Abschluss des Handelsabkommens mit Kanada:Reine Inszenierung

Canada's PM Harper walks with European Council President Van Rompuy and European Commission President Barroso in the Hall of Honour on Parliament Hill in Ottawa

Kanadas Ministerpräsident Stephen Harper (Mitte), EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso (rechts) und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy (links) zeigen sich auf dem Ceta-Gipfel in Ottawa vor allem: geschlossen und einig.

(Foto: REUTERS)

Der Vertragstext ist fertig, die Gespräche sind zu Ende - nun wird gefeiert: Kanada und die EU haben in großer Einigkeit den Abschluss der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen Ceta präsentiert. Im Hintergrund sieht es nicht ganz so harmonisch aus.

Von Andrea Rexer, Ottawa

Am Ende musste es der Bundespräsident ausbügeln. Ausgerechnet am Tag des EU-Kanada-Gipfels führte Joachim Gauck ein offizieller Staatsbesuch in die kanadischen Hauptstadt Ottawa. Nur wenige Stunden bevor der Vertragstext des Freihandelsabkommen Ceta feierlich vorgestellt wurde, traf sich Gauck mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper. Warum es denn ausgerechnet in Deutschland so viele kritische Stimmen gegen das Abkommen gebe, wollte Harper von Gauck wissen.

Eigentlich hätte Harper nur vor die Tür gehen müssen, um zu erfahren, wie kontrovers das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada diskutiert wird. Denn auch in Kanada gibt es Widerstand - wenn auch bescheidenen: Mehr als 300 Demonstranten sammelten sich am Freitag im Regierungsviertel, darunter drei Deutsche der Nichtregierungsorganisation Campact. Sie waren nach Ottawa gereist, weil dort unter anderem EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, EU-Handelskommissar Karel De Gucht und Stephen Harper den Abschluss der fünfjährigen Verhandlungen feierten.

Es war eine rein politische Inszenierung: Unterschriften wurden nicht unter die Verträge gesetzt, eine juristische Verbindlichkeit gibt es daher nicht. Später reisten die drei Politiker weiter nach Toronto, um vor einer Versammlung der Wirtschaftselite des Landes im Edelhotel Fairmont den Abschluss zu präsentieren.

Dass der EU-Kanada-Gipfel zur reinen Inszenierung verkommen ist, hat vor allem mit einem Zwist zwischen Deutschland und der EU-Kommission zu tun. Während Deutschland darauf pocht, dass das Abkommen die Zustimmung der nationalen Parlamente braucht, glaubt die EU-Kommission, dass sie das alleinige Verhandlungsmandat hat. Um die Parlamente nicht im Voraus zu düpieren, habe die Kommission darauf verzichtet, das Abkommen zu unterschreiben, heißt es in Verhandlungskreisen.

Deutschland lehnt ab, für andere Länder zu haften

Doch es geht nicht nur um Macht, es geht auch um Geld: Im Kapitel zu den Schiedsgerichten gibt es eine Klausel, die den Umgang mit insolventen Staaten regelt. Sollte der Fall eintreten, dass ein Land von einem Investor verklagt wird, das Land aber nicht zahlen kann, würden dem Vertrag zufolge die Kosten auf die anderen EU-Staaten verteilt. Diese Gemeinschaftshaftung lehne Deutschland ab, heißt es in informierten Kreisen. Während Deutschland gern Anpassungen im Vertrag durchsetzen möchte, sträubt sich die EU-Kommission gegen jede Änderung.

Kanada kann diesen Machtkampf innerhalb der EU nur als Zaungast beobachten und hoffen, dass sich die Gegenüber bald einigen. Erst dann kann die Ratifizierung beginnen. Auch in Kanada wird das Parlament Ceta zustimmen müssen, die Provinzen müssen die Regelungen dann in ihr Gesetz übernehmen. Die Kanadier haben ähnliche Sorgen wie die europäischen Gegner des Abkommens: Sie fürchten, dass die Demokratie ausgehöhlt wird. Den Europäern gilt Ceta als Vorlage für das amerikanisch-europäische Abkommen TTIP.

Präsident Gauck kam in zweifacher Hinsicht eine Vermittlerrolle zu: Er erklärte dem kanadischen Premier den Diskussionsstand in Deutschland. Den Kritikern gab er insofern Recht, als dass er öffentlich mehr Transparenz einforderte: "Die Debatte muss geführt werden", sagte er. Gleichzeitig stellte er aber auch unmissverständlich klar, dass er Ceta positiv gegenüber steht, da der Vertrag Wohlstand und Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks steigern würde.

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