ADAC:Ein sicherer Kandidat

Dass der Jurist Christian Reinicke neuer ADAC-Präsident wird, dürfte klar sein. Offen ist, ob es zum ersten Mal ein weibliches Präsidiumsmitglied geben wird.

Von Uwe Ritzer, München

Ziemlich sicher wird es ein Alleingang, denn Kampfabstimmungen um das Präsidentenamt sind in den Genen des ADAC nicht angelegt. Die wirklich wichtigen Personalien werden dort diskret im Hintergrund geklärt. Weshalb ein Kandidat auch dann erst seine Ambitionen öffentlich macht, wenn er sicher sein kann, dass er auch gewählt wird. Demzufolge ist es höchst wahrscheinlich, dass der nächste Präsident des größten europäischen Automobilklubs Christian Reinicke heißen wird. Und wer weiß - vielleicht schafft es sogar auch erstmals in 118 Jahren ADAC-Geschichte eine Frau ins Präsidium.

ADAC: Generalsyndikus Reinicke will ADAC-Präsident werden

Christian Reinicke dürfte neuer ADAC-Präsident werden. Zumindest ist der Jurist der einzige Kandidat.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Mit einem internen Rundbrief an führende Funktionäre äußerte der 56-jährige Reinicke seine Ambitionen auf das Führungsamt des mit mehr als 21 Millionen Mitgliedern sprichwörtlichen Gelben Riesen. Sollte der Anwalt und Notar aus Hannover bei der Hauptversammlung am 15. Mai erwartungsgemäß zum Nachfolger von August Markl, 72 gewählt werden, will Reinicke vor allem die Vielfalt des ADAC pflegen, wie er schreibt. Zugleich hoffen viele im ADAC, mit dem Wechsel im Präsidentenamt das größte Krisenkapitel der Geschichte endgültig zu schließen. Denn anders als mutmaßlich Reinicke kam Markl nicht von langer Hand geplant ins Amt. Der pensionierte Radiologe aus Schaftlach bei München sprang 2014 ein, als der bis dahin amtierende Peter Meyer nach SZ-Enthüllungen über jahrelange Manipulationen beim bis dahin angesehenen Autopreis "Gelber Engel" zurücktrat.

Markl, zuvor Meyers Stellvertreter, kehrte in der Folgezeit nicht nur die Scherben zusammen, sondern er zerlegte den ADAC und baute ihn neu zusammen. Alle führenden, hauptberuflichen Manager der Organisation wurden ausgetauscht. Um den rechtlichen Status als Verein nicht zu verlieren, wurden die Aktivitäten aufgeteilt auf den Verein als solchen, eine Stiftung und eine europäische Aktiengesellschaft SE, in der die kommerziellen Aktivitäten gebündelt sind. Einher damit verordnete Markl dem ADAC eine bis dahin nicht gekannte Demut. Im politischen Diskurs tritt er seither nicht mehr als selbsternannte Stimme der Autofahrer auf, sondern definiert sich als Mobilitätsdienstleister für alle Verkehrsträger.

Kurswechsel beim Tempolimit auf Autobahnen

So war es für Traditionalisten in den eigenen Reihen ein Kulturschock, als der Automobilklub 2019 sein jahrzehntelang striktes "Nein" zu einem Tempolimit auf den Autobahnen aufgab. Markls unaufgeregte Erklärung für den Kurswechsel: Der ADAC habe seine Mitglieder befragt und herausgefunden, dass die eine Hälfte für, die andere gegen ein Tempolimit ist.

Sein designierter Nachfolger Reinicke, der 2016 vom Präsidium zum Generalsyndikus, zum obersten ADAC-Juristen also, berufen wurde, gilt als treuer Gefolgsmann des noch amtierenden Präsidenten. Was nicht heißt, dass der hünenhafte Niedersachse ein Abnicker wäre. Er argumentiere meinungsfreudig, direkt und offen, sagen Unterstützer, die ihn als durchdacht und professionell in seiner Argumentation beschreiben. Reinicke sei nicht der lauteste, wohl aber ein klarer Befürworter der intern lange umstrittenen Reformen gewesen, heißt es. Skeptiker kreiden ihm an, als Syndikus dreimal damit gescheitert zu sein, im ADAC-Verwaltungsrat eine neue Mustersatzung für die Regionalklubs durchzusetzen. "Er wird sich als Präsident kompromissbereiter zeigen müssen", sagt einer.

Christian Reinicke gehört dem Automobilklub seit 1988 an. "Von Anfang an haben mich die Freundlichkeit und die unkomplizierte Hilfsbereitschaft sowie das Miteinander von haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern begeistert", schreibt er in seinem Bewerbungsbrief, der der SZ vorliegt. Reinickes Funktionärskarriere im ADAC begann 2005, als der Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Familien- und Verkehrsrecht Syndikus im Regionalklub Niedersachsen/Sachsen-Anhalt wurde. Der verheiratete Vater dreier Kinder, passionierte Segler und Musikliebhaber gehört obendrein dem Vorstand des deutschen Verkehrsgerichtstages Goslar an.

Noch ist pandemiebedingt unklar, ob die etwa 220 Delegierten sich zur Präsidentenwahl wie geplant in Bremen treffen können, oder ob die Hauptversammlung hybrid oder ausschließlich digital abgehalten werden kann. Außer Markl werden mit dem für Sport zuständigen Hermann Tomczyk und dem für Tourismus verantwortlichen Kurt Heinen zwei weitere Mitglieder des achtköpfigen Präsidiums aufhören. Fieberhaft wird dem Vernehmen nach nach einer Frau gesucht, die sich in die Führungsriege wählen lässt - es wäre die erste seit der Gründung des ADAC im Jahr 1903.

Der designierte Präsident hat seinem Bewerbungsschreiben zufolge drei wesentliche Handlungsfelder für sich ausgemacht. Zum einen will er den ADAC wieder stärker als Interessenvertreter und Förderer des Kraftfahrtwesens, des Motorsports und des Tourismus ausrichten. Zum anderen müsse der Riesenverein digitaler werden und seine Angebote vor allem an den Bedürfnissen junger Menschen orientieren, um "zukunftssicher" zu werden. Als dritten Punkt führt Reinicke das Projekt "Ein ADAC" an. Das bereits von Markl gestartete Projekt ist der Versuch, den seit der Dreiteilung von vielen nicht mehr als einheitlich wahrgenommenen ADAC wieder enger zusammenzuführen.

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