EFSF-Abwertung:Koalition will europäischen Rivalen für US-Ratingagenturen

Nach der Herabstufung des europäischen Rettungsfonds EFSF weist Standard & Poor's den Vorwurf zurück, parteiisch zu sein. Politiker aus Union und FDP überzeugt das nicht: Sie wollen eine europäische Ratingagentur etablieren, die unabhängig ist und keine politischen Ziele verfolgt.

Peter Blechschmidt und Michael Bauchmüller

Politiker der Regierungskoalition dringen auf den Aufbau einer europäischen Ratingagentur. Sie reagierten damit am Montag darauf, dass die amerikanische Agentur Standard & Poor's (S & P) in der vorigen Woche die Bonität von neun Euro-Staaten herabgestuft hatte. Zugleich trat die Bundesregierung Befürchtungen entgegen, die Aberkennung der Bestnote AAA für die Kreditwürdigkeit Frankreichs und anderer Euro-Länder gefährde die Handlungsfähigkeit des Rettungsfonds EFSF.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Meister, und FDP-Generalsekretär Patrick Döring sprachen sich dafür aus, neben den drei marktbeherrschenden Ratingagenturen aus den USA eine eigene europäische Agentur zu errichten. Ziel sei, mehr Wettbewerb im Bereich der Agenturen herzustellen, sagte Meister. Döring befand, die europäische Agentur müsse frei von politischen Einflüssen bleiben. Es sei deshalb Aufgabe der Akteure auf den Finanzmärkten, eine solche Agentur aufzubauen.

Vorbild für eine unabhängige Ratingagentur könne die Stiftung Warentest sein, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er werde darüber mit seinen europäischen Amtskollegen sprechen. In Deutschland genieße die Stiftung Warentest große Glaubwürdigkeit. Deshalb solle man die Idee einer solchen Stiftung als Beispiel nehmen, um die Kreditwürdigkeit von Staaten zu benoten.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält es für notwendig, den Einfluss der Ratingagenturen zu begrenzen. "Es besteht dringender Handlungsbedarf", sagte er im Deutschlandfunk. Die Ratingagenturen müssten "objektive Schiedsrichter und nicht Interessenbeteiligte" sein. Dem Unternehmen Standard & Poor's warf Schäuble vor, es habe bei der Entscheidung zur Herabstufung Frankreichs und weiterer Euro-Staaten nicht berücksichtigt, dass die Euro-Länder längst auf dem Weg in eine Fiskalunion seien, in der es gemeinsame Haushaltsregeln gebe.

Standard & Poor's wies Vorwürfe zurück, parteiisch gegen Europa und zu Gunsten der angelsächsischen Länder zu handeln. "Wir erfüllen unsere Aufgabe", sagte der Leiter der für die Länderratings zuständigen Abteilung von S & P Deutschland, Moritz Kraemer, im Deutschlandfunk. Diese bestehe im Analysieren von Risiken, und das täten die Ratingagenturen unparteiisch. So habe S & P den USA im vorigen Herbst das Top-Rating AAA entzogen.

Trotz der Herabstufung Frankreichs sieht die Bundesregierung keine Probleme bei der Finanzierung der Rettungsschirme EFSF und ESM. Das Volumen des Hilfsfonds EFSF reiche völlig aus, sagte Schäuble. Er soll bis zum Sommer aktiv sein und dann vom ESM abgelöst werden, der mit Bareinlagen statt mit staatlichen Anleihen arbeiten soll. Diese unterlägen dann ohnehin keiner Bewertung durch Ratingagenturen, sagte Unionsfraktionsvize Meister.

Die Grünen nahmen die Ratingagenturen in Schutz. "Nicht der Überbringer unschöner Wahrheiten ist das Problem, sondern die Versäumnisse der europäischen Regierungen in der Euro-Krise", sagte Parteichefin Claudia Roth. Allerdings waren auch die Grünen schon dafür eingetreten, eine europäische Ratingagentur zu schaffen. Abermals forderten sie zudem ein Investitionsprogramm für Krisenstaaten und eine Finanztransaktionssteuer im Euro-Raum.

Dagegen hält die FDP daran fest, dass eine solche Abgabe nur sinnvoll sei, wenn sie EU-weit gelte. Sonst bestehe die Gefahr, dass Finanzgeschäfte auf den Londoner Markt verlagert würden, sagte FDP-Generalsekretär Döring. Auch gebe es andere Wege, um die gewünschten Ziele zu erreichen - also die Beteiligung der Banken an den Risiken des Finanzmarktes sowie die Begrenzung oder das Verbot "schädlicher" Finanzgeschäfte.

Das für kommenden Freitag geplante Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem italienischen Regierungschef Mario Monti und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy wird voraussichtlich abgesagt. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin hat Frankreich aus Termingründen darum gebeten. Mit dem Treffen sollte der EU-Gipfel am 30. Januar vorbereitet werden. Möglicherweise werden die drei eine Telefonkonferenz abhalten.

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