Erst Ende März stand der Sportartikelriese Adidas am Pranger. Weil die Drei-Streifen-Marke angesichts ausbleibender Umsätze wegen der Corona-Krise keine Miete mehr für seine eigenen Geschäfte bezahlte, schlug eine Welle der Empörung über dem Unternehmen zusammen. Das halbe Bundeskabinett erregte sich lautstark über das schlechte Vorbild, Kunden verbrannten aus Protest Adidas-Schuhe und stellten davon Videoclips ins Internet. Der Shitstorm war so gewaltig, dass der völlig überrumpelte Sportartikelhersteller sich eilig entschuldigte und versprach, ab sofort wieder brav seine Mieten zu bezahlen.
Nicht einmal drei Wochen später schlüpft Adidas unter den staatlichen Rettungsschirm.
Am Dienstagabend teilte der Konzern mit, dass die Bundesregierung einen Drei-Milliarden-Kredit genehmigt hat, von dem die staatliche Förderbank KfW 2,4 Milliarden Euro übernimmt und weitere 600 Millionen Euro von einem Bankenkonsortium kommen, dem unter anderem Uni-Credit, die Deutsche Bank, die Bank of America und HSBC angehören.
Das Geld diene dazu, "die finanzielle Flexibilität des Unternehmens zu sichern" und die durch Covid-19 hervorgerufene Ausnahmesituation zu überbrücken, so Adidas. Eine Liquiditätshilfe also, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Bereits vor Wochen hatte der Vorstandsvorsitzende Kasper Rorsted gewarnt, dass es ohne staatliche Hilfskredite wohl nicht gehen würde.
Im Gegenzug verzichten er und seine fünf Vorstandskollegen in diesem Jahr auf ihre Boni, die nach Firmenangaben 65 Prozent der Jahresvergütung ausmachen. Auch die zweite Führungsebene verzichtet auf einige Bonuszahlungen und die Aktionäre werden keine Dividende erhalten, solange die Kredite laufen. Längstens wäre das bis Juli 2021. Obendrein wurde ein Aktienrückkaufprogramm gestoppt und ein internes Sparprogramm ausgerufen. "Darüber hinaus ist jedoch der Zugang zu zusätzlicher Liquidität notwendig, um diese Krise zu bewältigen", sagt Adidas-Konzernchef Rorsted. Die Hilfskredite wolle man "inklusive Zinsen und Gebühren so schnell wie möglich zurückzahlen".
60 000 Menschen arbeiten bei Adidas, 7700 davon in Deutschland
Selbst für Populisten bietet diese Staatshilfe bei neutraler Betrachtung keine seriösen Angriffspunkte für eine nochmalige Empörungswelle ähnlich jener beim Thema Mieten. Denn trotz 23,6 Milliarden Euro Umsatz und 1,9 Milliarden Euro Gewinn im Rekordjahr 2019 steht Adidas mit dem Rücken zur Wand. Dem Unternehmen geht es, wenn auch in anderer Dimension, im Grunde nicht anders als dem Ladenbesitzer um die Ecke, der sein Geschäft nicht mehr aufsperren darf. Den Fixkosten für bereits produzierte und nun unverkäufliche Ware, sowie für Personal und, ja, auch für gemietete Räumlichkeiten, stehen so gut wie keine Einnahmen entgegen. Und mit jeder Woche Lockdown spitzt sich die Lage weiter zu.
Ohne Online-Geschäft beliefe sich allein in Deutschland der Umsatzeinbruch bei Shirts und Schuhen der Herzogenauracher Marke auf 80 Prozent. Weltweit dürften schätzungsweise knapp zwei Drittel des Adidas-Geschäfts weggebrochen sein. Allein in China büßte Adidas im ersten Quartal nach bisherigen Prognosen etwa eine Milliarde Euro Umsatz ein. Auch im Rest der Welt gelten Sportartikel gemeinhin nicht als systemrelevant; die Läden sind dementsprechend geschlossen, die Einnahmen daher bei null. Alle großen, für Sportartikelhersteller wichtigen Bühnen, auf denen sie bei einem Milliardenpublikum Emotionen für ihre Marke und deren Produkte wecken, sind 2020 abgesagt; die Fußball-EM zum Beispiel und die Olympischen Spiele. Märkte, die in normalen Zeiten 60 Prozent des Adidas-Umsatzes beisteuern, sind seit Wochen vollständig zum Erliegen gekommen.
Bei alledem geht es auch um 60 000 Arbeitsplätze weltweit, davon 7700 in Deutschland. Kein Wunder, dass selbst die Gewerkschaft IG BCE die Staatshilfe für Adidas richtig findet. Die Corona-Krise betreffe schließlich auch große Unternehmen und der Kredit unter Einbeziehung der staatlichen KfW-Förderbank sei "ein großer Schritt in Richtung Beschäftigungssicherung", sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliadis am Dienstagabend. Beifall kam auch von Adidas-Gesamtbetriebsratschef Kurt Wittmann. Mit den deutschen Arbeitnehmervertretern vereinbarte Adidas eine Arbeitsreduzierung in einigen Bereichen, die über bezahlten Urlaub, den Abbau von Überstunden und Kurzarbeit für 1200 Beschäftigte abgewickelt wird.