Adler-Hauptversammlung:Wer nicht gefragt wird, muss nicht antworten

Lesezeit: 3 Min.

Symbol der Krise bei Adler: Das Hochhaus am Steglitzer Kreisel in Berlin sollte eigentlich längst fertig umgebaut sein, inzwischen aber beschäftigen sich mit dem Gebäude mehr Juristen als Bauarbeiter. (Foto: Dirk Sattler/imago)

Der gebeutelte Immobilienkonzern Adler lädt zur Hauptversammlung, die Aktionäre erfahren aber nicht viel. Auch Nachfragen dürfen sie nicht. Dabei gäbe es genug zu besprechen.

Von Stephan Radomsky, München

Nach exakt 20 Minuten und 20 Sekunden ist alles vorbei. Das Management des skandalgebeutelten Immobilienkonzerns Adler hat seine Statements per Videostream verlesen. Damit ist die virtuelle Hauptversammlung abgeschlossen. Betrugsvorwürfe, Zoff mit den Rechnungsprüfern, Panik bei den Anlegern - war da was? "Planmäßige Umsetzung" hieß es in der Mitteilung des Konzerns mit Sitz in Luxemburg nur, die Aktionäre hätten den Verwaltungsrat bestätigt und alle Beschlussvorschläge angenommen.

Von Debatte dagegen kein Wort. Die gab es auch nicht. Sämtliche Fragen an Verwaltungsratschef Stefan Kirsten und seine Leute mussten schon vor Tagen eingereicht werden, beantwortet wurden sie schriftlich. Das Dokument umfasst gerade mal vier Seiten, darauf finden sich insgesamt acht Punkte.

Dabei gäbe es genug zu besprechen: Die Adler-Aktie, immerhin Teil des S-Dax, taumelt schon wieder in Richtung ihres Rekordtiefs, die Ratingagentur S&P stuft jede Investition in den Konzern inzwischen als "extrem spekulativ" ein, die Gläubiger verkaufen Anleihen inzwischen lieber mit hohem Verlust, als weiter mit dem Risiko Adler zu leben, die Wirtschaftsprüfer von KPMG verweigerten der jüngsten Bilanz erst das Testat und dem Konzern dann die weitere Zusammenarbeit, und die Finanzaufsicht Bafin will nun auch noch die 2021er-Bilanz der Deutschland-Tochter Adler Real Estate auf unsaubere Geschäfte prüfen.

Es drohen weitere Verkäufe von Immobilien

Und die Probleme enden nicht in der Buchhaltung, auf den Baustellen gehen sie weiter: Viele Neubauprojekte der Konzerntochter Consus sind offenbar praktisch zum Stillstand gekommen. In Hamburg, Berlin und Düsseldorf liegen riesige Areale teilweise seit Jahren brach, versprochene Wohnungen werden nicht fertig, Kommunen und Investoren werden vertröstet und Handwerker nicht bezahlt, wie Recherchen des NDR zeigen.

Zu alldem aber schweigt sich Adler aus.

"Unser Anspruch ist es, das Vertrauen vollständig wiederherzustellen", sagt Kirsten nur. Ziel fürs laufende Jahr sei weiterhin eine uneingeschränkt bestätigte Bilanz. Wer die testieren soll, bleibt allerdings unklar. Erst ganz zum Schluss räumt Kirsten ein, dass Adler wohl auch den Verkauf weiterer Immobilien erwägen müsse, um anfallende Verbindlichkeiten zu bedienen. Von einst rund 70 000 Wohnungen sind ohnehin nur noch gut 27 000 im Besitz des Konzerns.

Adler gelingt es kaum, nach den schweren Vorwürfen wieder Vertrauen aufzubauen

Die Krise ins Rollen gebracht hatte der berüchtigte Shortseller Fraser Perring. Ein im vergangenen Oktober veröffentlichter Bericht seiner Analysefirma Viceroy erhebt schwere Vorwürfe: Von überbewerteten Immobilien und heimlichen Deals innerhalb des Firmengeflechts ist die Rede. Nutznießer, so behauptet Perring, sei ein Netzwerk um den österreichischen Geschäftsmann Cevdet Caner, den Schaden hätten Aktionäre und Gläubiger.

Adler und Caner haben das stets bestritten, die Investoren aber schenkten dem Briten Glauben - obwohl er keineswegs ein neutraler Fachmann ist, sondern mit Wetten auf fallende Kurse sein Geld verdient. Adler sah sich in der Folge gezwungen, KPMG mit einer Sonderprüfung der Vorwürfe zu betrauen und den Immobilienfachmann Stefan Kirsten als neuen starken Mann in den Konzern zu holen.

Gleich an seinem ersten Tag versprach der absolute Offenheit und Transparenz. "Vertrauen aufbauen" ist seitdem zu so etwas wie seinem Mantra geworden. Nur: Es gelingt nicht recht.

Die KPMG-Prüfer etwa sahen sich außerstande, die Vorwürfe zu entkräften - vor allem, weil ihnen vom Konzern rund 800 000 zur Prüfung angeforderte Dokumente vorenthalten wurden. Kirsten begründete das mit juristischen Problemen und Geheimhaltungspflichten. Ein Argument, dem viele Beobachter nicht recht folgen konnten.

Und auch im Vorfeld der Hauptversammlung war es so eine Sache mit der Transparenz. So mussten die Aktionäre ihre Fragen ans Management bis zum 21. Juni einreichen, erst danach aber kündigte der Konzern weitreichende Umbauten an: So sollen bei der Tochter Adler Real Estate die verbliebenen Minderheitsaktionäre zwangsabgefunden und die Gesellschaft von der Börse genommen werden, genauso wie der Projektentwickler Consus. Zudem wechselten rund 1400 Wohnungen von der Konzernmutter zur Tochter, und zwar zu einem Schätzwert von 326 Millionen Euro. Gläubiger fürchten nun, dass der Betrag zu hoch sein und sie im Ernstfall auf dem Schaden sitzenbleiben könnten.

Die Aktionäre aber konnten auch dazu nichts sagen. "Das passt alles ins Bild", sagt Carola Rinker, Bilanzexpertin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Es sei "erschütternd", zeige aber, wie virtuelle Hauptversammlungen missbraucht würden: "Da wird eine Ausnahmesituation zulasten der Aktionäre ausgenutzt." Auch die Aktionärsschützer hatten übrigens, anders als sonst üblich, keine Redemöglichkeit.

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