Süddeutsche Zeitung

Ablehnung des Mitfahrdienstes Uber:Lobbyisten der Vergangenheit

Die deutsche Kritik an Uber ist zum einen juristisch begründet, wurzelt zum anderen aber auch in tiefem Misstrauen gegenüber der US-amerikanischen Gründerszene. Wenn sich die hiesige Einstellung zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen nicht ändert, wird sich Deutschland nur selbst schaden.

Von Johannes Boie

Immerhin in einer Disziplin schlägt sich Uber bemerkenswert in Deutschland: Das Unternehmen legt eine rekordverdächtig kurze Spanne hin zwischen Markteintritt, Verbot der Geschäftstätigkeit und der Erlaubnis, doch weiterzumachen. Vorerst.

Um was handelt es sich doch gleich? Waffenhandel? Nein, Uber ist eine Plattform, auf der sich Menschen, die eine Mitfahrgelegenheit suchen, mit solchen, die eine Autofahrt gegen Geld anbieten, treffen können. Dabei werden die Fahrer von Uber ausgesucht, der Konzern verdient an der Provision und fällt damit in jene Reihe von Konzernen, von deren Geschäftsmodellen gleich mehrere Gruppen profitieren. Die Fahrer einerseits, die Mitfahrer andererseits. Uber könnte als Vermittlungsplattform in jene komfortable Position gelangen, in der Amazon heute schon steckt: mehr Markt als Marktteilnehmer zu sein.

Ubers Ablehnung findet in Deutschland auf zwei Ebenen statt. Da ist zum einen die juristisch begründete. Nach Protesten von Taxifahrern untersagte die Hamburger Verkehrsbehörde Uber den Dienst, gefolgt vom Berliner Ordnungsamt, dem Berliner Landgericht und schließlich dem Frankfurter Landgericht, das im August ohne mündliche Verhandlung Uber den Geschäftsbetrieb erst untersagte, dann wieder erlaubte, wegen eines juristischen Details. Die Verhandlung an sich steht noch aus.

Es gibt bereits Unternehmen jenseits des Taxi-Kartells

Zugrunde liegen den Verboten mehrere Gesetze, darunter das Personenbeförderungsgesetz, das in Deutschland die Beförderung von Passagieren in Autos den Taxiunternehmen zuschanzt, die als Kartell organisiert sind. Der Wettbewerb ist eingeschränkt. Dass sich auf diesem Feld längst private Anbieter tummeln, hat bislang kaum Polizei oder Gerichte interessiert, solange die Taxifahrer sich nicht beschwerten und die Konkurrenz nicht amerikanisch war.

Seit vielen Jahren operiert in Deutschland etwa mitfahrgelegenheit.de, auf der private Fahrer private Mitfahrer für längere Strecken gegen Entgelt suchen. Monatlich machen immerhin 1,3 Millionen Menschen mit. Wer diese Firma als Kunde kennt, der weiß, was hier alles im Argen liegt: Schwarz arbeitende, professionell organisierte, übermüdete Fahrer rasen mit kaum verkehrstauglichen Kleinbussen ohne Pause von Großstadt zu Großstadt. Das ist nicht die Regel - aber durchaus eine häufige Erscheinung auf dem Portal, das von München aus mittlerweile über ein Provisionssystem an Fahrten mitverdient. Als Vorbild dient offensichtlich die kalifornische Start-up-Szene.

Die Münchner sollten im eigenen Interesse darauf achten, dass dies kaum jemand bemerkt, denn es ist exakt diese Herkunft, die den Protest gegen Uber in Deutschland so laut werden lässt. Der tiefe, emotional begründete Hass gegen Uber ist die zweite Ebene der Ablehnung. Sie bereitet den juristischen Attacken erst die Grundlage.

"Persönliche Haft gegen die Führungsfiguren, Beschlagnahmen der Konten, Sperrung der App", forderte vor Tagen ein Leser in dieser Zeitung, ein anderer schimpfte, der Konzern würde agieren, als gelte "die deutsche/europäische Gerichtsbarkeit doch wohl nicht für Amerikaner." Da hatte Uber gerade angekündigt, das Verbot aus Frankfurt zu ignorieren. Wie man mittlerweile auch dort am Gericht festgestellt hat: mit einigem Recht.

