Affäre um mögliche Bestechung:Aldi wehrt sich

Erst hat Verdi Anzeige gegen Aldi Nord wegen der möglichen Bestechung von Betriebsräten erstattet. Jetzt kontert der Handelskonzern mit einem juristischen Gutachten.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Der Handelskonzern Aldi Nord beruft sich in der Affäre um verdeckte Zahlungen an die Betriebsräte-Organisation AUB auf eine Gesetzeslücke. Das Unternehmen verweist auf einen juristischen Aufsatz. Demnach sei die finanzielle Unterstützung von Arbeitnehmervertretern nicht strafbar. Auch Siemens hatte die AUB unterstützt.

Affäre um mögliche Bestechung: Passanten gehen in Essen vor einem Lebensmittelmarkt der Handelskette Aldi Nord entlang.

Passanten gehen in Essen vor einem Lebensmittelmarkt der Handelskette Aldi Nord entlang.

(Foto: Foto: ddp)

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte Aldi Nord Ende voriger Woche angezeigt. Verdi hegt den Verdacht der Bestechung und wirft Aldi zudem mögliche Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz vor. Die Handelsgruppe wehrt sich gegen die aus ihrer Sicht "gewagten Verdächtigungen". Man müsse die Zusammenarbeit mit der Betriebsräte-Organisation AUB "sachlich-korrekt beurteilen", teilte das Unternehmen am Wochenende mit.

Aldi-Manager Rainer Kämpgen verweist dabei auf einen Aufsatz des Juristen Volker Rieble vom Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht in München. Rieble kommt darin zu dem Ergebnis, die Bestechung von Betriebsräten oder Gewerkschaftsvertretern sei "nicht von vornherein strafbar". Zahlungen an die AUB oder deren langjährigen Vorsitzenden Wilhelm Schelsky seien kein Fall für das Strafgesetzbuch. Der dort enthaltene Paragraph 299 (Bestechung im geschäftlichen Verkehr) greife hier nicht. Kämpgen ist Geschäftsführer der Aldi Einkauf GmbH in Essen, der Zentrale von Aldi Nord.

Die Aldi Einkauf GmbH hat die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) bis 2006 mit insgesamt rund 350000 Euro unterstützt. Die Handelskette übernahm nach eigenen Angaben jahrelang die Personalkosten eines AUB-Referenten, der Betriebsräte von Aldi schulte. Das Gehalt des AUB-Referenten habe 60000 Euro im Jahr betragen. Aldi Nord überwies das Geld über eine Essener Anwaltskanzlei an eine Unternehmensberatungsfirma des damaligen AUB-Chefs Schelsky.

"Nicht strafbar"

Schelsky hatte die Betriebsräte-Organisation mit Geld von Siemens aufgebaut. Weil es beim Sponsoring durch Siemens zu Gesetzesverstößen gekommen sein soll, sitzt Schelsky seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt gegen ihn und ehemalige Siemens-Manager. Demnächst soll der AUB-Gründer Schelsky in Nürnberg vor Gericht kommen, allerdings nicht wegen Korruption, sondern wegen anderer Finanzdelikte, so wegen Betrug, Beihilfe zur Veruntreuung von Konzernvermögen bei Siemens und Steuerhinterziehung.

In den vergangenen Jahren sind mehrere teils spektakuläre Fälle von Vergünstigungen für Betriebsräte oder Arbeitnehmer-Organisationen bekannt geworden. Etwa bei VW, wo der Konzern sogar sogenannte Lustreisen spendierte. Private Postunternehmen unterstützten eine neue Arbeitnehmervereinigung, der vorgeworfen wurde, Gefälligkeitstarifverträge abzuschließen.

Auch hier erstattete Verdi Anzeige wegen Korruption, die Staatsanwaltschaft Köln stellte das Verfahren aber ein. Bei Aldi Nord geht man offenbar davon aus, dass die von Verdi jetzt wegen der Unterstützung der AUB eingeschaltete Staatsanwaltschaft Essen das Verfahren ebenfalls einstellen wird.

Nach Ansicht von Rieble greift der Korruptions-Paragraph im Strafgesetzbuch nur bei Schmiergelddelikten zu Lasten von Unternehmen und nur bei Geschäften mit Waren und Dienstleistungen. Wenn ein Arbeitgeber Betriebsräte oder Gewerkschaftsfunktionäre besteche, um auf diese Weise günstige Tarifabschlüsse oder vorteilhafte Arbeitszeitregelungen zu erreichen, sei er "nicht nach Paragraph 299 strafbar".

Die Gewerkschaft Verdi behauptet dagegen in ihrer Strafanzeige, die AUB habe als Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung durch Aldi Nord in den Aldi-Filialen Stimmung gegen Verdi gemacht und arbeitgeberfreundliche Arbeitszeitregelungen durchgesetzt.

Rieple hat seinen Aufsatz Mitte Juli in der juristischen Fachzeitschrift Corporate Compliance - Haftungsvermeidung im Unternehmen veröffentlicht. Der Münchner Professor urteilt in dem Text, das derzeitige Recht wehre Kungelei und Filz zwischen Firmen und Arbeitnehmer-Organisationen nicht ab und sei "korruptionsanfällig".

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