Sportartikelindustrie:Deutsche Umwelthilfe wirft Adidas Greenwashing vor

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Sportartikel, na klar - aber wenn möglich bitte nachhaltig. Viele Hersteller reagieren auf diesen Trend, auch das fränkische Unternehmen Adidas. (Foto: IMAGO/IMAGO/Manngold)

Die Sportindustrie behauptet, sie werde nachhaltiger. Auch Adidas wirbt mit Klimaneutralität von 2050 an, lässt den Weg dorthin aber offen. Die Umweltorganisation droht mit einer Klage.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die Ankündigung von Adidas klingt verheißungsvoll, doch in den Augen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist sie leeres Gerede und Augenwischerei zu Werbezwecken. „Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein“, verspricht der deutsche Sportartikelriese auf seiner Internetseite und „verpflichtet sich zu einer Reihe ehrgeiziger Ziele, die den Weg zu Klimaneutralität entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette bis 2050“ ebnen. Eine Aussage, von der Agnes Sauter sagt, sie sei reines Greenwashing und obendrein rechtswidrig. „Wenn man etwas so vollmundig ankündigt, muss man auch konkret sagen, wie man dieses Ziel erreichen will.“

Sauter firmiert bei der DUH als Leiterin ökologische Verbraucherberatung und Marktüberwachung und verantwortet als solche eine Abmahnung, welche die Organisation nach Informationen der Süddeutschen Zeitung an Adidas geschickt hat. Sie ist verbunden mit der Aufforderung, das Versprechen der Klimaneutralität umgehend einzukassieren – oder mit konkreten Inhalten zu unterfüttern. Andernfalls werde die DUH dagegen vor Gericht ziehen. Adidas, so der Vorwurf, sage nicht, wie genau der Milliardenkonzern bis 2050 klimaneutral werden will. Einigermaßen konkrete Ankündigungen der Firma enden 2030. Adidas verschaffe sich so lediglich ein grünes Image als Werbeclaim, um Schuhe und Shirts besser zu verkaufen, so die DUH. Das sei eine „Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern“, kritisiert ihr Chef Jürgen Resch.

Die DUH ist schon viele Firmen wegen Greenwashings angegangen

Es ist nicht der erste Fall dieser Art; die Organisation ist bereits Dutzende Unternehmen wegen ihrer vollmundigen Klimaversprechen juristisch angegangen. Manche zogen freiwillig zurück, gegen andere zog die DUH vor Gericht. Zuletzt war sie, wie berichtet, gegen TUI Cruises erfolgreich. „Greenwashing ist in allen Branchen festzustellen“, sagt Agnes Sauter. Und um das zu ändern, führe die Deutsche Umwelthilfe Musterverfahren, die eine abschreckende Wirkung erzielen, damit andere gar nicht erst in Versuchung geraten, ihre tatsächlichen Geschäfte mit dem grünen Mäntelchen zu tarnen.

Adidas scheint in dem Streit nicht klein beigeben zu wollen. Nein, so eine Sprecherin auf Nachfrage, man werde die von der Umwelthilfe geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben. „Wir arbeiten weiterhin daran, Emissionen gemäß unserer Ziele zu reduzieren.“ Gleichzeitig habe Adidas „den Hinweis der Deutschen Umwelthilfe dennoch zum Anlass genommen, unsere Ausführungen zu einzelnen Aspekten auf unserer Unternehmenswebseite besser verständlich zu machen“. Daran arbeite man gerade. „Darüber hinaus haben wir der Deutschen Umwelthilfe ein Gespräch angeboten, um Fragen und Bedenken konstruktiv adressieren zu können.“ Von Greenwashing könne bei Adidas keine Rede sein. Allein die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen pro Produkt seien „zwischen 2022 und 2023 innerhalb eines Jahres um drei Prozent gesunken“. Was nach 2030 geschehen soll, bleibt nach wie vor offen.

