Süddeutsche Zeitung

Abgastest:Ein entlassener Manager für zehn malträtierte Affen? Das ist zynisch

VW und Daimler begegnen den umstrittenen Praktiken mit billigen Ablenkungsmanövern. BMW zeigt, dass es besser geht.

Kommentar von Klaus Ott

Klappe zu, Affe tot, lautet eine Redensart. Soll heißen, die Sache ist erledigt. Treffender lässt sich nicht beschreiben, wie Volkswagen und Daimler gerade versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Kaum war der zynische Tierversuch der deutschen Autoindustrie mit Affen in den USA an die Öffentlichkeit gelangt, da musste VW-Cheflobbyist Thomas Steg gehen. Einen Tag später war der Umweltchef von Daimler dran. Der eine beurlaubt, der andere freigestellt. Die Konzernchefs von VW und Daimler, Matthias Müller und Dieter Zetsche, präsentieren empörten Bürgern und Politikern mal eben zwei Schuldige. Einzelne Mitarbeiter haben versagt, und der Vorstand hat natürlich von nichts gewusst. Wie auch.

Das ist ein billiges Ablenkungsmanöver, nach einem inzwischen altbekannten Muster. So agiert Volkswagen seit Beginn der Affäre um manipulierte Dieselautos im September 2015. So einfach ist es aber nicht. Weder bei den gefälschten Schadstoffmessungen noch bei den Affen. Jener Pseudo-Forschungsverein der Autoindustrie, der den Tierversuch betrieben hat, war ja keine Erfindung einzelner Manager. Das war Konzernpolitik. Das war der Versuch von BMW, Daimler und Volkswagen, mithilfe willfähriger Wissenschaftler den schmutzigen Diesel für "clean" zu erklären; für sauber und umweltfreundlich. Im Extremfall sogar mit den zehn Affen, die Dieselabgase einatmen mussten. Und mit einem zweifelhaften Test an 25 Menschen, die Stickstoffdioxid inhalierten. Das waren keine Dieselabgase. Aber auch das wollte sich die Autoindustrie für den Diesel zunutze machen, um dessen angebliche Vorzüge zu belegen. Was bei aller Aufregung um die Affen schon in Vergessenheit zu geraten droht.

Dass es auch anders geht, zeigt BMW. Der Münchner Autobauer hat jenen Mitarbeiter, der das Unternehmen in dem industriellen Propagandaverein mit wissenschaftlicher Fassade vertreten hat, weder beurlaubt noch freigestellt und erst recht nicht gefeuert. Sondern vom Außen- in den Innendienst versetzt. Und das auch nicht als Strafmaßnahme, wie BMW erklärt. Sondern um den Mitarbeiter davor zu schützen, dass er bei Veranstaltungen "gegrillt" werde; dass er sich ständig für den Affentest rechtfertigen müsse. Das Unternehmen wolle nicht "reflexartig" reagieren, nur um irgendetwas getan zu haben, sagt ein BMW-Sprecher. Sondern den Fall genau untersuchen.

Dazu besteht auch Anlass. Als die Autoindustrie den Verein 2007 gründete, unterschrieben bei BMW der Leiter Konzernplanung und der Leiter Personalwesen - oberste Führungskräfte - die nötige Vollmacht. Das Vorhaben war also sehr weit oben angesiedelt bei BMW. Der Münchner Autobauer ist anders als der Stuttgarter Autozulieferer Bosch dann auch nicht ausgestiegen. Sondern bis zum Schluss dabeigeblieben, obwohl die eigenen Dieselautos eher bessere denn schlechtere Abgaswerte aufweisen. Insofern hätten es die Münchner eigentlich gar nicht nötig gehabt, bei dem Zusammenschluss mit dem hochtrabenden Titel "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" mitzumachen. Aber wenigstens handelt Vorstandschef Harald Krüger jetzt besonnener als seine Kollegen bei Daimler und VW.

Die viel beschworene Führungskultur ist leeres Gerede

Besonders einfach macht es sich Volkswagen-Chef Müller. Der sagt, Cheflobbyist Steg habe erklärt, "die volle Verantwortung" für den Tierversuch zu übernehmen. "Dies respektiere ich", schob Müller bei Stegs Beurlaubung nach. Das klingt beinahe zynisch, und zynisch wirkt ohnehin, was da gerade passiert. Zehn malträtierte Affen = jeweils ein Manager, der bei VW und Daimler gehen muss. Ist das die neue Währung im Umgang mit der Abgasaffäre? Was aber ist dann mit den vielen Menschen, die an viel befahrenen Straßen mit hoher Luftverschmutzung wohnen? Mit hohen Schadstoffwerten, die auch auf Dieselfahrzeuge zurückzuführen sind. Zählen diese Menschen weniger als die Affen?

Nimmt man die Reaktion auf den Tierversuch zum Maßstab, dann hätten die führenden Leute bei Volkswagen und der Tochter Audi schon lange gehen müssen. Matthias Müller, Hans-Dieter Pötsch und Rupert Stadler hätten, unternehmenspolitisch betrachtet, schon längst die "volle Verantwortung" für Hunderttausende und Millionen manipulierte Dieselautos und für die Nichtaufklärung der Affäre im eigenen Haus übernehmen müssen. Doch Verantwortung bedeutet im VW-Konzern nach wie vor, Schuld von oben nach unten abzuwälzen. Die viel beschworene neue Führungskultur ist nichts als leeres Gerede. Klappe zu, Affe tot.

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SZ vom 02.02.2018/been
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