Adidas:Vorsprung in Gefahr

Der Konzern aus Herzogenaurach ist die Nummer eins im Fußballgeschäft - noch. Denn für den Rivalen Nike lief die WM diesmal viel besser.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Natürlich sind alle zufrieden, ein jeder feiert sich irgendwie als Sieger. Bei Nike sind sie glücklich darüber, Ausrüster von Weltmeister Frankreich, Vize Kroatien und dem Turniervierten England zu sein und damit von drei der vier erfolgreichsten Teams. Adidas sieht durch die eigene Omnipräsenz als Fifa-Sponsor in und um die russischen WM-Stadien, sowie die Reichweite im Netz die eigene Marke gestärkt. Puma verbucht die Strategie, nicht auf viele, sondern auf besondere Einzelspieler zu setzen, als Erfolg. Und die kleinen Ausrüster wie Hummel, New Balance oder Errea freuen sich, ihre Trikots einem Milliardenpublikum gezeigt zu haben.

Klar, dass keiner als Verlierer dastehen will. Die Fußball-WM in Russland war, wie schon die vorherigen WM-Turniere, die wichtigste Plattform in diesem Jahr, auf der die Sportartikelindustrie um Sichtbarkeit, Image und Marktanteile kämpfte. Die Strategien der Unternehmen waren unterschiedlich. Doch in Russland gingen sie entgegen den erwähnten Erfolgsbekundungen der Hersteller keineswegs alle auf.

Adidas etwa, mit dem Vorsprung ins Turnier gestartet, exklusiver Ausrüster des Turniers sowie von zwölf der 32 Teilnehmer zu sein, dürfte es schmerzen, dass seine Mannschaften zum Teil früh ausschieden. Spanien und Argentinien zum Beispiel und natürlich vor allem Titelverteidiger Deutschland. Nur der kleine Außenseiter Belgien spielte sich auf Rang drei vor. Aber, mal ehrlich, wie viele Fußballfans außerhalb des Elf-Millionen-Einwohner-Landes kaufen sich deswegen ein belgisches Adidas-Trikot?

Der Konzern rechnet dennoch damit, weltweit acht Millionen Replica-Trikots zu verkaufen, was ein neuer Rekord wäre. Vor vier Jahren setzte Adidas allein vom deutschen Weltmeisterdress drei Millionen Stück ab. Das Geschäft fällt diesmal weg.

Es geht beileibe aber nicht nur um Fantrikots, sondern um die Vormacht in der weltweit wichtigsten Sportart. Adidas, Nummer zwei der Sportartikelwelt hinter Nike, behauptet sich seit Jahren knapp als Marktführer im Fußballgeschäft. Marktforschern zufolge setzten die Franken zuletzt 2,1 Milliarden Euro mit Fußballprodukten um, Nike 1,8 Milliarden. Tatsächlich aber mehren sich die Anzeichen dafür, dass der US-Branchenführer Adidas auch hier allmählich den Rang abläuft.

Gefühlt trugen deutlich mehr der knapp 800 WM-Kicker Schuhe mit dem "Swoosh", dem charakteristischen Nike-Häkchen, als solche mit drei Adidas-Streifen. Darunter die meisten Superstars des Turniers wie der zum besten Spieler gekürte Luka Modrič, Torschützenkönig Harry Kane, Jungstar Kylian Mbappé und der beste Torwart Thibaut Curtois.

Die richtigen, weil erfolgreichen und über ihre Vereine, Ligen und Länder hinaus strahlkräftigen Fußballprofis als Werbe-Testimonials nutzen zu können, wird für die Sportartikelhersteller immer wichtiger. Mit einem Aufwand wie noch nie spielten Nike, Adidas und Co. ihr eigenes WM-Turnier - nämlich im Internet. In den sozialen Netzwerken vor allem, dort, wo die junge Zielgruppe sich tummelt. Pausenlos wurde von über den Globus verteilten und damit den Zeitzonen angepassten Newsrooms die digitale Welt mit exklusiven Fotos, Texten und Filmchen über die Stars gefüttert. Weshalb eine Adidas-Sprecherin als besonderen Erfolg hervorhebt, dass ein Instagram-Post mit Adidas-Spieler Lionel Messi vor dem letzten Argentinien-Spiel von mehr als 11,8 Millionen Nutzern gesehen wurde, "der höchste Wert eines Spielers während des Turniers".

Der Kampf um Spieler, die zu globalen Popstars stilisiert werden können, wird immer härter. Oder anders gesagt: immer teurer. 25 Millionen Euro pro Jahr zahlt Nike angeblich allein an Cristiano Ronaldo. Je mehr Follower ein Profi hat, desto wertvoller wird er für seine Sponsoren. Zuletzt tat sich Nike besonders damit hervor, potenzielle Superstars von morgen an sich zu binden wie den erwähnten Mbappé oder den deutschen Premier-League-Star Leroy Sané. Vor allem über solche Einzelspieler greift Nike die Fußball-Vormachtstellung von Adidas an.

Puma, Nummer drei der Sportartikelbranche, setzte bei der WM ebenfalls auf Individualisten. Zwangsläufig, nachdem mit Italien das wichtigste Puma-Team sich nicht für Russland qualifiziert hatte. Nun freut sich die Raubkatzenmarke zumindest darüber, dass mit Antoine Griezman und Romelu Lukaku zwei der drei besten WM-Torschützen ihre Schuhe trugen.

Adidas wiederum wird seine Fußball-Strategie überdenken müssen. Nach wie vor hat der Konzern große Teams wie Real Madrid und Superstars wie Paul Pogba unter Vertrag. Doch wichtige Protagonisten der vergangenen Jahre wie Messi, Marcelo oder Arjen Robben sind im Karriereherbst angekommen. In Russland zeigte Adidas bei der WM zwar hohe Präsenz und erlebte großen Zuspruch. Doch das Wirtschaftsembargo bremst das Wachstum in dem Land enorm. Und das Engagement als Fifa-Sponsor sichert zwar exklusive Bandenwerbung und das Recht, den Spielball zu stellen und die Schiedsrichter einzukleiden - aber ist das wirklich einen hohen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr wert? Noch dazu, wenn der Geschäftspartner Fifa heißt, eine Organisation von zweifelhaftem Ruf und Gebaren?

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