Kapitalerträge:Jetzt ist die Abgeltungsteuer überflüssig

Kapitalerträge: Wer sein Kapital ins Ausland transferieren möchte, um es dem deutschen Fiskus zu verheimlichen, soll es in Zukunft schwerer haben. Damit wird dann auch die Abgeltungsteuer überflüssig.

Wer sein Kapital ins Ausland transferieren möchte, um es dem deutschen Fiskus zu verheimlichen, soll es in Zukunft schwerer haben. Damit wird dann auch die Abgeltungsteuer überflüssig.

(Foto: Stephanie Pilick/dpa)
  • Das Gesetz zum automatischen Informationsaustausch erschwert es Anlegern künftig, Kapitalerträge vor der Steuer zu verbergen.
  • Somit wird auch die Abgeltungsteuer als Steueranreiz überflüssig.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Berlin

In der Steuerpolitik vollzieht sich ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel. Die Prämisse, man müsse Anlegern, die Vermögen ins Ausland schafften, einen lukrativen Anreiz bieten, damit sie ihr Geld ordnungsgemäß daheim versteuern, kehrt sich ins Gegenteil um. Die Anleger sind künftig gut beraten, ihre Erträge freiwillig anzugeben, weil der Fiskus ohnehin die Konten-Daten kennt.

In einem ersten Schritt hat der Bundestag die rechtlichen Grundlagen für den automatischen Austausch von Informationen über Einkünfte wie Zinsen, Dividenden oder Veräußerungsgewinne auf Aktien beschlossen. Ein Gesetz dieser Art wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Ein zweiter Schritt steht noch aus, nämlich die steuerliche Abgeltung der Kapitalerträge der neuen Datentransparenz anzupassen.

Steuerliche Schmankerl sind künftig überflüssig

Nachdem der Fiskus sowieso über relevante Kontendaten verfügt, entfällt die Notwendigkeit, Anleger über steuerliche Schmankerl bewegen zu wollen, ihr Vermögen nicht als Schwarzgeld ins Ausland zu transferieren. Was praktisch bedeutet, dass die bisher pauschal erhobene Abgeltungsteuer von 25 Prozent abgeschafft und durch die Besteuerung nach dem persönlichen Steuersatz ersetzt gehört. Mit dem zweiten Schritt wäre der Paradigmenwechsel komplettiert und das deutsche Steuersystem deutlich gerechter.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble die neue steuerliche Gleichberechtigung einführen will. Schließlich war es ein Sozialdemokrat, der die Zwei-Klassen-Steuergesellschaft schuf. Peer Steinbrück setzte 2009 durch, dass diejenigen, die ihre Hände weitgehend im Schoß ruhen und ihr Vermögen für sich arbeiten ließen, die Erträge daraus anonym und pauschal mit lediglich 25 Prozent versteuern durften. Wer dagegen von Erträgen lebte, die mit herkömmlicher Arbeit im Büro, in der Werkhalle oder in Dienstleistungsgewerken erarbeitet werden, musste bis zu 42 Prozent Spitzensatz zahlen. Leistungseinkommen wurde, verglichen mit leistungslosem Einkommen, massiv diskriminiert; vermögende Anleger zulasten der Allgemeinheit privilegiert.

Der Ansatz ist überholt. Er passt weder in die Zeit, in der zunehmende Ungleichgewichte die Gesellschaft bereits gefährden, noch passt er zu einer Regierung, deren erklärtes Ziel es ist, das Primat der Politik zu wahren. Der Steinbrück'sche Ansatz, "lieber 25 Prozent von X als 42 Prozent von Nix" zu kassieren, mag einst pragmatisch klug gewesen sein. Er war aber vor allem eine Kapitulation der Politik vor der Macht des Finanzkapitals.

Es wäre eine Steuererhöhung zugunsten der Allgemeinheit

Schäuble hat mehrmals bewiesen, dass er nicht davor zurückschreckt, sich mit dem Finanzkapital anzulegen, wenn es ins politische Gesamtkonzept passt. Beispielsweise 2011, als er durchsetzte, dass die privaten Gläubiger Griechenlands einen guten Teil ihrer Forderungen an den hoch verschuldeten griechischen Staat abschreiben mussten. Der Schuldenschnitt der Privaten nutzte den öffentlichen Gläubigern.

Zudem ist gleich mehrfacher Kollateralnutzen absehbar, wenn die pauschale Abgeltungsteuer zugunsten der Besteuerung nach dem persönlichen Steuersatz ersetzt wird. Erstens, weil es bei den vielen Bürgern, die von ihrer Hände Arbeit leben, als gerecht empfunden wird, wenn Kapitalerträge ebenso besteuert werden wie Gehälter und Löhne. Nicht zu unterschätzen ist, dass Schäuble im Bundeswahljahr 2017 ein Thema besetzen könnte, das traditionell die Sozialdemokraten für sich reklamieren: Gerechtigkeit. Zweitens lohnte es sich auch finanziell. Unterm Strich wäre der Wechsel von der pauschalen Steuer auf den persönlichen Steuersatz natürlich eine Steuererhöhung, die wiederum einige Milliarden Euro in den Staatshaushalt spülen würde. Dem Gerechtigkeitsgefühl schadet das nur bedingt: Die Steuererhöhung würde vor allem Vermögende treffen.

Freilich, die Beharrungskräfte im bestehenden Regelwerk sind nicht zu unterschätzen. Schäubles eigene Partei ist sich unschlüssig, ob sie dem Minister folgen soll, die Christsozialen wollen es jedenfalls nicht. Sie sagen, dass die anonym erhobene Abgeltungsteuer die Privatsphäre der Bürger schützt, dass sie zur privaten Altersvorsorge motiviert und einfach zu erheben ist; sie wird direkt von der Bank ans Finanzamt abgeführt. So berechtigt diese Argumente einzeln sind, verlieren sie dennoch ihre Berechtigung, weil sie das Recht Dritter, nämlich der Gesamtheit der Steuerzahler, verletzen. Die Vorzüge einer Erhebungsform können nicht den prinzipiellen strukturellen Mangel aufwiegen, dass eine Einkommensart bevorzugt wird.

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