Affäre um Richter:Ein Richter als Strohmann?

Lesezeit: 5 min

"Das war der Versuch eines Richters, mich zum Betrug zu veranlassen", sagt Bergmann. Er vermutet, die Bescheinigung sollte allein dem Zweck dienen, die "Versicherung über nicht vorhandenes Eigenkapital zu täuschen und den Kredit ausbezahlen zu lassen." Bergmann lehnte ab.

Inzwischen waren ihm neue Zweifel an der Seriosität des Geschäftspartners in der Richterrobe gekommen. Wieder ging es um ein Immobiliengeschäft am Nikolaiort. Hartmut W. wollte dort ein weiteres Haus von Bergmann erwerben und legte ein notarielles Kaufangebot über zwölf Millionen Euro vor. Wenig später erfuhr Bergmann, wer tatsächlich hinter jener Firma Zweite S&W steht, die als Käuferin auftreten sollte: Sein Rivale Rauschen und ein Partner. Mit den Häusern hätte L+T seinen bestehenden Standort deutlich erweitern können. Bergmann ließ den Deal platzen.

Ein Richter als Strohmann und verdeckter Spieler bei einem riesigen Monopoly?

Hartmut W. mag dazu nichts sagen. Vonseiten L+T wird behauptet, Richter W. habe das Geschäftshaus vorab L+T zum Kauf angeboten. Um doppelte Grunderwerbssteuer zu sparen habe man eine Treuhänder-Konstruktion über die Zweite S&W gewählt. Aber Strohmann? Mitnichten.

Osnabrück, der Schauplatz des Monopolys, mag unscheinbar wirken, ist aber ein attraktives Pflaster. Knapp 160 000 Einwohner, im Einzugsgebiet leben etwa 700 000 Menschen. Viele reiche Unternehmerdynastien leben hier: Der C&A-Clan Brenninkmeijer, die Leysieffers oder die Tortenbäcker von Coppenrath&Wiese sind nur einige davon. Die selbst ernannte "Friedensstadt" ist ein Großdorf; man ist bestens vernetzt, speist im "La Vie", dem Drei-Sterne-Restaurant des Unternehmers Jürgen Großmann. Christian Wulff ist in Osnabrück groß geworden, ebenso sein Kreditgeber Egon Geerkens. Und natürlich die Rauschens und ihre L+T.

Wo jeder jeden kennt, müsste es erfahrungsgemäß auffallen, wie munter Richter Hartmut W. am lokalen Immobilienmarkt mitmischt und mit welchen Methoden. Seine Vorgesetzten geben sich jedoch ahnungslos. Sie hätten nichts gewusst, bis die Neue Osnabrücker Zeitung im Frühjahr über den "Stoff für eine Räuberpistole" schrieb. Daraufhin wurde der Richter, der bis dahin mit Wohnungseigentumssachen befasst war, in die Abteilung für Betreuungsfälle versetzt. Es sei "nicht bekannt", ob er "Insiderwissen gehabt oder genutzt" habe, so der Sprecher des Gerichts. Genau diesen Vorwurf erhebt Manfred Stein.

Einige Jahre hat der Architekt für den Richter gearbeitet. "In mindestens einem Fall", so Stein zur SZ, habe W. "Informationen aus dem Grundbuchamt des Amtsgerichtes für seine Immobiliengeschäfte verwendet." Auch dazu sagt W. nichts.

Zweifel daran, dass seine Nebengeschäfte justizintern unbekannt waren, nährt auch ein anderer Vorgang. 2006 und 2007 war W.s Geschäftsgebaren das Thema von Zivilprozessen am Landgericht Osnabrück und am OLG Oldenburg. Sie konnten Insidern kaum verborgen geblieben sein. Dabei stritten sich Stein und Richter W. um Architektenhonorare, und es kam ein pikantes Detail ans Tageslicht.

Richter W. musste einräumen, zwei Quittungen Steins über Abschlagszahlungen im Nachhinein verändert und einem anderen Bauobjekt zugeordnet zu haben. Fälschung oder Irrtum?

Stein erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. "Sie blieb zwei Jahre liegen", erinnert er sich. Nach seiner Dienstaufsichtsbeschwerde seien die Ermittlungen eingestellt worden "mit der Begründung, Herr W. habe sich nur geirrt und nicht gewusst, dass er die Quittungen nicht nachträglich verändern durfte".

Theodor Bergmann glaubt: "Ich sollte von einem fragwürdigen Beziehungsgeflecht mit allen Mitteln ausgebremst werden, um das Projekt am Neumarkt zu verhindern." Er verweist auf eine andere, merkwürdige Konstruktion. Weil der Richter die 3,4 Millionen Euro für Bergmanns Immobilie nicht vollständig bezahlt hat, steht sie unter Zwangsverwaltung. Das Amtsgericht hat einen örtlichen Rechtsanwalt als Zwangsverwalter eingesetzt. Der ist zugleich Prokurist in einer Firma, die ihrerseits ein Geschäftshaus in der Stadt errichtet. Mithin also ein direkter Konkurrent von Theodor Bergmann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema