Süddeutsche Zeitung

Adenauer-Enkel bekämpft Europa-Kurs:Mit aller Macht gegen Merkel

Er ist angetreten, um das "europapolitische Erbe" seines Großvaters zu retten. Der Enkel Konrad Adenauers, Stephan Werhahn, ist aus der CDU ausgestiegen und startet politisch gleich neu: Mit den freien Wählern will er den Europa-Kurs der Kanzlerin auf Bundesebene bekämpfen.

Simone Boehringer

Er ist einer von 27 Enkeln des ersten Kanzlers der Republik, Konrad Adenauer. Er ist angetreten, um das "europapolitische Erbe" seines Großvaters zu retten: Konkret ist Stephan Werhahn von der CDU zu den Freien Wählern gewechselt, um der Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel entgegenzutreten.

"Die Gründerväter wie Robert Schumann, Alcide de Gasperi und Konrad Adenauer wollten ein starkes unabhängiges Europa aufbauen. Wir sind dabei, dies mit Schutzschirmen und Rettungsmilliarden zu demontieren", sagte der 59-Jährige am Dienstag bei seiner Vorstellung als jüngster prominenter Neuzugang in der Partei Hubert Aiwangers. Dieser hatte vor einigen Wochen bereits den ehemaligen Industrieverbandspräsidenten und Euro-Kritiker Hans-Olaf Henkel für die Freien Wähler gewonnen. Dann hatte Aiwanger erklärt, dass die Partei 2013 erstmals zur Bundestagswahl antreten will.

"Europa ist auf der abschüssigen Bahn"

Dem gebürtigen Neusser Werhahn kommt die Neuausrichtung der bislang vornehmlich kommunalpolitisch verankerten Freien Wähler gerade recht, sieht er doch "Europa auf einer abschüssigen Bahn". Die aktuelle Politik, mit immer neuen Rettungsgeldern die Defizite der europäischen Integrationspolitik aus der Vergangenheit zu kurieren, ist für den geschiedenen Vater von vier erwachsenen Kindern völlig inakzeptabel.

"Es fehlt die politische Legitimation für dieses Vorgehen", erläutert Werhahn und verweist auf "Rechtsbrüche" wie die Umgehung des Nicht-Beistandsgebots (No-Bail-Out) in den Verträgen zur Europäischen Union oder die Staatsanleihenkäufe und Notkredite der Europäischen Zentralbank. "Wir dürfen nicht für die Behebung eines drängenden Problems die Prinzipien opfern", findet Werhahn, der im Hauptberuf Partner des Finanzinvestors General Capital Group ist und seit fünf Jahren in München lebt.

Bankenrettung hinten anstellen

Gemeinsam mit dem niederbayerischen Ingenieur Aiwanger, dem Hamburger Betriebswirt Henkel bildet der studierte Jurist und Ökonom aus dem Rheinland das "wirtschaftspolitische Kompetenzteam" der einzigen Partei, die sich offen gegen den demnächst im Bundestag zur Abstimmung stehenden permanenten Stabilitätsmechanismus (ESM) stellt. "Wir müssen erst die Notbremse ziehen, die bestehenden Verträge wieder einhalten und dann die Banken retten", formuliert Werhahn - eine Reihenfolge, die der Kapitalmarkt derzeit so nur nicht zulasse. Jeder noch so kleine Zweifel an der Zahlungsbereitschaft für klamme Südländer wird an der Börse mit Kursstürzen und Zinsaufschlägen bestraft, was wieder neue Nothilfen in Gang setzt.

Dennoch, meint Werhahn, dürfe Deutschland "nicht weiter als Haftungsmasse für Europa missbraucht werden". Den Euro also opfern? "Nein, aber einzelne Staaten austreten lassen und ihnen für später den Weg zurück ebnen." Ein gefährliches Unterfangen mit möglichen Domino-Effekten, darüber ist sich Werhahn als ehemaliger Fondsmanager, Landesbanker (BayernLB) und Immobilienverwalter (GSW Immobilien) wohl völlig im Klaren.

Doch der einzige Adenauer-Enkel mit bundespolitischen Ambitionen will dafür nicht seine Überzeugung opfern: "Der Euro kann nur gerettet werden, wenn wir Ländern die Chance geben, sich über die Abwertung ihrer Währung anzupassen."

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SZ vom 06.06.2012/sana
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