Abu Dhabi steigt bei Daimler ein:Der Stern über der Wüste

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Die Sorgen von einst sind einer Kollektiveuphorie gewichen: Politik und Experten bejubeln den Einstieg Abu Dhabis bei Daimler - und die Araber bemühen sich, mögliche Ängste zu zerstreuen.

Dagmar Deckstein, Stuttgart

Endlich einmal eine Nachricht inmitten dieser dunklen Krisenwolken über der Weltwirtschaft im allgemeinen und über der Automobilbranche im besonderen, die allseits mit Befriedigung und Wohlwollen goutiert wird. Das Emirat Abu Dhabi steigt mit 9,1 Prozent beim Autohersteller Daimler ein, und die dafür fälligen 1,95 Milliarden Euro sind auch schon pünktlich am Montagmorgen auf dem Stuttgarter Firmenkonto eingegangen. So viel verriet Daimler-Chef Dieter Zetsche dann auch noch auf der Pressekonferenz am Vormittag, nicht ohne sich ein ums andere Mal äußerst zufrieden über den neuen "langfristig orientierten Schlüsselinvestor in diesen unsicheren Zeiten" zu äußern.

Daimler-Chef Dieter Zetsche (rechts) und Khadem Al Qubaisi, Vorstand von Aabar Investments Abu Dhabi, freuen sich über ihren Deal. (Foto: Foto: AP)

Mit Zetsche freut sich auch die Bundesregierung über dieses "positive Signal" für die Leistungsstärke der deutschen Wirtschaft, und die in diesen Zeiten notorisch depressiven Börsianer bewerten den Einstieg auch als Lichtblick, so dass Autoaktien generell einen Kurssprung nach oben taten.

Mit dem neuen Investor Aabar aus dem Golf-Emirat Abu Dhabi verfügt der gebeutelte Autokonzern über einen zweiten Großaktionär neben Kuwait, das schon 1974 bei der Daimler-Benz AG einstieg und jetzt knapp sieben Prozent hält. Im Gegensatz zu den positiven Reaktionen heute sorgte das Engagement der Araber damals für große öffentliche Aufregung über den "Ausverkauf der deutschen Wirtschaft".

"Uneingeschränkt positiver Schritt"

Heute indessen wird der Investor aus der Golfregion gerade deswegen herzlich willkommen geheißen, weil er eben jenen Ausverkauf verhindern helfen soll. Mit der Finanzmarkt- und anschließenden Autokrise war der Aktienkurs von Daimler von 78 Euro Ende 2007 auf 20 Euro gesunken, und angesichts des breiten Aktienstreubesitzes von mehr als 90 Prozent musste das Daimler-Management seit vielen Monaten schon bangen, zur Beute kurzfristig orientierter "Heuschrecken"-Investoren zu werden. Zur Beute von Hedgefonds zum Beispiel, die den Konzern kurzerhand zerlegen und der schnellen Rendite wegen die Einzelteile - etwa das Lkw-Geschäft - verkaufen könnten.

Diese Gefahr ist mit dem Anteilserwerb von Aabar Investments nun ein kleines Stück geringer geworden. Das sehen auch Branchenexperten so: "Der Schritt ist uneingeschränkt positiv zu sehen", sagt etwa Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen. Der Einstieg habe zudem Symbolkraft, "da jemand in die deutsche Automobilindustrie investiert".

Dass solche Geschäfte nicht unbedingt von langer strategischer Hand und generalstabsmäßig eingefädelt werden, berichtete der Aabar-Manager Khadem Al Qubaisi freimütig. Zum einen fährt der 37-Jährige einen schnittigen Roadster SL, nennt dazu noch "viele andere Mercedes" sein eigen. Zum anderen sei er vor drei Monaten mit dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Georg Thoma von der Kanzlei Shearman & Sterling beim Mittagessen gesessen, der den Staatsfonds aus Abu Dhabi bei seinen deutschen Investment MAN Ferrostahl berät. Am Industriedienstleister hält Abu Dhabi seit Oktober 2008 70 Prozent.

Kaufen, wenn Panik herrscht

Thoma also habe er nach Kontakten zu Daimler gefragt, der Rechtsanwalt rief umgehend Daimler-Strategievorstand Rüdiger Grube an - und schon drei Monate später sei der Handel perfekt gewesen. Dass der Araber bei Daimler offene Türen einrannte - bekanntlich fahndet Zetsche seit langem schon nach Ankerinvestoren - war ein das Geschäft begünstigender Umstand. Den anderen bezeichnete Al Qubaisi so: "Am besten kauft man dann, wenn Panik herrscht." Diese Panik hat die Autoindustrie weltweit schon im vergangenen Herbst ergriffen, weswegen ihre Aktien auch derzeit zum Schnäppchenpreis zu haben sind.

Der neue Investor ist der Überzeugung, "dass das Daimler-Management besonders gut" sei und deswegen für Aabar auch kein Bedarf bestünde, ins Tagesgeschäft hineinzuregieren oder einen Platz im Aufsichtsrat anzustreben. Vehement beteuerte Al Qubaisi auch, auf jeden Fall an einer langfristigen Investition interessiert zu sein.

So seien der Staatsfonds aus Abu Dhabi zum Beispiel schon 26 Jahre lang an einer Raffinerie in Pakistan beteiligt, immerhin seit 1995 halte man Anteile am österreichischen Mineralölkonzern OMV. Im Regelfall streben die Araber 25 bis 40 Prozent Kapitalanteil an ihren Beteiligungen an. Warum also nur neun Prozent an Daimler? Was nicht ist, kann noch werden, meinte Al Qubaisi, Aabar behalte sich durchaus vor, noch weitere Anteile zu erwerben. "Daimler ist eine Marken-Ikone", sagte der Araber. Deswegen hätte man auf Opel derzeit auch nicht unbedingt ein Auge geworfen.

© SZ vom 24.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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