Autoclub:Wie der ADAC versucht, sich selbst zu retten

Das ADAC-Hauptgebäude in München

Eigentlich hatte Geschäftsführer Markl einen Plan für die Zukunft des ADAC - doch der wird nun in Frage gestellt.

(Foto: Getty Images)
  • Geht es nach ADAC-Präsident August Markl, muss der Autoclub dringend in drei Teile aufgeteilt werden: in Verein, Aktiengesellschaft und gemeinnützige Stiftung.
  • Kurz vor dem Beschluss wettert nun jedoch sein Vorgänger Peter Meyer gegen die Neuorganisation.
  • Beide haben das Ziel, den Status des ADAC als eingetragener Verein zu retten.

Von Uwe Ritzer

Dramen im klassischen Theater haben fünf Akte. Im ersten entspinnt sich die Handlung, der spätere Konflikt deutet sich an. Im zweiten Akt eskaliert die Situation und erreicht im dritten ihren Höhepunkt mit oft üblen Verwerfungen. Anschließend kühlt die Handlung etwas ab und es folgt das "retardierende Moment". So heißt es, wenn eine unerwartete Wendung für neue Spannung sorgt und plötzlich ein anderes Ende möglich erscheint als erwartet. Im fünften Akt endet das Drama oft in der Katastrophe. Diesem Prinzip scheint nun auch der ADAC zu folgen.

1903 gegründet, wuchs der Autoclub seit dem Ende der Neunzigerjahre um jeden Preis. Profit stand über allem, Kritiker hatten keine Chance. Im Januar 2014 flogen Manipulationen bei der Wahl für den Autopreis "Gelber Engel" auf und andere Fragwürdigkeiten mehr. Der ADAC geriet in die größte Krise seiner Geschichte, mit dem Sturz von drei Top-Leuten als Höhepunkt. Er verordnete sich Reformen, die nun allerdings - Stichwort "retardierendes Moment" - auf einmal infrage stehen. Denn der ehemalige Präsident Peter Meyer begehrt gegen seinen Nachfolger August Markl auf. Gut möglich, dass dieses Schauspiel für den ADAC ein schlimmes Ende nimmt.

Eine saubere Trennung in Verein, Aktiengesellschaft und Stiftung

Dabei sollten die 190 Delegierten bei der ADAC-Hauptversammlung am 7. Mai in Lübeck nur noch den letzten Haken unter das Reformpaket setzen, das Markl, 68, fast zwei Jahre lang mit seinen Leuten geschnürt hat. Der ADAC soll aufgeteilt werden, in Verein, Aktiengesellschaft und gemeinnützige Stiftung. Eine saubere Trennung muss sein, argumentieren Markl, die ADAC-Geschäftsführer und die sie beratenden Juristen der Kanzlei Freshfields. Andernfalls drohe dem ADAC die Aberkennung des Vereinsstatus durch das Registergericht in München. Es gebe, sagt Markl, "keine Alternative".

Die gibt es doch, widerspricht nun sein Vorgänger Peter Meyer, 66. Von 2001 bis zu seinem Rücktritt nach der Autowahlschieberei im Februar 2014 war der Spediteur aus Mülheim an der Ruhr der starke Mann im ADAC. Seinen Rückzug empfand er allein deshalb als ungerecht, weil nach Meyers Verständnis - wenn überhaupt jemand - dann das komplette Präsidium hätte zurücktreten müssen. So aber wurde sein Stellvertreter August Markl zunächst kommissarischer und schließlich regulärer Nachfolger Meyers. Ausgerechnet dieser Markl will nun als der Reformer in die ADAC-Geschichte eingehen.

Der frühere Präsident bezeichnet die Neuorganisation als überflüssig

Vorher aber fordert Peter Meyer ihn offen zum Duell. Unmittelbar vor Abschluss der Reformdebatte hat Meyer ein Gutachten verschickt, das er von der Kanzlei CMS hat erstellen lassen. Nicht als Privatmann freilich, sondern als Vorsitzender des großen und einflussreichen ADAC-Regionalclubs Nordrhein, der Meyer noch immer ist. In dem Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wird die intern "Drei-Säulen-Modell" genannte Aufteilung in Verein, Aktiengesellschaft und Stiftung kurzerhand für überflüssig erklärt. Der ADAC brauche sie nicht, er könne seinen Vereinsstatus auch so behalten, heißt es.

Beim "Drei-Säulen-Modell" würde der Verein ADAC, in dem 19,2 Millionen Mitglieder organisiert sind, "jeglichen Einfluss auf die Stiftung und die wirtschaftlichen Aktivitäten verlieren", so Peter Meyer zur SZ. Die CMS-Juristen äußern "erhebliche Bedenken" und warnen Präsidiumsmitglieder und Verwaltungsräte vor persönlichen Konsequenzen: Im Falle ihrer Zustimmung würden sie womöglich ihre Sorgfaltspflichten beim Umgang mit dem milliardenschweren ADAC-Vermögen verletzen. "Damit besteht für sie das Risiko der persönlichen Schadenersatzpflicht", heißt es wörtlich.

"Auf Anraten von CMS", wie er sagt, vollzog Meyer, der bisher dem Reformmodell stets zugestimmt hat, eine radikale Kehrtwende, die einem offenen Affront gegen Markl gleichkommt. In einem Brief verlangt er vom ADAC-Präsidium, seine bei einer Sitzung zuvor gegebene Zustimmung im Nachhinein als Gegenstimme zu werten: "Wegen Irrtum und Täuschung".

