Accenture:Der Wert des geistigen Eigentums

People stand under a Swiss national flag atop an island in between the Rhine Falls in the town of Neuhausen south of Schaffhausen

Der Rheinfall bei Schaffhausen, ein beliebtes Reiseziel für Touristen und lange Zeit auch für die Wirtschaftsprüfer von Accenture.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Wie die Wirtschaftsberater Kapital verschoben.

Von Christian Brönnimann, Frederik Obermaier und Mario Stäuble

Die Zahl, die der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Accenture am Ende zum Verhängnis wurde, lautet: sieben Milliarden. Diese sieben Milliarden sollten das Unternehmen teuer zu stehen kommen. Mit sieben Milliarden Dollar nämlich bezifferte Accenture gegenüber luxemburgischen Behörden 2010 den Wert seines geistigen Eigentums. In einem fünfseitigen Schreiben wurden damals Pläne zur Umstrukturierung von Accenture beschrieben. Das geistige Eigentum des Großkonzerns sollte demnach von einer Steueroase in die nächste verlegt werden: aus der Schweiz nach Irland. Der Umzug wurde öffentlich bekannt, die Zahlen dahinter allerdings nicht - und so kam es nun, dass die Steueroase Schweiz durch die Enthüllungen über eine andere europäische Steueroase Millionen verdiente.

Die sieben Milliarden-Summe wurde 2014 im Zuge der sogenannten Luxemburg-Leaks bekannt: Hunderten geheimen Steuerdokumenten, die belegten, wie Luxemburg multinationalen Firmen wie Accenture zum Teil absurde Steuervermeidungskonstruktionen mit Steuersätzen von bisweilen weniger als einem Prozent genehmigten. Die Süddeutsche Zeitung hatte die Unterlagen zusammen mit einem internationalen Team von mehr als 80 Journalisten aus 26 Ländern analysiert. Die Dokumente wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

2017 schloss das Unternehmen mit den Schweizer Behörden einen millionenschweren Deal

Von einem Tag auf den anderen konnte alle Welt die Steuertricksereien von Großkonzernen wie Ikea, Pepsi, Eon oder Deutsche Bank nachvollziehen. Für die Schweizer Behörden war dabei vor allem Accenture interessant. Der Schweizer Kanton Schaffhausen hatte die Wirtschaftsberaterfirma, die jedes Jahr etliche Milliarden Umsatz macht, 2001 unter anderem mit niedrigen Steuersätzen angelockt. Die Schaffhauser Nachrichten schwärmten damals von einem "Coup". Die Accenture Holding verschob in der Folge vor allem geistiges Eigentum, etwa wertvolle Software-Patente, in die Schweiz. Es ist ein gängiger Trick in der Welt der Steuervermeider: Statt die Gewinne dort zu versteuern, wo die eigentlichen Geschäfte gemacht werden, verlangt ein Konzernteil, der in einer Steueroase sitzt, von Länderfilialen Geld für die Nutzung geistigen Eigentums. Dadurch wiederum kann in Ländern wie Deutschland Profit abgeschöpft und der zu versteuernde Gewinn kleingerechnet werden. Viel Geld fließt hingegen ab in die Steueroase, in der darauf auch kaum Steuern erhoben werden.

Im Fall von Accenture war nach neun Jahren in der Schweiz schon wieder Schluss: 2010 zog Accenture das geistige Eigentum wieder aus Schaffhausen ab, um es - unter mutmaßlich noch besseren Steuerbedingungen - einer irischen Gesellschaft zu übertragen. Die Details zu diesem Transfer blieben unbekannt. Selbst die Schweizer Steuerbehörden wussten wohl nicht über alles Bescheid.

Bis zu den Luxemburg Leaks - und jenem fünfseitigen Dokument, in dem Erstaunliches zu lesen war: Als Accenture aus Schaffhausen wegzog, hatte das Unternehmen den Wert seines geistigen Eigentums gegenüber den Schweizer Behörden demnach offenbar mit 1,2 Milliarden Dollar veranschlagt - nur um es in Irland mit sieben Milliarden Dollar zu veranschlagen.

Dazu muss man wissen: Dass Firmen ihre Werte möglichst hoch ansetzen, wenn sie sich neu ansiedeln, ist üblich. Das erlaubt ihnen höhere Abschreibungen in den Folgejahren. Und das wiederum verkleinert den steuerbaren Gewinn. Tief raus, hoch rein, lautet der Grundsatz beim Verschieben von Konzernvermögen. Es kommt deshalb oft vor, dass es bei einem Firmenumzug von einem Land ins andere Unterschiede in der Bewertung gibt. Aber eine Differenz von unvorstellbaren 5,8 Milliarden? Das war den Schweizer Behörden nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Schweizer Tages-Anzeigers dann doch zu viel. Zwei Jahre nach den Luxemburg-Leaks-Enthüllungen leitete die Eidgenössische Steuerverwaltung Ermittlungen ein, wie Accenture auf Anfrage bestätigte. In der Schweiz und anderswo wurden mehrere Gebäude durchsucht. Im Juni 2017 schlossen Accenture und die Schweizer Behörden einen Deal: Das Unternehmen zahlte rund 200 Millionen Franken Steuern nach, im Gegenzug wurde das Verfahren eingestellt.

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