Abos für Socken, Schminke und Unterhosen:Einmal Klick, immer schick
Lesezeit: 6 Min.
Für viele Männer ist Shoppen ein Horror. Und auch Frauen vergeht schnell die Lust, wenn Socken, Windeln und Hundefutter auf der Einkaufsliste stehen. Doch vieles, was man immer wieder nach Hause schleppt, kann man abonnieren. Mit und ohne Überraschung.
Von Larissa Holzki
Lars Opitz zwängt sich nicht gern durch überfüllte Kaufhäuser. Shoppen findet er anstrengend. Zumal er ohnehin fast immer das gleiche sucht: ein weißes T-Shirt, schwarze Socken, neue Unterhosen. Seit vier Jahren lässt er es deshalb sein. Wenn der große Zeh durch die Socke guckt, schickt der 37-Jährige seinen Eltern eine E-Mail. Dann steigt Mutter Annemarie in Wartenberg in der Nähe von München auf den Dachboden. Sie nimmt ein paar Socken vom Stapel, kontrolliert den Bund und vernäht lose Fäden. Vater Dieter tütet sie ein und bringt den Umschlag zur Post. Drei Tage später kann Lars Opitz in seine Lieblingssocken schlüpfen: grau, glatt, Größe 41/42 und mit dem Label von Dailybread.
Dailybread - das ist sein eigenes Start-up. Denn nicht nur für ihn leisten die Eltern diesen Service. Vor vier Jahren hat er mit seinem Freund Kai Petersen beschlossen, ihren Shoppingsorgen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Seitdem können Männer schlichte T-Shirts, Unterhosen, Socken und Kondome abonnieren. Je nach Wunsch und Verschleiß bekommen sie jeden zweiten, dritten, sechsten oder zwölften Monat automatisch ein Kleiderschrank-Update. 1400 Kunden hat Dailybread inzwischen pro Jahr. Diejenigen, die sich nicht auf einen bestimmten Rhythmus festlegen wollen, können auch in unregelmäßigen Abständen bestellen.
In Deutschland kann man inzwischen eine ganze Menge abonnieren. Etwa Obst und Gemüse vom Bauern. Bellegs ist das Pendant zu Dailybread für die Frau, die sich nicht mehr über Laufmaschen ärgern will. Auch Rasierklingen, Wein, Bastelkisten, Windeln, Tierfutter, Bücher, Grillfleisch und Liebesspielzeug gibt es bereits im Abo.
Nie mehr Waschpulver nach Hause schleppen
Die Idee hinter den Dienstleistungen ist immer die gleiche: Alles, was Menschen regelmäßig und in gleichbleibenden Mengen brauchen, wird nach Hause geliefert. Waschpulver, Klopapier und Tintenpatronen müssen nicht mehr nach Hause geschleppt werden. Die Kunden sparen Zeit und brauchen sich um den täglichen Bedarf nicht mehr zu scheren. Viele Produkte sind im Abo auch günstiger.
Der größte deutsche Anbieter in der Branche ist Glossybox. Nach eigenen Angaben verschickte das Start-up in den ersten zweieinhalb Jahren vier Millionen Pakete mit Kosmetik-Produkten. 200.000 Abonnenten erhalten regelmäßig Cremes, Shampoos, Parfüms und Schminke in Testgrößen und zahlen dafür 10 bis 15 Euro. Auch für Männer gibt es eine Glossybox.
Als Pionier gilt der Sockenverkäufer Samy Liechti aus der Schweiz. Bereits 1999 gründete er sein Unternehmen Blacksocks. Heute hat er nicht nur schwarze, sondern auch graue, blaue und braune Socken im Angebot. Sein Sortiment reicht von Füßlingen über Kaschmir-Seidensocken bis hin zu Kniestrümpfen. In den vergangenen Jahren nahm das Geschäft mit den Online-Abos vor allem in den USA Fahrt auf, bevor es nach Deutschland herüber schwappte.
Jeden Monat Weihnachten
Wie bei Dailybread-Inhaber Opitz kann man bei vielen Anbietern Produkte aus einem Katalog aussuchen und bestellen. Der Kauf unterscheidet sich dann nur in der automatischen Wiederholung vom herkömmlichen Online-Versandhandel. Ein anderes Modell ist das Überraschungs-Abo. Die Kunden bestellen ein Paket zu einem festen Preis und einem bestimmten Thema - was genau darin ist, entscheidet der Verkäufer.
