Süddeutsche Zeitung

Unternehmen:Adidas hat ehrgeizige Pläne

Vor einem Jahr lief einiges schief bei Adidas. Doch der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt hat sich gefangen und will durchstarten. Nicht nur 2021, sondern die kommenden fünf Jahre. Mindestens.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Leon Goretzka soll der Nächste sein. Dem Vernehmen nach wechselt der Mittelfeldstar des FC Bayern München seinen Ausrüster; statt in Nike-Tretern wird er in Zukunft voraussichtlich in Adidas-Schuhen gegen den Ball treten. Betrachtet auf das große Ganze bei einem globalen Milliardenkonzern wie Adidas ist die Personalie eine Randnotiz. In der Zentrale des weltweit zweitgrößten Sportartikelherstellers im fränkischen Herzogenaurach wird ihr allerdings durchaus symbolische Bedeutung beigemessen: Seht her, wir investieren in unsere Marke, wir überlassen Branchenführer Nike nicht kampflos die Sportarenen und den Markt, wir haben Power, es geht voran. Man werde, so die Kampfansage am Mittwoch, insgesamt "die Marketingaktivitäten und -investitionen signifikant steigern". Und nicht nur das.

"Own the Game" heißt der neue Fünf-Jahres-Strategieplan, den Adidas-Chef Kasper Rorsted und seine Leute in den vergangenen Monaten erarbeitet haben. Bis 2025 wollen sie demnach den Umsatz des Unternehmens um durchschnittlich acht bis zehn Prozent jährlich steigern und den Nettogewinn sogar um jeweils 16 bis 18 Prozent. Das Wachstum soll fast ausschließlich aus fünf Kategorien kommen, auf die sich Adidas konzentrieren will: Fußball, die Sportart mit der größten Reichweite, sowie Laufen, Training, Outdoor, die Sportarten mit den meisten aktiven Teilnehmern. Hinzu kommt sportliche Freizeitkleidung als fünfte Wachstumssäule.

Bei alledem setzt das Unternehmen immer weniger auf klassische Sportgeschäfte in den Städten, sondern auf den margenträchtigeren Direktverkauf an die Endkunden und dabei auf E-Commerce. Allein seinen Online-Umsatz will Adidas bis 2025 auf bis zu neun Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Als Regionen mit dem größten Wachstumspotenzial haben sich Rorsted und seine Leute China, Europa und Nordamerika ausgesucht.

Gemeinsam mit dieser Wachstumsstrategie kündigte das Unternehmen am Mittwoch eine Nachhaltigkeitsoffensive an. Bis 2025 sollen neun von zehn Produkten entweder aus Recyclingmaterial gefertigt werden, regenerative Materialien zumindest enthalten, oder kreislaufwirtschaftlich verarbeitet werden. Den CO₂-Fußabdruck will Adidas binnen fünf Jahren um 15 Prozent senken. Steigen sollen die Investitionen. 2025 will Adidas eine Milliarde Euro mehr in Produktentwicklung, Marketing, Sponsoring und Digitalisierung investieren als 2021. Und mit einer Milliarde soll auch die digitale Transformation vorangetrieben werden.

Es sind ehrgeizige Ziele, die Adidas in den kommenden Jahren ansteuert, Corona hin oder her. Dabei ist es noch nicht lange her, dass man in Herzogenaurach vor allem mit Krisenbewältigung in eigener Sache beschäftigt war. Als eines der ersten im Deutschen Aktienindex (Dax) notierten Unternehmen nahm Adidas Staatshilfe wegen der Corona-Pandemie in Anspruch. Die zeitweilige Aussetzung von Mieten für eigene Geschäfte und eine interne Rassismusdebatte lädierten das bis dahin strahlende Image von Adidas. Und dann lag da noch massenhaft Ware in den Lagern, die nicht verkauft werden konnte, weil bis zu 90 Prozent der Geschäfte geschlossen waren.

Doch dem verpatzten Start folgte ein Jahr, in dem Adidas glimpflich davonkam. Der Kredit ist längst abgelöst, die Mieten werden bezahlt, die Lagerbestände haben sich normalisiert. Der Umsatz sank zwar um 16 Prozent auf 19,844 Milliarden Euro (währungsbereinigt minus 14 Prozent), und der Gewinn aus fortgeführten Geschäftsbereichen stürzte gar von 1,9 Milliarden auf 429 Millionen Euro ab. Allerdings ziehen die Geschäfte seit Herbst wieder deutlich an, vor allem jene im firmeneigenen Onlinehandel.

Der macht mit deutlich mehr als vier Milliarden Euro inzwischen etwa 20 Prozent vom Umsatz aus und wird in Zukunft immer wichtiger werden. Allein im letzten Quartal 2020 zog das E-Commerce-Geschäft von Adidas um 53 Prozent an.

Selbst die Pandemie spielt den Sportartikelherstellern in die Karten

"Der Konsument ist mobil und ständig online und wir müssen dort hin, wo die Konsumenten sind", verteidigte Rorsted den Online-Kurs, der beim Sprtfachhandel auf Kritik stößt. Rorsted will Adidas auf allen Ebenen digitaler machen und damit einher auch nachhaltiger. Immer mehr Schuhe und Textilien sollen aus Recyclingmaterial oder nachwachsenden Rohstoffen gefertigt werden. Auch weil die Nachfrage vor allem bei jungen Käufern in die Richtung geht. Und schließlich will man sich in Herzogenaurach künftig vollständig auf die Marke Adidas konzentrieren, sobald man die zum Verkauf stehende US-Tochter Reebok erst einmal los ist. Das wird im Laufe des Jahres der Fall sein; Kaufinteressenten gibt es einige.

So soll 2021 zum Auftakt für eine neue Wachstumsperiode werden. Der globale Trend zu Gesundheitsbewusstsein und Fitness ist langfristig, und selbst die Pandemie spielt den Sportartikelherstellern in die Karten - von geschlossenen Geschäften einmal abgesehen. Denn er fördert einerseits den Individual- und Outdoorsport, und gleichzeitig bevorzugen die meisten Home-Office-Arbeiter ein legeres, sportliches Outfit. Adidas kündigt dementsprechend an, in diesem Jahr weltweit und in allen Produktkategorien durchzustarten. Bereits im letzten Quartal 2020 ist das Unternehmen auf den Wachstumspfad zurückgekehrt, wie Vorstandschef Rorsted betonte. Und das obwohl in Europa die Hälfte der Sportgeschäfte ab Mitte November geschlossen waren und in Nordamerika das Kundenaufkommen in den Stores deutlich geringer war als sonst.

Der Umsatz soll im laufenden Jahr "im mittleren bis hohen Zehnprozentbereich" in die Höhe schnellen und der Gewinn sich von besagten 429 Millionen auf 1,25 bis 1,45 Milliarden vervielfachen. In China und im restlichen Asien sowie in Lateinamerika erwartet Adidas bis zu 30 Prozent mehr Geschäft, während es in Europa und dem mittleren Osten um 15 bis 19 und im Nordamerika um knapp zehn Prozent zulegen soll. Helfen soll dabei die Fußball-EM, so sie denn stattfindet. Experten gehen allerdings davon aus, dass auch dieses Turnier ohne Zuschauer im Stadion und erst recht ohne Fanmeilen ausgetragen wird - was dem Verkauf von Fantrikots und anderen Replikaten nicht unbedingt förderlich wäre.

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