Abkehr vom Euro-Rettungsfonds:Falscher Jubel für Griechenland

Informelles Treffen der EU-Finanzminister

Künftig will sich Athen nicht mehr vom Euro-Rettungsfonds Geld leihen, sondern am privaten Markt.

(Foto: dpa)

Der Euro-Rettungsfonds ist der beste Kreditgeber für Griechenland: Zu den hervorragenden Konditionen zählt, dass Athen derzeit weder Zinsen noch Tilgung zahlt. Nun will Athen an den privaten Markt zurück, wo es solche Vereinbarungen nicht gibt. Grund dafür ist aber nicht die bejubelte Rückkehr zur Normalität.

Ein Kommentar von Cerstin Gammelin

Griechenlands Regierung plant, sich wieder am Markt zu finanzieren. Sie will nicht nur über Monate laufende Anleihen ausgeben, sondern Staatspapiere mit einer Laufzeit von mehreren Jahren. Hätte es eines überzeugenden Beweises bedurft, dass die oft umstrittene und immer wieder geänderte Rettungspolitik der vergangenen Jahre eine erfolgreiche war - hier ist er, freuen sich Europas Politiker. Athens geplanter Gang an die Finanzmärkte wird bejubelt als Rückkehr des Landes in die Normalität.

Genau das ist es aber nicht.

Normal ist, dass ein Land, das Kredite aufnehmen muss, sich den besten Kreditgeber auswählt. So wie das grundsätzlich jeder Bürger, jedes Unternehmen macht. Solide soll der Kreditgeber sein, niedrige Zinsen bieten und beste Rückzahlungskonditionen. Gemessen an diesen Kriterien gibt es für ein derart krisengeschütteltes Land wie Griechenland einen einzigen Kreditgeber, der infrage kommt: der Euro-Rettungsfonds.

Knapp 134 Milliarden Euro hat der Fonds bisher an Griechenland überwiesen, die durchschnittliche Laufzeit der Kredite beträgt 30 Jahre, der durchschnittliche Zinssatz liegt bei 1,5 Prozent. Wegen eines zehnjährigen Zinsmoratoriums zahlt Athen derzeit gar keine Zinsen. Und auch keine Tilgung, weil die meisten Kredite erst beginnend in den 2040er-Jahren fällig werden.

Die Euro-Politiker haben sich auf diese Superkonditionen verständigt, weil das Euro-Land ohnehin unter einem unvorstellbaren Schuldenberg ächzt, der nur über Generationen abgezahlt werden kann und bislang jeden nachhaltigen Aufschwung verhindert. Die Euro-Retter haben versucht, Griechenland jeden unnötigen Euro an Kreditlasten zu ersparen.

Damit ist Schluss, wenn Athen sich Geld am Markt borgt, wo Verständnis und Solidarität unbekannte Währungen sind. Wer Geld am freien Markt verleiht, will daran verdienen. Wenn Griechenland also trotz des Schuldenberges an die Märkte zurückgeht, wohl wissend, dass dort um die fünf Prozent an Zinsen erwartet werden und andere Tilgungsfristen gelten, ist das nicht wiederkehrender Normalität geschuldet, sondern besonderen Umständen.

Die Euro-Zone könnte gefährdet sein

Die Euro-Kreditgeber wollen am liebsten keine neuen Kredite mehr zu Superkonditionen ausgeben. Für sie muss jetzt der Beweis her, dass die bisherige Rettungspolitik richtig war. Sie müssen die Steuerzahler zu Hause überzeugen, vor allem in Deutschland.

Und: Der konservative Premier Antonis Samaras will seine nur noch mit zwei Stimmen Mehrheit agierende Regierungskoalition über die anstehenden Wahlen retten. Was im Übrigen ganz im Sinne der Euro-Kreditgeber ist. Denn verliert die Regierung Ende Mai bei den kommunalen oder auch europäischen Wahlen, sind Neuwahlen des Parlaments kaum noch zu verhindern. Athen könnte unregierbar werden, Griechenland wieder in der Krise versinken, die Euro-Zone gefährdet sein.

Dies zu verhindern, reden Kreditgeber und griechische Regierung jetzt der wiederkehrenden Normalität das Wort.

Ignoranz und Hoffnung statt Ehrlichkeit

Mit einer gehörigen Portion Ignoranz übergehen sie, was im jüngsten Bericht der Buchprüfer der Kreditgeber, der Troika, steht. Dort sieht das "realistische Szenario" für Griechenland nämlich anders aus. Die Experten, die über Monate die Bücher in Athen geprüft haben, rechnen damit, dass das Land bis 2016 zwischen 16 und 17 Milliarden Euro an neuen Krediten braucht und damit ein drittes Hilfspaket, und zwar aus dem Euro-Rettungsfonds.

Mit einer großen Portion Hoffnung beziehen sich die Euro-Politiker dagegen auf das von der Troika als "optimistisch" beschriebene Szenario. Danach kommt die Wirtschaft in Schwung, erwirtschaftet Athen stete Überschüsse, finanzieren sich griechische Banken am Markt, nutzt die Regierung das eigentlich für die Banken vorgesehene Geld, um anderweitig Löcher zu stopfen. Dann benötigte die Regierung bis 2016 nur vier bis fünf Milliarden Euro an Krediten, und die könnte sie womöglich am Markt aufnehmen.

Könnte. Wenn. Falls. Müsste. In vier Jahren Griechenland-Krise gab es diverse optimistische Szenarien. Keines davon ist jemals eingetreten. Im Gegenteil, ein ums andere Mal wurden die als realistisch bezeichneten Ausblicke noch unterboten.

Diese Kluft zwischen Versprechen und Wirklichkeit haben die Bürger bemerkt. Weshalb den Euro-Politikern jetzt eine gehörige Portion Ehrlichkeit zu wünschen ist. Ehrlichkeit, um zu erklären, dass in Griechenland nach wie vor nichts normal ist - und womöglich um weitere Hilfe zu werben, für einen langen Atem bei der Krisenbewältigung. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag Premier Antonis Samaras besucht, ist eine gute Gelegenheit dafür.

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