ADAC:Der ADAC schwächt sein Sparprogramm ab

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Das Pannen- und Unfallhilfenetz kostet den ADAC viel Geld - mehr als er einnimmt. Die Luftrettung ist von den Sparplänen allerdings nicht betroffen. (Foto: Matthias Bein/dpa)
  • Die Stellenstreichungen beim ADAC sollen nun wohl geringer ausfallen als zunächst geplant.
  • Bis Ende 2020 sollen nun 274 Arbeitsplätze bei Europas größtem Autoklub wegfallen, damit will der Trägerverein knapp 80 Millionen Euro einsparen.

Von Uwe Ritzer, München

Zwei DJs werden ab 20 Uhr auflegen, vorher schon gibt es ein "weihnachtliches Buffet" und die Getränke sind umsonst, abgesehen von den Cocktails, die "zum Selbstzahlerpreis" gemixt werden. Es könnte eine fetzige Weihnachtsparty werden am 12. Dezember in der Münchner ADAC-Zentrale. Auch Praktikanten, Aushilfen und "Leiharbeitnehmer mit einer geplanten Beschäftigungsdauer von mehr als drei Monaten" hat die Geschäftsführung ausdrücklich eingeladen. Einige Mitarbeiter des größten europäischen Automobilklubs allerdings wollen demonstrativ wegbleiben. "Was will man eigentlich feiern", sagt einer, der die nach seiner Wahrnehmung "opulent anmutende Weihnachtsfeier" angesichts der Umstände vor allem eines findet: "geschmacklos".

Über diese Umstände gehen die Meinungen ADAC-intern allerdings auseinander. Wie das eben so ist, wenn Stellen abgebaut und Kosten eingespart werden sollen, es am Ende aber für die Beschäftigten doch nicht so schlimm kommt wie befürchtet. Ursprünglich wollte der ADAC bis Ende 2020 zwischen 350 und 400 Stellen in seinem Münchner Hauptquartier streichen, immerhin fast jede sechste Stelle dort. Tatsächlich werden aber 274 und damit deutlich weniger Arbeitsplätze wegfallen als geplant. So sieht es ein Kompromiss vor, den Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter geschlossen haben.

Der ADAC steuert seit seiner Aufsplittung auf ein Dilemma zu

Demnach sollen die Stellen nach und nach abgebaut werden, vor allem über natürliche Fluktuation und relativ großzügige Abfindungen für jeden, der den ADAC freiwillig verlässt. Anderweitig im ADAC-Apparat frei werdende Positionen sollen zuvörderst den von Abbau Betroffenen angeboten werden. Betriebsbedingte Kündigungen sollten zwar vermieden werden, seien aber nicht ausgeschlossen, heißt es nach wie vor. Und auch an der Verlagerung weiter Teile des Mitgliederservices an einen günstigeren Standort als München hält der ADAC fest. Wer mitgeht, erhält Zuschüsse für Umzug und Familienheimfahrten.

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Durch all dies will der ADAC knapp 80 Millionen Euro einsparen, der Verein ADAC wohlgemerkt. Denn seit sich Europas größter Automobilklub auf dem Höhepunkt seiner Glaubwürdigkeitskrise aufgesplittet hat, arbeitet der kommerzielle Teil als europäische Aktiengesellschaft separat vom e.V., der sich primär um seine Mitglieder kümmert. Letzterer manövriert sich dabei mehr und mehr in ein Dilemma. Das dichte Pannen- und Unfallhilfenetz sowie Zusatzleistungen für Mitglieder kosten den Verein mehr als er an Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen einnimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Staat dem ADAC in Zukunft deutlich mehr Versicherungssteuer abverlangen wird; knapp 90 Millionen Euro musste der ADAC bereits für den Zeitraum von Frühjahr 2014 bis einschließlich 2015 nachzahlen (die SZ berichtete).

Künftig könnte der Sprachcomputer mit den Kunden kommunizieren

Insgesamt bezifferte Geschäftsführer Alexander Möller intern den Einsparbedarf bis 2020 auf 170 Millionen Euro. Weil mit dem Stellenabbau nicht einmal die Hälfte dieser Summe aufgefangen werden kann, soll auch an anderen Stellschrauben gedreht werden. So arbeitet der ADAC an neuen Mitgliedschaftsmodellen etwa für Senioren und überlegt, wie er die Betreuung von Mitgliedern digitaler und damit billiger gestalten könnte. Kritischen ADAC-Beschäftigten schwant Böses. Womöglich werde in Zukunft ein Sprachcomputer im Dialog mit dem Mitglied den leibhaftigen Mitarbeiter ersetzen, warnen sie.

Über solche und andere Details hört man derzeit noch nichts. Eher genervt nehmen ADAC-Verantwortliche stattdessen zur Kenntnis, dass die Streichungen, Kürzungen und Umorganisationen Wasser auf die Mühlen jener Altfunktionäre sind, denen die Aufsplittung des Automobilklubs in Folge der Affäre um die manipulierte Autowahl "Gelber Engel" immer schon zu weit ging. Manch Altfunktionär glaubt, über das Thema Stellenabbau noch eine alte Rechnung mit der Vereinsspitze um ADAC-Präsident August Markl und andere Reformer im ehren- und im hauptamtlichen Teil des ADAC begleichen zu können. Zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben, heißt es da.

In der Vergangenheit konnte der ADAC Defizite aus der Pannenhilfe häufiger mit Zinseinnahmen ausgleichen, die der Verein auf sein Milliardenvermögen kassierte. Doch weil noch nie eine Niedringzinsphase in der Dauer und in dem Ausmaß herrschte wie derzeit, fällt diese Möglichkeit seit geraumer Zeit so gut wie weg. Stattdessen steuert der ADAC womöglich auf neue interne Konflikte zu. Denn von den Beiträgen der Mitglieder landet ein erklecklicher Teil bei den 18 Regionalklubs des ADAC, die ihrerseits weitgehend autark von der Zentrale arbeiten. Manch einer denkt über Kappungen nach, was die Regionalklubs aber sicherlich nicht widerspruchslos hinnehmen würden.

In der ADAC-Zentrale gibt es Verständnis dafür, dass auch ein reicher Verein auf Dauer nicht mehr ausgeben sollte als er einnimmt. Aber auch harsche Kritik ist zu hören. "Ein Milliardenunternehmen, das sich den Service am Mitglied im eigenen Haus nicht mehr leisten kann", sagt einer, der anonym bleiben möchte. Was alles dafür spricht, dass beim ADAC noch länger keine Ruhe einkehren wird. Beim vereinzelten Boykott der Weihnachtsfeier wird es dann kaum bleiben.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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