie geringer.

In den vergangenen 20 Jahren hing Afghanistan am Tropf der internationalen Gemeinschaft, was das Bruttoinlandsprodukt von etwa 20 Milliarden Euro verfälschen dürfte. Allein Deutschland hatte geplant, in diesem Jahr 430 Millionen Euro zivile Unterstützung zu leisten. Angesichts der Machtübernahme durch die Taliban hat das Entwicklungshilfeministerium allerdings gerade einen Stopp aller Hilfe verkündet. Das betrifft mehrere Dutzend Projekte, die auch von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mitfinanziert werden. Deren Afghanistan-Budget beläuft sich auf 1,2 Milliarden Euro. Kredite, die projektbezogen an afghanische Ministerien ausgereicht wurden und bei deren Ausschreibung mitunter auch deutsche Firmen zum Zug gekommen waren. Oder kommen sollten.

Siemens Energy unterzeichnete 2020 eine Absichtserklärung. Die ist nun hinfällig

So unterzeichnete Siemens Energy im vergangenen November eine Absichtserklärung mit der afghanischen Regierung, um Stromnetze und Kraftwerke zu errichten. Diese Verabredung ist nun hinfällig. Die Frage ist, wie mittelfristig mit den Projekten umgegangen wird, die bereits angelaufen sind, etwa den Ausbau und die Asphaltierung der Nationalstraße von der Stadt Kunduz nach Khulm für die 39,5 Millionen Euro vorgesehen sind oder den Bau des Wasserkraftwerks Faizabad, beziehungsweise die Sanierung der Wasserversorgung von Kabul.

Deutsche und europäische Firmen haben dabei mit ihren Ingenieuren oft beraten. Wobei diese Arbeit schon in den vergangenen Jahren zunehmend schwierig geworden war. "Die unübersichtliche Sicherheitslage in Afghanistan stellt die Mitarbeiter vor Ort vor besondere Herausforderungen", heißt es etwa von einem technischen Dienstleister. Nicht alle Baustellen seien problemlos für internationales Personal zugänglich. Um trotzdem eine lückenlose Fortschrittskontrolle zu gewährleisten, hat dieses Unternehmen auf Fernüberwachung per Computer gesetzt. Die allerbesten Ergebnisse lassen sich so nicht erzielen - und Bergbau schon gar nicht etablieren.

Auch die KfW als Geldgeber hat seit fünf Jahren keine eigenen Leute aus der Frankfurter Zentrale nach Afghanistan gesandt. Stattdessen setzte man in den beiden Büros in Kabul und Masar-i-Scharif auf Mitarbeiter vor Ort. So wie es auch alle anderen deutschen Firmen handhabten: "Soweit uns bekannt, ist kein deutsches Unternehmen mit deutschen Mitarbeitern vor Ort vertreten", sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Treier. Und er sagt, was alle sagen, die mit Afghanistan zu tun haben: "Gleichwohl gibt es afghanische Staatsangehörige die bei deutschen Unternehmen angestellt sind und sich noch im Land befinden." Man versuche sie jetzt, in Sicherheit zu bringen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: