Abgasskandal:Volkswagen, Meister im Totschweigen

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Der Ernst der Lage wurde von Fachleitern schriftlich dokumentiert - doch passiert ist daraufhin offenbar nichts. (Foto: Bloomberg)
  • Ein elfseitiges Papier, datiert auf den 11. Oktober 2013, zeigt, dass Audi-Techniker schon damals vor der Verwendung eines "Defeat Device" warnten.
  • Sie empfahlen, sich frühzeitig auf eine "mögliche Behördennachfrage" vorzubereiten - diese sollte nur zwei Jahre später folgen.
  • Doch anstatt die Software intern zu thematisieren, wurde das Papier ignoriert und totgeschwiegen.

Von Klaus Ott

Die Mails, Notizen, Protokolle und Präsentationen aus dem Wolfsburger VW-Konzern und dessen Ingolstädter Tochter Audi, die Aufschluss geben über die Abgasaffäre und deren Ausmaß, füllen bei der US-Justiz viele Ordner und viele Dateien. Es handelt sich um mehrere Millionen Unterlagen, die allerdings unter Verschluss sind. Kein Außenstehender hat Zugang zu den Akten. Keiner der vielen Volkswagen-Aktionäre und auch keiner der vielen Käufer von Diesel-Fahrzeugen in Europa, die sich betrogen fühlen und auf Schadenersatz klagen. VW sperrt sich vehement gegen eine Freigabe der Akten. Warum, lässt sich leicht erahnen. Manche Dokumente sind brisant. Ihr Inhalt könnte den Autokonzern und manche Vorstände weiter in Bedrängnis bringen.

Das zeigt alleine schon ein elfseitiges Papier vom 11. Oktober 2013, das von Fachleuten aus der Motorenentwicklung bei Audi stammt. Unter anderem aus der Abteilung EA-52. Die Technik-Spezialisten hatten damals aufgeschrieben, was es mit einem sogenannten "Defeat Device" auf sich habe. Einer in den USA verbotenen Software, mit der sich Schadstoffmessungen manipulieren lassen. Die Fachleute warnten , die US-Umweltbehörden könnten Audi auf die Schliche kommen. Und das könne für den Ingolstädter Autohersteller mit den vier Ringen und dem Motto "Vorsprung durch Technik" sehr teuer werden. Dieser Slogan findet sich auch auf jeder der elf Seiten. Hätte es dort nicht eher heißen müssen: Vorsprung durch Betrug?

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:Audi fürchtete schon 2013, aufzufliegen

Schon früh warnten Motorenexperten des Autokonzerns intern vor den gravierenden Folgen der Abgasmanipulation. Sie ging trotzdem weiter.

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Das Dokument sorgte damals schon, im Herbst 2013, für helle Aufregung bei Audi und Volkswagen. Und könnte jetzt erneut für Diskussionen sorgen, auch um Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. Der führt das Unternehmen schon seit 2007, will aber nichts mitbekommen haben von den Abgas-Manipulationen. Wie aber kann es sein, dass Fachleute den Ernst der Lage schriftlich dokumentieren, und nichts geschieht? Offenbar hat niemand den Vorstand informiert oder zumindest die Rechtsabteilung eingeschaltet. Es sieht so aus, als habe keine Kontrolle gegriffen, trotz der Brisanz. Dafür, dass ein Unternehmen auch in dieser Hinsicht funktioniert, ist der Vorstand verantwortlich; mit dem Konzernchef an der Spitze.

In der "Risikoeinschätzung" beschrieben die Motorenentwickler genau das, was in den folgenden beiden Jahren, also 2014 und 2015, auch nach und nach geschah. Fachinstitute und Behörden hätten die Möglichkeit einer "genauen Analyse". Bei einem gezielten Hinweis lasse sich eine verbotene Software leicht finden. Die Spezialisten, die genau wussten, was Sache war, empfahlen intern, sich auf eine "mögliche Behördennachfrage" vorzubereiten. "Entwicklung einer Argumentation", so lautete der Tipp.

Ignorieren und totschweigen, so die Taktik

Stattdessen kam es später zu einer ganz anderen Maßgabe, nachdem Motorenentwickler bei Audi in Ingolstadt das Papier an Kollegen bei Volkswagen in Wolfsburg weitergereicht hatten. Dort soll die "Risikoeinschätzung" Kreise gezogen haben, immerhin bis eine Etage unterhalb des Konzernvorstands (der damals noch von Martin Winterkorn geleitet wurde). Das erfuhren US-Ermittler, die bei der Aufklärung der Abgasaffäre auch dieses Papier fanden und wissen wollten, was damit geschah. Ein Maschinenbauer von VW sagte aus, ein Manager aus den oberen Reihen habe die Losung ausgegeben, es sollten in dieser Sache keine Mails mehr hin- und hergeschickt werden. Es solle überhaupt nicht mehr zwischen Volkswagen und Audi darüber geredet werden.

Ignorieren und totschweigen, das war also das Ergebnis. Vielleicht auch deshalb, weil Toyota und General Motors in ähnlichen Fällen in den USA glimpflich davongekommen waren. Mit Strafen in Höhe von 34 beziehungsweise 45 Millionen Dollar. So notierten das die Audi-Techniker auf den letzten beiden Seiten ihrer "Risikoeinschätzung"; während ein paar Seiten vorher von möglichen hohen Strafen die Rede war. So kam es schließlich. Anfang 2017 verständigte sich VW mit der US-Justiz auf Strafen sowie Schadenersatz in Milliardenhöhe für die Autokäufer, die mit als sauber angepriesenen, tatsächlich aber schmutzigen Diesel-Autos getäuscht worden waren. VW gab Gesetzesverstöße zu, auch im Namen von Audi. Zu den Dokumenten, die dabei eine Rolle spielten, gehörte die "Risikoeinschätzung" vom Oktober 2013.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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