Die Überraschungsboxen sind vor allem in Amerika beliebt. Das Bewertungsportal Subcriptionboxes listet mehr als 160 Angebote. Ein Start-up, das Pakete für IT-Freaks mit Shirts, Video-Spielen, Figuren und Stickern versendet, hat nach eigenen Angaben innerhalb eines Jahres 15.000 Abonnenten gewonnen. "Für uns ist es, als wäre einmal im Monat Weihnachten. Du weißt nie, was drin ist, bist du es öffnest", schreibt eine Kundin beispielsweise über die Horsebox für Reiter. Alle vier Wochen erhält sie Mückenspray, Hufpflege oder Leckerlis für ihr Pferd. Eine andere Abonnentin kommentiert eine Schmuckbox: "Ich liebe die Herausforderung, ein Outfit zu finden, das zu meinen neuesten Kostbarkeiten passt."
Sowohl in Amerika als auch in Deutschland packen einige Anhänger der Überraschungsboxen ihre Pakete vor laufender Kamera aus und stellen die Videos ins Internet. Manche haben eine richtige Fangemeinde. Ihre sogenannten Unboxing-Videos schauen sich bisweilen mehr als 100.000 Menschen an. Auf nicht ganz so viele Klicks bringt es die Youtuberin Nat Bittersweet. Dafür kann man in ihren Videos gut sehen, wie es in so einer Glossybox aussieht.
Böse Überraschungen
Wenn die Überraschung nicht gelingt, wird die Produktbündelung schnell zum Problem. Denn eine Kundin, die sich die Lippen am liebsten orange anmalt, kann mit fliederfarbigem Nagellack vielleicht nichts anfangen. Um ganz große Fehltritte zu vermeiden, können Glossybox-Abonnenten beispielsweise angeben, ob sie helle oder dunkle Haut, glatte oder lockige Haare haben. Trotzdem bleiben Enttäuschungen nicht aus.
Widerrufen können die Abonnenten in der Regel nur das erste Paket. Für die Abos gilt das Fernabsatzgesetz für wiederkehrende Warenlieferungen. Demnach kann der Kunde seine Bestellung nach Erhalt der ersten Lieferung zwei Wochen lang zurücksenden und sein Geld zurück bekommen. "Die erste Kiste dient der Orientierung", interpretiert Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Der Kunde könne sich ein Bild davon machen, was ihn künftig erwartet. "Danach hat der Verbraucher nur eine Chance auf Erstattung, wenn die Folgepakete erheblich von der ersten Lieferung abweichen", sagt Halm. Eine Gerichtsentscheidung gibt es dazu aber noch nicht.
Trösten könnte unzufriedene Kunden, dass sie für die Produkte im Paket meistens weniger zahlen als im Einzelkauf. "Der Wert der Ware liegt für gewöhnlich deutlich über dem Preis der Box", sagt Glossybox-Gründer Charles von Abercron. Das können die Unternehmen leisten, weil manche Zulieferer die Pakete als Werbung verstehen und von Trendempfehlungen profitieren wollen. Das geht so weit, dass zwei Münchnerinnen ein Tampon-Abo sogar kostenlos versenden. Alle vier Wochen verschicken sie hübsch verpackte Damenhygiene einer anderen Firma. Diese nutzen das Abo als Testprogramm. Die Kundinnen müssen am Ende jeden Monats einen Bewertungsbogen ausfüllen.
Nachhause-Service kann sich nicht jeder leisten
Eine Sonderform des Abo-Commerce ist das Curated Shopping. Nach einem einmaligen, telefonischen Style-Test kleiden Modeexperten einkaufsmufflige Männer von Kopf bis Fuß neu ein. In regelmäßigen Abständen bringt ihnen der Postbote aufeinander abgestimmte Hemden, Pullover, Hosen und Schuhe. Wenn dem Kunden alle oder einzelne Kleidungsstücke nicht passen oder gefallen, kann er sie zurücksenden. Den Rest kann er gleich anbehalten. Deutsche Anbieter sind zum Beispiel Outfittery und Modomoto.