Der neue Kampf heißt "Markl gegen Mayer"

Seit sich dies herumspricht, wird unter ADAC-Funktionären und in der Münchner Zentrale eifrig diskutiert. Darüber, ob Peter Meyer und CMS recht haben, ob der Ex-Präsident lediglich nachtritt, oder ob sein Vorstoß der Beginn einer Konterrevolution ist, an deren Ende die Reform krachend scheitert. Für den ADAC wäre das der Super-Gau, weit schlimmer noch als das Beben nach der manipulierten Autowahl. Vor allem, wenn Markl recht behielte und der ADAC danach seinen Vereinsstatus verlieren würde.

Bei alledem geht es um viel mehr als nur den Zwist zweier altgedienter Vereinsfunktionäre. "Sollte das Amtsgericht beim ADAC Ernst machen, könnte es auch für andere Vereine ungemütlich werden", warnt Professor Lars Leuschner, Experte für Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Osnabrück. Vereine wie Rotes Kreuz, Caritas, TÜV, Dekra oder Fußball-Profiklubs, die Vereinsaktivitäten mit Geschäft vermischen, müssten dann um den Zusatz e.V. bangen. Der garantiert einen besonderen rechtlichen Status etwa im Vergleich zu Aktiengesellschaften. Er steht auch für höheres Ansehen, Glaubwürdigkeit und weniger Regularien. Speziell den ADAC würde der Verlust des Vereinsstatus "mit Blick auf seine Gliederung in Regional- und Ortsclubs vor rechtlich kaum zu bewältigende Probleme stellen", so Leuschner.

Unklar ist, ob Meyer alleine kämpft oder Unterstützer hat

Unklar ist, ob Peter Meyer und seine nordrheinischen ADAC-Freunde ihre Attacke allein reiten, oder aber ob sie in anderen der insgesamt 18 Regionalclubs Verbündete haben. Meyers gewichtigster Waffenbruder ist sein Vorgänger und Ehrenpräsident Otto Flimm, 86, ein lebendes Denkmal unter Funktionären. Flimm ist dagegen, den ADAC umzukrempeln. Nach seiner Lesart war der Skandal 2014 kaum mehr als eine bedauerliche Panne. Im Januar drohte er Markl und dem Präsidium bereits mit rechtlichen Schritten bis hin zur Strafanzeige (die SZ berichtete). Mit der Dreiteilung würden sie "einen Großteil des Vereinsvermögens dem Zugriff der Mitglieder entziehen", so der Vorwurf.

August Markl zeigt sich von den Attacken seiner Vorgänger unbeeindruckt. Es gebe "keinen Plan B" für den Fall, dass die Reform mit dem Drei-Säulen-Modell als Kernelement im letzten Moment doch noch scheitert. "Oberstes Ziel ist es, den Vereinsstatus langfristig zu erhalten und dauerhaft für die Zukunft zu sichern", sagte er der SZ. "Alle hierfür erforderlichen rechtlichen, strukturellen und gesellschaftlichen Anforderungen möchte der ADAC bestmöglich erfüllen."

Markl setzt ganz auf das Konzept der Freshfields-Juristen, die CMS diametral widersprechen. Bliebe es bei der alten Struktur, bestehe "nach der geltenden Rechtslage ein signifikantes Risiko", dass das Registergericht vor allem die vielen geschäftlichen Aktivitäten des ADAC für nicht vereinbar mit dem Vereinsstatus halte, heißt es in vertraulichen Dossiers. Also müsse zwischen Vereinsarbeit und Geldverdienen getrennt werden, "Entherrschung" nennen das Juristen.

Laut dem Freshfields-Markl-Plan sollen alle Leistungen für Mitglieder beim ADAC e.V. bleiben. Die kommerziellen Aktivitäten landen bei einer europäischen Aktiengesellschaft SE, an welcher der ADAC-Verein 74,9 Prozent der Anteile halten wird. Die gemeinnützige Stiftung soll für Luftrettung, Verkehrssicherheits- und Mobilitätsthemen zuständig sein. Auch hier wird der Einfluss des e.V. begrenzt.

Markl und Meyer sollen zum "Sie" zurückgekehrt sein

Von Peter Meyer und August Markl sagen Insider, den Spediteur vom Niederrhein und den pensionierten Radiologen aus Oberbayern verbinde nichts mehr. Das "Du" soll dem "Sie" gewichen sein. Markl will dazu nichts sagen, Meyer beharrt, man pflege "nach wie vor die persönliche Anredeform". Es hakt an vielen Stellen. Dass Nordrhein als einziger Regionalclub nicht Gesellschafter der neuen ADAC-Compliance-GmbH wurde, sondern eigene Wege geht, empfinden Markl und seine Leute als Nadelstich-Politik.

Persönliche Motive weist Peter Meyer weit von sich. Das CMS-Gutachten sei "ein Element zur Meinungsbildung und Information", eine "Zweitmeinung". Wegen der "Unumkehrbarkeit des Reformprozesses" sei es wichtig, alle Zweifel auszuräumen, zum Beispiel, ob das Drei-Säulen-Modell wirklich "mit allen Konsequenzen durchdacht" und das beste sei. Ist alles also nur ein harmloser Diskussionsbeitrag? Ausgerechnet in der entscheidenden Phase?

Er lasse sich "nicht in die Ecke des persönlich Enttäuschten oder Bekämpfers des Nachfolgers drängen", sagt Peter Meyer. "Meine Arbeit ist von Sachlichkeit geprägt, und am Ende überzeugen immer die Sachargumente." Fragt sich nur, welche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: