Süddeutsche Zeitung

Abheben im Supermarkt:Brot, Butter, Bargeld

Lesezeit: 3 min

Mit der Girokarte lässt sich auch an Tankstellen oder beim Discounter Bares abheben - ohne Gebühren. Die Kunden sind allerdings noch zögerlich. Doch die Anbieter erwarten, dass der Zuspruch steigt.

Von Berrit Gräber, München

Um Bargeld zu ziehen, muss kein Mensch mehr extra zur Bank gehen oder gar happige Gebühren zahlen. Ein paar Scheine lassen sich auch an der Tankstelle abheben. Oder beim Einkaufen im Supermarkt. Wer ohnehin noch Brot, Wein und Käse fürs Abendessen besorgen will, kann sich an der Kasse gleich noch mit Barem versorgen - und zwar zum Nulltarif. In Zeiten, in denen sich Banken zunehmend für jede Handreichung bezahlen lassen und Filialen schließen, könnte der kostenlose "Cashback"-Service in Geschäften längst ein Renner sein. "Das Angebot wird bislang aber noch nicht so stark wahrgenommen", sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE).

Wie geht Cashback?

An der Tankstellen- oder Supermarktkasse Bares abholen geht so: Der Kunde steckt seine Girokarte (früher: EC-Karte) ins Bezahlterminal, tippt seine Geheimzahl ein, die Höhe der gewünschten Barsumme und bekommt die Scheine in die Hand gedrückt. "In der Regel kann man so bis zu 200 Euro abheben", erklärt Anne van Dülmen vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin. Fremdbanken verlangen fürs Geldziehen bis zu sieben Euro. An der Supermarktkasse ist der Service umsonst. Voraussetzung: Der Kunde kauft ein. Beim Discounter Lidl, der den Service jetzt neu im Angebot hat, gibt es Bargeld bereits ab mindestens zehn Euro, ebenso beim Drogeriemarkt dm. Andere Läden verlangen Einkäufe ab 20 Euro. "Bei Netto Discount liegt die Hürde sogar nur bei fünf Euro", sagt Binnebößel. Gar keinen Mindesteinkauf verlangten teilnehmende Tankstellen. "Dort gibt es einkaufsunabhängige Bargeldauszahlungen, auch ohne vorher tanken zu müssen, das ist wie ein bedienter Geldautomat", so der HDE-Experte.

Wer macht mit?

Was in einzelnen Rewe-Läden begann, entwickelt sich allmählich. Immer mehr Geschäfte sind mit von der Partie, darunter viele große Lebensmitteldiscounter wie Aldi Süd, Penny, Netto Markendiscount, Lidl, einzelne Edeka-Märkte, Galeria Kaufhof, aber auch regionale Anbieter wie die sky-Supermärkte oder famila. Außerdem die toom-Baumärkte, plaza Bau- und Gartencenter, viele Tankstellen wie etwa Shell sowie Bioläden wie Denn's und Drogeriemärkte wie dm. "Wir schätzen, dass aktuell bis zu 21 000 Geschäfte bundesweit die Bargeldauszahlung anbieten", sagt Binnebößel. Das entspreche in etwa der Zahl der Standorte, an denen bundesweit Geldautomaten von Banken stehen.

Was haben die Geschäfte davon?

"Die Bargeldauszahlung ist ein Mittel zur Kundenbindung", erläutert Michelle Jahn, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Der Handel setzt darauf, dass er Kunden in die Läden bekommt, und der Umsatz steigt. Der Wettbewerb ist hart. Kein Anbieter möchte sich von der Konkurrenz in Sachen Service überbieten lassen "Außerdem sind Händler nicht undankbar, ihre Bargeldbestände durch die Auszahlungen zu reduzieren", gibt van Dülmen zu bedenken. Sie übernehmen die Gebühren von 0,2 Prozent der Auszahlungssumme. Drückt die Kassiererin dem Kunden beispielsweise wie gewünscht 100 Euro in bar in die Hand, muss der Händler dafür 20 Cent an die Bank des Verbrauchers zahlen.

Wie kommt das bei Kunden an?

Die Verbraucher sind noch zurückhaltend, wie eine Online-Umfrage der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Bankenverbands aus dem Mai ergab. Einkaufen, tanken und gleichzeitig Bares mitnehmen - das machen bislang nur etwa vier Prozent der 1006 Befragten. Zum Vergleich: Neun von zehn Deutschen ziehen Bargeld laut Umfrage nach wie vor am Geldautomaten. Acht Prozent gehen zum Bankschalter. Viele Verbraucher hätten den Cashback-Service noch nicht wirklich im Blick, sagt Binnebößel: "Die Bewerbung wird jetzt verstärkt."

Was sind die Vorteile?

Banken schließen immer mehr Filialen und bauen die Geldautomaten häufig gleich mit ab. Der Rückzug ist vor allem für Bürger in ländlichen Gebieten ärgerlich. Zugleich verlagern die Geldinstitute die Zahlungsdienste zunehmend an die Einzelhandelskassen. "Das ist eine win-win-Situation für alle", sagt van Dülmen. Die Banken sparen Kosten, der Handel generiert mehr Umsatz. Und auch die Verbraucher können profitieren: Fürs Bargeldholen beim Einkauf oder an der Tankstelle fallen keine Extra-Kosten mehr an. Sie können mit jeder Girokarte Geld abheben, sogar im Dorfladen um die Ecke. Zeitraubende Umwege zur Bank oder zum Automaten fallen weg.

Gibt es auch Nachteile?

Wer an der Kasse Bares bekommt, muss damit rechnen, dass die nächsten Kunden das mitkriegen. So manchem dürfte das unangenehm sein. Sicherheitsrisiken seien nicht zu fürchten, betont Binnebößel: "Die ausgezahlten Beträge liegen aktuell im Schnitt zwischen 50 und 70 Euro, das lockt keine Räuber an." Allerdings gilt es, das eigene Einkaufsverhalten im Blick zu behalten. Wer mehr kauft, als er eigentlich wollte, nur um die Mindestsumme zu knacken, muss fürs Bargeld abheben letztlich doch bezahlen.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2018
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