Die Kritik entzündet sich an den Arbeitsumständen der Uber-Fahrer. Sie bleiben selbständige Fahrer und werden nicht angestellt, weil der Markt freier ist als im Taxi-Kartell, sind auch die Umsätze weniger planbar und manchmal geringer. Aber ist das nicht ein Risiko, das jeder Mensch trägt, wenn er sich in die Selbständigkeit wagt? Das Gerücht, wonach die Fahrer nicht versichert sein müssten und Uber bei Unfällen nicht helfe, hat sich als falsch erwiesen. Im Gegenteil: Ein FAZ-Redakteur, der einen Selbstversuch wagte, versank im Papierkram: Versicherungsnachweis, Führungszeugnis (die Kosten dafür übernimmt Uber), Kfz-Schein, Führerschein, Ausdruck des Punkte-Kontos aus Flensburg - plötzlich schienen die Kalifornier fast wie eine deutsche Behörde zu agieren.

Kann dann diese in weiten Teilen nicht zutreffende Kritik ausreichen, um den Hass zu erklären, den in Deutschland viele auf Uber empfinden? Immerhin sind deutsche Taxis auch aus der Sicht eines ehemaligen Taxifahrers nicht immer eine angenehme Angelegenheit. Der Besitz des Personenbeförderungsscheins garantiert nicht die Kenntnis des Weges, was in Zeiten von Google Maps überflüssig ist. Einen anständigen Fahrer zu erwischen, ist dieselbe Lotterie wie sonst auch im Leben. Warum sollte dieses System, das zudem seit Jahren für massive Schwarzarbeit bekannt ist, besonderen Schutz genießen?

Der Economist ahnt, dass sich in Deutschland eine "digitale Phobie" breitmache, die gezielt auch von Firmen geschürt werde, die ihr Geschäftsmodell schützen wollten, indem sie Wettbewerbern keine Chance ließen. Der Fall Uber sei somit in Deutschland nur "ein weiteres Zeichen für die wachsende Feindseligkeit gegen amerikanische Technologie-Firmen." Die transatlantische Allianz hat es offenbar nicht ins digitale Zeitalter geschafft, in Anbetracht der Geheimdienstskandale mag man das zum Teil verstehen.

Welchen Einfluss haben die Lobbyisten der alten Technologien?

Doch Uber passt weniger ins Bild des amerikanischen Überwachers als ins Bild des amerikanischen Turbokapitalisten. Der Firmenchef gilt nach den heute in Deutschland gültigen Maßstäben als schlechter Mensch. Travis Kalanick ist erfolgreich, kümmert sich mehr um die eigene Firma als seine Wettbewerber, ignoriert Verbote, von denen er nichts hält. Zu allem Überfluss ist er ein Mann, der sich zur österreichischen Schule der Ökonomie und Ayn Rands Standardwerk "Der Streik" bekennt. Er ist nicht nur liberal, sondern libertär, die einzige Quote, die er kennt, ist die 100-Prozent-Kalanick-Quote.

Doch wenn sich Deutschland nicht am Riemen reißt, wird kaum Kalanick den größten Schaden tragen. Die Mehrheit der Jobs in den USA entsteht in Start-ups. Regierungen wie die mexikanische planen, alle Kinder im Land speziellen Tests zu unterziehen, um potenzielle Gründer zu identifizieren und gezielt mit Investitionsgeld auszustatten. Deutscher Nachwuchs wird sich in Anbetracht des Umgangs mit Uber doppelt überlegen, ob er nicht lieber im Ausland gründet. Es ist wohl diese Überlegung, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der nicht gerade als Ayn-Rand-Fan bekannt ist, dazu bewogen haben könnte, mit einer Forderung nach "mehr Wettbewerb" sanft zur Seite Ubers zu tendieren.

Der gesellschaftliche Schaden könnte eben so groß wie der wirtschaftliche werden. Die Gestaltung der Zukunft droht hierzulande von Innovationshassern abzuhängen, von Lobbyisten jener Technologien, die dank des Netzes neuerdings obsolet sind. Dabei kann nur eine Gesellschaft, die technologisch führend ist, die wichtige Frage beantworten, wie wir in Zukunft leben wollen.

So kalt und unmoralisch, wie das amerikanische System häufig beschrieben wird, war übrigens bislang in diesem Streit vor allem ein Taxi-Unternehmer aus Frankfurt. Der hatte, während Uber das Geschäft gerichtlich verboten war, einen Uber-Fahrer bestellen lassen. Nur, um ihn anzuzeigen. Damit alles seine deutsche Ordnung hat.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2014/pauk
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