Süddeutsche Zeitung

Adidas:Entscheidend ist im Hintergrund

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Harm Ohlmeyer ist seit drei Jahren Finanzvorstand von Adidas. Nun hat er den ersten Corona-Hilfskredit im Dax beschafft.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Seit drei Jahren ist Harm Ohlmeyer Finanzvorstand von Adidas, doch öffentlich aufgefallen ist er bislang nicht. Zwar ist er es, der regelmäßig bei Presse- und Telefonkonferenzen Journalisten, Börsenanalysten und Investoren detailliert aus dem finanziellen Innenleben des Sportartikelriesen berichtet, während sich Vorstandschef Kasper Rorsted auf das große Ganze konzentriert. Ohlmeyer liefert dann ab, wie man es von Zahlenmenschen gemeinhin erwartet: sachlich, seriös, souverän, unprätentiös, um nicht zu sagen: knochentrocken - und unscheinbar.

Es findet sich von ihm auch kein Porträt in einem nennenswerten Medium und nur ein einziges Interview mit der Börsen-Zeitung. Das Interesse an Harm Ohlmeyer könnte allerdings zunehmen, schließlich ist er der erste Finanz-Vorstand eines der insgesamt 30 im Deutschen Aktien-Index (Dax) gelisteten Konzerne, der im Zuge der Corona-Krise einen Staatshilfe-Kredit eingefädelt und ausgehandelt hat: drei Milliarden Euro, davon 2,4 Milliarden von der staatlichen Förderband KfW und 600 Millionen Euro von einem Bankenkonsortium.

Im Gegenzug zahlt Adidas 2020 keine Dividende an die Aktionäre (immerhin sollten etwa 750 Millionen Euro ausgeschüttet werden), kappt Boni von Vorständen und Führungskräften und verzichtet darauf, wie geplant, eigene Aktien im Wert von einer Milliarde Euro zurückzukaufen. Ohne all dies und ohne Staatshilfe würde Adidas trotz hoher Rücklagen und eines Gewinns von 1,9 Milliarden Euro (bei 23,6 Milliarden Euro Umsatz) 2019 bald in Liquiditätsprobleme geraten. Denn in nahezu allen für den Sportartikelhersteller relevanten Märkten sind die Sportgeschäfte geschlossen. Auch die Rivalen Nike und Puma sind auf Hilfskredite angewiesen. Ihnen gehen ebenfalls Milliardenumsätze verloren; nur der Online-Handel läuft einigermaßen.

Mit dem wiederum kennt Harm Ohlmeyer sich bestens aus. Er verdankt seinen Aufstieg zum Nachfolger des Neuseeländers Robin Stalker, der 16 Jahre lang die Adidas-Finanzen gemanagt hatte, ganz wesentlich dem Umstand, dass er das Online-Geschäft bei Adidas auf- und ausgebaut hat. Von 50 Millionen auf eine Milliarde Euro stieg der E-Commerce-Umsatz unter Ohlmeyers Führung. 2011 hatte ihn Rorsteds Vorgänger Herbert Hainer zum Chef des Internetvertriebs befördert. Da arbeitete Ohlmeyer bereits 13 Jahre bei Adidas.

Geboren wurde er 1968 in der niedersächsischen Kleinstadt Hoya südöstlich von Bremen, was vielleicht erklärt, warum Ohlmeyer bis heute Fan des SV Werder ist. Nach Betriebswirtschaftsstudium in Regensburg und einem MBA in den USA heuerte er beim Zementhersteller Lafarge an, wechselte nach drei Jahren kurzzeitig als Unternehmensberater zu Roland Berger und landete 1998 bei der damaligen Adidas-Salomon AG.

Über diverse Management-Posten - unter anderem bei der damaligen Adidas-Golfsparte Taylor-Made im kalifornischen Carlsbad, sowie als Finanzchef der Kernmarke Adidas - arbeitete sich der Familienvater in den Konzernvorstand hoch. Geschadet hat ihm bei seiner Berufung zum 1. Mai 2017 sicher nicht, dass der damals noch neue Vorstandschef Rorsted die Digitalisierung als eines seiner Kernziele bei Adidas ausgerufen hatte.

Die Folgen der Krise hat auch er zunächst unterschätzt

Ein Werdegang wie jener von Harm Ohlmeyer deutet auf Zielstrebigkeit und Ausdauer hin. Letztere holt sich der Finanzvorstand beim Triathlon. Der Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen helfe ihm, Stress abzubauen, runterzukommen und sein inneres Gleichgewicht zu finden, sagte Ohlmeyer einmal in einem seiner seltenen Aussagen über sich selbst. Er gilt als ungeduldig und schneller Entscheider.

Was Corona angeht, so hat der Manager das rasante Tempo der wirtschaftlichen Negativ-Folgen genauso unterschätzt wie die meisten Menschen. Noch vor vier Wochen, als Adidas seine Bilanz für 2019 präsentierte, gab sich Ohlmeyer optimistisch. Niemand könne das Ende der Krise vorhersagen, aber Sport sei ein Megatrend, was Adidas zugutekomme, sagte er. Und Adidas könne "einen Dip verkraften". So leicht ist das nun aber doch nicht.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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