Ärger um den Mindestlohn:Gewerkschaftler gegen Schäuble

Wolfgang Schaeuble

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat zwei Verordnungen zur Kontrolle des Mindestlohns vorgelegt - die Gewerkschaften sind mit diesen alles andere als zufrieden.

(Foto: AP)

Die Chefs von DGB, Verdi und IG-Bau sind sauer: Finanzminister Schäuble gefährde den Mindestlohn. Der Vorwurf: Er höhle jene Kontrollen aus, die seine Einhaltung gewährleisten sollen - gerade in Branchen, wo diese am dringendsten nötig sei.

Von Thomas Öchsner, Berlin

- So verärgert kann man drei Gewerkschaftsführer zusammen nur selten sehen. DGB-Chef Reiner Hoffmann, der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske und IG-Bau-Boss Robert Feiger kamen am Donnerstag in die Bundespressekonferenz, um einen Mann ins Visier zu nehmen: Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker, so die Botschaft der Gewerkschafter, gefährde den Mindestlohn, weil er dessen Kontrolle aushöhle. Das sei "eine Attacke erster Güte", sagte Hoffmann.

Worum geht es? Die neue gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro wird 2015 eingeführt. Zuständig für deren Einhaltung ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Diese gehört zum Zoll, der untersteht dem Finanzminister. Schäuble hat nun dazu "im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales", wie in den amtlichen Dokumenten steht, zwei Verordnungen vorgelegt. Mit denen werden nach Ansicht der Gewerkschaften ausgerechnet die Kontrollen in den Branchen erschwert, wo sie am dringendsten nötig sind. Dem Missbrauch werde so "Tür und Tor geöffnet", sagte Hoffmann.

Konkret sehen die Verordnungen vor, dass Arbeitgeber in bestimmten Branchen nur die Dauer der geplanten Arbeitszeit erfassen müssen. Das soll erlaubt sein, wenn die Arbeitnehmer mobil tätig sind und für ihre Arbeitszeit keine Vorgaben haben. Die Gewerkschaften sehen darin eine Einladung, die Zeiten von Hunderttausenden Arbeitnehmern, die Pakete zustellen, Abfall sammeln oder Straßen reinigen, falsch zu erfassen. Schon jetzt müssten etwa Paketzusteller eine bestimmte Menge austragen, ohne dies in der vorgesehenen Zeit schaffen zu können. Arbeitgeber könnten deshalb künftig die geplante Dauer anstatt der tatsächlichen Arbeitszeit angeben, um den Mindestlohn umgehen zu können.

DGB-Chef lässt rechtliche Schritte prüfen

Die zweite Verordnung entlastet Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden oder verleihen und in Branchen tätig sind, wo Schwarzarbeit häufig ist, von ihren Meldepflichten. "Statt einer Einzelmeldung reicht zum Beispiel bei wechselnden Einsatzorten und bei Schichtarbeit auch die Übermittlung einer Einsatzplanung für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten aus", heißt es in dem Papier. Auch das führe dazu, dass der Mindestlohn ausgehöhlt werde, kritisierten DGB und Co.

Die Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ, die die Zollbeamten vertritt, warnte ebenfalls: Kontrollen werden nicht nur aufwendiger, die neuen Ausnahmen seien auch nicht sinnvoll. "Besonders in den für Schwarzarbeit anfälligen Branchen wie zum Beispiel dem Transport- oder Taxigewerbe ist es wichtig, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit festzuhalten, um im Nachhinein eine effektive Kontrolle zu gewährleisten." Brigitte Pothmer, Grünen-Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik, warf Schäuble deshalb vor, "mit dem Segen von Arbeitsministerin Nahles" den Mindestlohn zu torpedieren. Das Finanzministerium wies die Kritik als unbegründet zurück. Die Regeln in den Verordnungen würden nur eine kleine Gruppe Arbeitnehmer betreffen und trügen dazu bei, Kontrollen effizienter zu machen.

DGB-Chef Hoffmann wird sich damit nicht zufriedengeben: Am Freitag will er mit Nahles reden. Auch rechtliche Schritte lässt er prüfen, wenn Schäuble keinen Rückzieher macht.

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