Adecco:"Jeden Morgen ein kurzes digitales Treffen"

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Der Hauptsitz von Adecco Group in Zürich - während des Lockdowns gab es plötzlich 30 000 Niederlassungen, sagt der Konzernchef. (Foto: GAETAN BALLY)

Der Chef des Personalvermittlers Adecco, Alain Dehaze, sieht Führungskräfte gerade in der Pandemie gefordert. Im Lockdown hatten viele Firmen keinen Bedarf mehr an Zeitarbeitern.

Von Caspar Busse, München

Alain Dehaze, 57, ist in diesen Tagen relativ oft in seinem Büro in Zürich, trifft dann aber dort nicht viele Kollegen. Der Chef der Adecco Group, einer der größten Personaldienstleister der Welt, braucht einfach seine "Infrastruktur", wie er sagt. Die meisten der rund 35 000 Adecco-Mitarbeiter in rund 60 Ländern dagegen waren und sind noch immer oder nun wieder im Home-Office. "Während des Lockdowns hatten wir bei der Adecco Group nicht mehr 5000 Niederlassungen, sondern auf einmal mehr als 30 000 Niederlassungen", sagt Dehaze der Süddeutschen Zeitung.

Was bedeutet das für die Führung? In dieser Situation spiele "emotionale Intelligenz" gerade der Führungskräfte eine wichtige Rolle. "Sie mussten nämlich sicherstellen, dass es den Mitarbeitern gutging", sagt Dehaze. Sein Ratschlag: "Wir empfehlen zum Beispiel, jeden Morgen ein kurzes digitales Treffen zu organisieren, sodass es einen ersten sozialen Kontakt zwischen den Kollegen gibt, man kann Prioritäten setzen, feststellen, ob es allen gutgeht." Manchmal helfen auch einfache Tipps.

Die Pandemie hatte Adecco hart getroffen. Nach Umsatz liegt das Unternehmen knapp hinter Randstad aus den Niederlanden und ist zusammen mit US-Konkurrent Manpower einer der drei größten Personaldienstleister der Welt. Viele Kunden brauchten plötzlich das eigene Personal nicht mehr und hatten erst recht keinen Bedarf an Zeitarbeit oder an der Vermittlung neuer Kräfte. Der Adecco-Umsatz fiel im zweiten Quartal, also zwischen April und Juni, um 28 Prozent, im dritten Quartal um weitere 18 Prozent. "Diesmal ging es enorm schnell nach unten", berichtet Dehaze. In der großen Finanzkrise sei der Rückgang nicht so stark wie in der Corona-Pandemie gewesen. Seit Anfang November hat sich das Geschäft wieder etwas besser entwickelt als erwartet, es gebe eine allmähliche, aber vorsichtige Erholung. Insgesamt will Adecco in den kommenden Jahren Marktanteile gewinnen.

Adecco-Chef Alain Dehaze: Die Finanzkrise sei für das Unternehmen weniger schlimm gewesen als die Corona-Pandemie. (Foto: Adecco)

Vor dem Ausbruch von Covid beschäftigte der Konzern mit Hauptsitz in Zürich weltweit etwa 700 000 Zeitarbeiter, und ist damit einer der größten Arbeitgeber überhaupt. Im Lockdown gingen davon dann etwa 200 000 Jobs verloren, jetzt seien 150 000 wieder zurück, sagte Dehaze, aber nicht mehr in den gleichen Sektoren. Besonders die Bereiche E-Commerce und Logistik würden einen Boom erleben. "Dort rekrutieren wir momentan sehr viele Leute. Die Leute bestellen einfach mehr im Internet", sagt Dehaze. Die Nachfrage insbesondere in der Logistik sei gerade besonders hoch.

Die deutsche Autoindustrie bezahlt sehr gut, die Leute wollen nicht wechseln

Teilweise würde es gelingen, Mitarbeiter aus Bereichen, die sehr stark leiden, in diese beiden Branchen umzulenken, die jetzt einen hohen Bedarf an neuen Leuten haben. Aber oft gibt es auch Probleme. "Die Autoindustrie in Deutschland bezahlt sehr gut", sagt Dehaze, "es ist deshalb nicht immer einfach, Leute aus dieser Branche zu motivieren, etwas anderes zu machen." Die Lohnunterschiede sind teilweise durchaus erheblich, was zu hohen Gehaltseinbußen führen kann. "Aber die Autoindustrie wird in Zukunft weniger Mitarbeiter brauchen. Deswegen ist die Weiterbildung enorm wichtig", glaubt Dehaze.

Mittelfristig wird es in bestimmten Sektoren einen deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen geben, etwa im Tourismus oder in der Airline-Industrie. Die Arbeitslosigkeit werde nach Einschätzung von Adecco weltweit steigen, aber nicht so dramatisch, wie von manchen befürchtet und wie in der letzten Krise 2008/09. "Die Welt hat sehr viel von Deutschland gelernt", lobt Dehaze. Man habe gesehen, dass Kurzarbeit ein guter Weg sei, die Wirtschaft sei dadurch auch vorbereitet, wenn es wieder aufwärtsgeht. Viele Länder würden sich das als Vorbild nehmen und hätten nun auch solche Lösungen. "Denn Arbeitslosigkeit ist noch teurer. Bei der großen Finanzkrise ist Deutschland mit der Kurzarbeitslösung schneller zurückgekommen und hat auch weniger Geld ausgeben müssen als andere Länder", so Dehaze.

Das in der Schweiz börsennotierte Unternehmen war 1996 durch die Fusion der Schweizer Personalvermittlungsfirma Adia Interim mit dem französischen Konkurrenten Ecco entstanden, so erklärt sich auch der Name. Frankreich ist noch immer der größte Markt vor den USA.

Zeitarbeit hat nicht nur in Deutschland ein schlechtes Image, die Beschäftigten sind oft unter schlechteren Bedingungen tätig. Sie können bei Bedarf gekündigt werden und verdienen weniger. Das Image von Zeitarbeit sei keineswegs überall schlecht, sagt Dehaze. "In Nord- und Südeuropa ist es etwa viel besser, in den Niederlanden und Frankreich ist Zeitarbeit fest etabliert." In Deutschland gebe es Zeitarbeit in großem Umfang dagegen erst seit den Neunzigerjahren. Zudem verweist er darauf, dass ein größerer Anteil der von Adecco vermittelten Mitarbeiter nach einiger Zeit fest angestellt werde.

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