Das Curated Shopping, aber auch viele andere Abo-Angebote, ist eher für Leute mit Geld gedacht. "Das Modell eignet sich vor allem für Besserverdienende, die ihren Aufwand reduzieren und die Bequemlichkeit erhöhen wollen", sagt Aline Eckstein, Online-Expertin vom Institut für Handelsforschung in Köln. Kein Wunder, dass die meisten Angebote auf Herren zugeschnitten sind. "Die beim Shopping gesparte Zeit ist vielen Männern Geld wert", sagt sie.
Eckstein beobachtet ein großes Wachstum beim sogenannten Abo-Commerce und erkennt ein Muster: Es werden vor allem hochwertige Güter vertrieben - so wie bei Dailybread. T-Shirts, Unterhosen und Socken werden speziell für das Münchner Start-up produziert, in Deutschland gesponnen, gestrickt und genäht. Lars Opitz hält es mit dem Credo seiner Oma: "Billig kaufen können wir uns nicht leisten". Denn für Abo-Anbieter ist besonders wichtig, dass die Kunden mit den Produkten langfristig zufrieden sind. Ein T-Shirt, das nach drei Waschgängen ausgeleiert ist, bestellt niemand ein zweites Mal.
Auch für die Unternehmer hat das Vertriebsmodell Vorteile. "Mit den Abos werden Kunden langfristig gebunden, die Unternehmer haben einen konstanten Umsatz und Planungssicherheit", sagt Onlinehandel-Expertin Eckstein. Sie beschreibt Abo-Commerce als eine "Win-Win-Situation" für Kunden und Anbieter.
Kleine Margen, große Herausforderung
Trotz der vielen kleinen und größeren Erfolgsgeschichten ist das Geschäft mit den Abos kein Selbstläufer. Jeder, der weiß, wie man eine Internetseite erstellt, kann als Konkurrent in den Markt einsteigen. Doch Versand und Lagerung stellen die Start-ups vor Herausforderungen. Logistik und Software - gerade bei individuell variierenden Paketen - ist aufwendig. Alle Anbieter sprechen von kleinen Margen. So können die Inhaber von Dailybread noch lange nicht von ihrem T-Shirt- und Sockenversand leben. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Lars Opitz als Kameramann.
Es gibt auch die ersten Pleiten. Start-up-Kapitalgeber Team Europe hat Anfang des Jahres den ChicChickClub aufgegeben - ein Berliner Start-up, bei dem Frauen Schuhe abonnieren konnten. Der Konkurrent, die Modesparte von Glossybox, hatte sich bereits im Februar 2012 mit seinem Schuh- und Accessoires-Paket aus der Modewelt verabschiedet. Bei Schuhen werden die Grenzen des Vertriebsmodells deutlich.
Denn die meisten Frauen gehen gerne shoppen und nicht alles, was sie am Abend nach Hause schleppen, stand schon morgens auf der Einkaufsliste. Sie schlendern am Schuhregal entlang und finden dabei zufällig die passenden Sandalen, Pumps oder Stiefel zu ihrem neuesten Outfit. Unverfänglich können sie ihn anprobieren und wenn er dann passt wie angegossen und der Preis stimmt auch, fehlen ihnen schnell die Argumente gegen den Kauf - oder aber die Enttäuschung ist so groß, dass sie gleich in das nächste Paar hineinschlüpfen und sich damit trösten. Bei einem Abo geht das alles nicht.
Mittlerweile wittern auch etablierte Unternehmen ihre Chance. Douglas hat seine eigene Beauty-Box im Angebot, die Drogeriemarktkette dm verlost 5000 Drei-Monats-Abos zum Preis von 15 Euro. Der Online-Händler Amazon bietet seit Mitte 2010 Abos an. Über 30.000 Produkte sollen schon verfügbar sein - vom Staubsaugerbeutel über Heftklammern bis hin zu Kontaktlinsen. Wer regelmäßig fünf oder mehr Produkte an eine Adresse bestellt, bekommt bis zu 15 Prozent Rabatt.
30.000 verschiedene Produkte - so viele Bestellungen hat Lars Opitz seit Gründung seines Unternehmens insgesamt noch nicht gehabt. Der Internet-Riese könnte bald alle überrollen. Ein Blick in die Unternehmensgeschichte von Amazon kann den Start-ups aber auch Mut machen. Es ist keine 20 Jahre her, da packte Gründer Jeff Bezos seine Bücher noch selbst in der eigenen Garage ein.