Abschluss des Insolvenzverfahrens:Was von Grundig übrig bleibt

Einst lieferte Grundig Bild und Sound des Wirtschaftswunders - doch von der einstigen Pracht und Herrlichkeit des Fernsehherstellers ist fast nichts mehr geblieben. Sieben Jahren lang zog sich das Insolvenzverfahren hin.

Uwe Ritzer, Nürnberg

Der 1. FC Nürnberg stand wieder einmal kurz vor der Pleite. Gerd Schmelzer war sein Präsident und suchte verzweifelt nach einer Geldquelle. Da bot Henry Kissinger Hilfe an. Der frühere US-Außenminister ist Fußballnarr und stammt aus Fürth. Kissinger vermittelte Schmelzer ein Treffen mit einem anderen bekannten Fürther, der inzwischen in Baden-Baden lebte: Max Grundig.

GRUNDIG FERNSEHER PRODUKTION

Flimmerkisten-Kontrolle: Grundig im Jahre 1997.

(Foto: AP)

Der empfing Schmelzer, und es wurde ein langes Gespräch. "Am Ende gab er mir zwar kein Geld, aber er half mir anders", erzählt Schmelzer. Wie, will er nicht sagen. Es war das einzige Mal, dass die beiden Herren sich trafen.

Max Grundig starb 1989. Fünf Jahre zuvor hatte er sein gleichnamiges Unternehmen dem niederländischen Philips-Konzern überlassen. Da hatte der Niedergang des einst größten deutschen Herstellers von Rundfunk- und Fernsehgeräten, Stereoanlagen und anderer Unterhaltungselektronik schon begonnen.

Aus dem Nichts hatte Max Grundig sein Unternehmen geschaffen; er war so etwas wie der Bild- und Tonmeister des deutschen Wirtschaftswunders. In Spitzenzeiten beschäftigte die Firma fast 38.000 Menschen. Als sie im April 2003 Insolvenz anmeldete, waren noch 3500 übrig. Eines der spektakulärsten Insolvenzverfahren der deutschen Geschichte begann. Jetzt, sieben Jahre später, ist es so gut wie abgeschlossen.

"Wir sind durch", sagt der Insolvenzverwalter Siegfried Beck. "Das war der letzte große Verkauf eines Stücks Grundig." Er meint ein riesiges Firmengelände im Süden Nürnbergs, das zum einstmals größten Fernsehwerk Europas gehörte. Max Grundig ließ es in den siebziger Jahren aus dem Boden stampfen und später verlagerte er auch seine Firmenzentrale aus der Nachbarstadt Fürth hierher. Ein Teil des Areals ist schon länger verkauft. Die verbliebenen 170.000 Quadratmeter, davon 90.000 Quadratmeter Nutzfläche, hat Beck gerade an die Alpha-Gruppe verkauft.

Konzern wird zerschlagen und abgewickelt

Der Immobilienentwickler gehört dem ehemaligen Club-Präsidenten Gerd Schmelzer. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Bereits 2007 kaufte Schmelzer die zwei angrenzenden "Grundig-Türme". So nennen die Nürnberger jene Zwillings-Hochhäuser, die Max Grundig als Wohnraum für seine Arbeiter hatte hochziehen lassen. Schmelzer lässt sie gerade zu einem Hotel umbauen. "Dieser Standort hat enormes Entwicklungspotenzial", sagt er. 20.000 der etwa 90.000 Quadratmeter Nutzfläche stehen leer. Wo früher bei Grundig bis zu 15.000 Menschen arbeiteten, haben sich nach der Insolvenz etwa 40 Firmen mit 800 Mitarbeitern angesiedelt. Darunter sind auch solche, die nach wie vor Grundig im Namen tragen.

Insolvenzverwalter Beck hatte nie eine Chance, Grundig als Ganzes an einen Investor zu verkaufen. Seit 2003 wurde der Konzern zerschlagen und abgewickelt. Das Kerngeschäft mit Radio- und Fernsehgeräten ging in die Grundig Intermedia GmbH über. Sie gehört nun zum türkischen Arcelik-Konzern der Industriellenfamilie Koc. Die Firma baut unter dem Namen Grundig inzwischen auch elektronische Zahnbürsten, Haarschneider und Küchengeräte. Seit Jahren wechseln in munterem Tempo die Geschäftsführer. Nach Verlusten und Umsatzeinbrüchen gibt man gar keine Zahlen mehr bekannt. 1800 Mitarbeiter zählt man angeblich weltweit; in Nürnberg sind es gerade noch 140.

In etwa so viele arbeiten auch bei Delphi-Grundig, einem ebenfalls zuletzt schwächelnden Hersteller von Autoradios und Navigationsgeräten. Das dritte vor Ort verbliebene Grundig-Unternehmen stellt Sat-Systeme her. Daneben gibt es kleine Ausgründungen, die unter neuem Namen firmieren. Wie eine Kunststoff-Recyclingfirma, die aus der Grundig-Materialwirtschaft hervorging.

Firmengelände soll neu aufblühen

Von der einstigen Pracht und Herrlichkeit des klangvollen Konzerns ist also außer dem Namen fast nichts mehr übrig. Gerd Schmelzer will nun dem alten Fernsehwerk eine neue Nutzung verschaffen. Wie so etwas geht, hat er bereits auf dem alten Areal von Triumph-Adler in Nürnberg bewiesen. "Wir werden das Gelände komplett neu strukturieren", sagt er. Den bereits angesiedelten Unternehmen will er Entwicklungsmöglichkeiten schaffen und neue Firmen anlocken. Schmelzer nennt die Sparten Logistik und Produktion.

Insolvenzverwalter Siegfried Beck ist derweil mit der Restabwicklung beschäftigt. Eine steuerliche Betriebsprüfung findet noch statt, und jene Grundig-Tochterfirma wird liquidiert, der bis zum Verkauf an Schmelzer das Werksgelände gehörte. Das wird Jahre dauern. Schließlich muss das Insolvenzgericht Beck erlauben, den Erlös aus dem Verkauf an die Gläubiger auszuschütten. Nach alledem ist der Konzern des Max Grundig endgültig Geschichte.

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