Süddeutsche Zeitung

Abzüge:Was von der Rente bleibt

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Krankenkasse und Pflegeversicherung sind im Alter hohe Ausgaben - wie hoch, das hängt davon ab, wie man im Berufsleben geplant hat.

Von Berrit Gräber, München

Millionen Rentner können sich auf den 1. Juli freuen. Zu diesem Stichtag steigen die gesetzlichen Altersbezüge im Westen Deutschlands um 4,25, im Osten um 5,95 Prozent. Seit 1993 sind die Renten nicht mehr so deutlich erhöht worden. Bei 1000 Euro Rente im Monat macht das mehr als 40 Euro mehr aus. Doch das schöne Plus landet nicht eins zu eins auf dem Konto. Auch Rentner müssen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Von ihren Bezügen gehen monatlich um die elf Prozent ab, von der Betriebsrente sogar fast ein Fünftel. "Neu-Rentner fallen immer wieder aus allen Wolken, wenn sie die Abzüge sehen", sagt Ines Verspohl, Referentin für Gesundheit und Pflege beim Sozialverband VdK in Berlin. Die Belastung trifft niedrige Einkommen stärker als hohe. Frühzeitig planen ist wichtig, vor allem für Frauen.

Die Höhe der Abzüge hängt immer davon ab, wie der Mensch im Berufsleben versichert war

Altersbezüge gibt es nicht brutto für netto. Jüngere Arbeitnehmer übersehen oft, dass von den Summen, die ihnen in den jährlichen Renteninformationen vorgerechnet werden, noch Sozialabgaben abgehen. Auch im Ruhestand fallen Kranken- und Pflegeversicherung an, nur Renten- und Arbeitslosenversicherung fallen weg. Was aber nur die wenigsten Erwerbstätigen im Blick haben: Grundsätzlich hängt die Höhe der Abzüge immer davon ab, wie der Rentner im Berufsleben hauptsächlich krankenversichert war. Pflichtversicherte kommen am besten davon. Im Alter freiwillig und privat Krankenversicherte müssen häufig sehr hohe Beiträge zahlen. Vor dem 40. Geburtstag planen, lohnt. "Daran denken aber wenige, solange die Rente noch weit weg ist", sagt Markus Deutsch, Vizepräsident des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg.

Nur wer in der zweiten Hälfte seines Arbeitslebens mindestens zu 90 Prozent Mitglied einer Kasse oder mitversichert war, ist auch im Alter in der günstigen Pflichtversicherung. "Das sind in der Regel die Männer und Frauen, die in ihrem Berufsleben kontinuierlich in der Krankenkasse waren", sagt Fachfrau Verspohl. Entstehen Lücken, kann es im Alter empfindlich teurer werden. Wer im Beruf zwischendurch gar nicht oder privat krankenversichert ist - etwa als Selbständiger oder bei einem Auslandsaufenthalt - erfüllt später oft nicht die Voraussetzung für die Pflichtversicherung der Rentner. Er muss sich dann für mehr Geld freiwillig absichern. "Das trifft oft Frauen mit Mini-Rente, nach einer Scheidung von einem Beamten oder auch Frührentner", sagt Verspohl. Wer schon immer privat krankenversichert ist, auch über die Beamtenabsicherung, bleibt es auch im Alter. Ein Zurück gibt es nicht mehr.

Für Pflichtversicherte werden zurzeit bis zu 15,9 Prozent der Bruttorente für die Krankenversicherung fällig, je nach gewählter Kasse. Der Beitrag besteht aus dem allgemeinen Satz von 14,6 Prozent plus einem kassenabhängigen Aufschlag bis zu 1,3 Prozent. Tendenz steigend. Die Rentenkasse trägt 7,3 Prozent des allgemeinen Satzes, die andere Hälfte zahlt der Rentner. Den Aufschlag muss er allein stemmen. Dazu kommt noch die Pflegeversicherung, die man selbst zahlen muss. Mit Nachwuchs liegt sie bei 2,35 Prozent der Rente, für Kinderlose bei 2,6 Prozent. Unterm Strich muss der pflichtversicherte Rentner mit Nachwuchs momentan Abzüge von etwa 10,75 Prozent seiner Bruttorente hinnehmen. Von 1600 Euro gesetzlicher Rente landen so nur noch etwa 1428 auf dem Konto.

Hinzu kommen Abzüge bei Leistungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge. Also auf Betriebsrenten, Direktversicherungen über den Chef, auf Geld aus Pensionskassen oder -fonds, Lebensversicherungen als Direktzusage, sobald diese zusammen über der aktuellen Bagatellgrenze von 145,25 Euro liegen. Pflichtversicherte Betriebsrentner müssen darauf dann den vollen Krankenkassenbeitrag zahlen, plus mindestens 2,35 Prozent Pflegeversicherung. Sie büßen schließlich mehr als 18 Prozent ein. So bleiben von 500 Euro Betriebsrente brutto im Monat nur noch etwa 410 Euro übrig.

Wer als Rentner nicht den Wechsel in die Pflichtversicherung schafft, muss sich freiwillig in einer Kasse versichern. Die Krankenkasse verlangt bis zu einem Einkommen von aktuell 4237,50 Euro im Monat die volle Beitragslast auf private Lebens- oder Rentenversicherungen sowie auf Einkünfte aus Vermietung und Kapitalvermögen. Das können mehr als 700 Euro Abzüge pro Monat sein. Manche der gut 650 000 freiwillig versicherten Rentner zahlen mehr Sozialabgaben als im Berufsleben. Das Einkommen des Ehepartners zählt mit, wenn dieser privat krankenversichert ist. Das betreffe am häufigsten Frauen, sagt Verspohl vom Sozialverband VdK. Aber: Die Rentenkasse zahlt auch freiwillig Versicherten 7,3 Prozent zum Beitrag dazu. Allerdings müssen diese einen Antrag auf Zuschuss stellen.

Verspohl rät allen, die in Frührente gehen wollen, sich rechtzeitig bei ihrer Krankenkasse über die Voraussetzung für die günstigere Pflichtversicherung zu informieren und erst dann einen Antrag auf vorzeitige Rente zu stellen. Fehlen bei Rentenbeginn noch einige Monate Versicherungszeit, kann man nachzahlen oder länger arbeiten, um die Kostenfalle der freiwilligen Absicherung zu umgehen. Ist der Antrag genehmigt, ist es dafür zu spät. Zum Finanzproblem kann auch eine späte Scheidung werden, wenn die Frau über 55 Jahre alt und zuletzt privat abgesichert war, etwa in der Ehe mit einem Beamten. Dann muss sie alleine die Beiträge ab 800 Euro monatlich für die Privatversicherung zahlen.

Können Rentner ihre Krankenversicherung, gesetzlich oder privat, nicht bezahlen, werden sie zum Fall für die Sozialhilfe. Sie müssen dann Unterstützung beantragen.

Beachten sollte man außerdem die Steuerabgaben. Steigen die Renten, ist das Plusvoll steuerpflichtig. Sich informieren ist wichtig. "Momentan ist die Steuer für die meisten noch gar nicht das Problem", sagt Uwe Rauhöftb, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL). Die Abzüge für Kranken- und Pflegeversicherung kämen sie meist deutlich teurer zu stehen.

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SZ vom 30.05.2016
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