Wer nachhaltig produziert, hat einen Wettbewerbsvorteil

Der Fall lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Grundsatzthema, das die Sportartikelbranche immer mehr umtreibt. Vor allem die jüngere Kundschaft will einschlägigen Umfragen zufolge Sportklamotten und Laufschuhe, Rucksäcke und Fahrräder mit gutem Gewissen kaufen. Sie legen Wert auf Produkte, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette ethisch einwandfrei und möglichst umweltschonend produziert wurden. Und natürlich auch möglichst klimaschonend. Hersteller, die bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz punkten können, haben definitiv einen Wettbewerbsvorteil. Die Fachzeitschriften sind voll mit Beiträgen zum Thema und es gibt kaum einen Branchenkongress, der sich nicht mit dem Thema befasst

Die Marken nutzen grüne Argumente auch gerne in ihrer Werbung. Die Outdoormarke Vaude etwa, die nachhaltiges Wirtschaften zum strategischen Ziel erklärt hat, und sich diesbezüglich als Vorreiterin sieht. Vaude bekennt sich zur Gemeinwohlökonomie, die Erfolg nicht nur in Finanzkennzahlen, sondern auch am gesellschaftlichen und ökologischen Beitrag misst. So weit gehen andere Hersteller nicht, sie versuchen aber auch, sich dem Öko-Trend entsprechend zu profilieren. Einige Beispiele: Der Bergschuhhersteller Lowa verspricht außergewöhnliche Langlebigkeit seiner Produkte und Klimaneutralität bis 2050.

Konkurrent Keen wirbt damit, Sohlen mit dem Oberschuh zu verschmelzen und so auf giftige Klebstoffe zu verzichten. Die Outdoormarke Globetrotter nimmt gebrauchte Ausrüstung zurück und verkauft sie wieder als Second-Hand-Ware. Auch der Sporthandel nutzt den Nachhaltigkeitstrend. Intersport will bis 2030 der „nachhaltigste Omnichannel-Sportfachhändler“ werden, was immer das im Detail auch heißt. Decathlon, globale Nummer eins im Sporthandel, baut seine Reparatur- und Gebrauchtwarenangebote massiv aus.

Was ist Show, was wirksamer Umweltschutz?

Was Show und was wirksamer Umwelt- und Klimaschutz ist, ist in vielen Fällen für Außenstehende kaum nachzuvollziehen. Bei der Produktion von Sportartikeln ist es ebenso kompliziert wie aufwendig, ambitionierte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Erfahrung musste der Schweizer Schuhfabrikant On machen, der versprochen hatte, sein Modell Cloudneo vollständig aus recyclefähigen Materialien herzustellen. Doch in den Schuhen enthaltene Polyamide können nicht recycelt werden. On musste zurückrudern und preist den Cloudneo nun als Schuh aus 90 Prozent recyclingfähigem und biobasiertem Material an.

Bisweilen fällt die Kluft zwischen Ankündigung und Realität spektakulär auf. Wie beim größten Sportartikelhersteller Nike, der 2021 ertappt wurde, neuwertige, einwandfreie Retouren-Schuhe in Belgien heimlich schreddern ließ. Adidas beendete überraschend nach zehn Jahren seine Zusammenarbeit mit der Organisation Parley for the Oceans, die Plastikmüll aus den Meeren fischt. Vorher hatte sich herausgestellt, bei der Produktion verwendetes, angeblich in Weltmeeren gesammelte Plastik zu einem Großteil aus Thailand und den Philippinen kam, wo Parley gar nicht vertreten ist. Die kanadische Marke Lululemon, ein bei Frauen beliebter Ausstatter für Yoga, sieht sich gerade in den USA einer Sammelklage wegen Greenwashings ausgesetzt. Das Unternehmen stelle sich nachhaltiger und umweltfreundlicher dar, als es sei, so der Vorwurf. Lululemon räumte selbst ein, dass sich die indirekten Emissionen entlang der Lieferkette (sog. Scope-3-Emissionen) binnen zwei Jahren fast verdoppelt haben.

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