Abgasskandal:Die Vertuschung geht einfach immer weiter

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Auch Audi-Fahrzeuge hielten gesetzliche Abgasgrenzwerte nicht ein - und rollten trotzdem über die Straßen. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Wieder eine neue Enthüllung, wieder eine neue Dimension: Der Abgasskandal findet kein Ende. Nun will Audi eine merkwürdige Software "entdeckt" haben. Das ist verdammt dreist.

Kommentar von Markus Balser

Wenn es noch eines Belegs bedarf, dass Deutschlands Nobelmarken beim Umweltschutz kein Trick zu billig ist - die jüngsten Enthüllungen in der Abgasaffäre lassen daran keinen Zweifel mehr. Selbst bei sehr teuren Autos der Oberklassemarke Audi stellten Behörden nun nach eigenen Angaben Betrugssoftware fest. Bauteile machen es möglich, dass Autos einiger Reihen bei Abgastests auf dem Prüfstand sauber sind - im realen Betrieb auf der Straße aber das Doppelte ausstoßen. Wer mindestens 84 000 Euro für das Spitzenmodell eines Herstellers zahlt, definiert den Slogan von Audi - "Vorsprung durch Technik" - sicher anders als die findigen Ingenieure aus Ingolstadt.

Der Skandal erreicht mit diesen Enthüllungen eine neue Dimension. Nicht nur, weil damit auch der VW-Tochter in Deutschland erstmals offiziell Betrug am Kunden vorgeworfen wird. Sondern auch weil deutlich wird, dass die Aufklärungsarbeit im VW-Konzern kaum in der Lage ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Warum dauert es mehr als eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Skandals, bis der Hersteller eine Software "entdeckt", die von ihm selbst eingebaut worden ist? Besonders pikant: Schon Ende 2016 wurde intern über den Umgang mit solchen Systemen diskutiert. Doch mit juristischen Spitzfindigkeiten stufte der Konzern die Software als "nicht illegal" ein. Rascher Rückruf? Rasche Information der Öffentlichkeit?

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Fehlanzeige. Immer klarer zeichnet sich ab, dass die Vertuschung weitergeht, dass etwas nur ans Licht kommt, wenn sich das nicht mehr verhindern lässt. Damit schlittert das Land weiter in einen der größten Umwelt-, Verbraucher- und Industrieskandale seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Und das hat längst nicht mehr nur mit Autoherstellern zu tun. Der Skandal erreicht die Politik.

Immer klarer wird auch, wie zerrissen die Bundesregierung ist, wenn es um die wichtigste Branche des Landes geht. Es zeichnet sich deutlich ab, dass die Politik das ganze Ausmaß der Affäre lieber unter den Teppich kehren als ahnden will. Dass die Staatsanwaltschaft von den neuen Erkenntnissen aus der Presse erfuhr, wirft ein schlechtes Licht auf die staatlichen Kontrolleure.

Die Autoindustrie macht bislang vor, wie Schwindel und Tricksereien in Europa im großen Stil ungestraft funktionieren. Die Autos von fast zwei Dutzend großen Herstellern hielten gesetzliche Abgasgrenzwerte, erlassen zum Schutz von Menschen und Umwelt, im Straßenverkehr nicht ein. Dennoch rollten und rollen noch immer Millionen derartige Fahrzeuge über Europas Straßen. Davon, dass die von ihnen gekauften Autos Grenzwerte teils um bis zu 1000 Prozent überschreiten, ahnten die Kunden nichts. Und noch immer "kooperieren" die Behörden bei der Aufklärung mit dieser Branche, die sie so trickreich umkurvt. Von gemeinsamen Prüfungen mit VW ist auch jetzt die Rede. Steuersünder können von einer solchen Behandlung der Behörden nur träumen.

Für den gesamten VW-Konzern sind die jüngsten Entwicklungen höchst brisant. Denn mit der Ausweitung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft im Fall Audi rückt der Vorwurf in den Mittelpunkt, dass die VW-Tochter eine illegale Abschalteinrichtung auch in Europa verwendet hat. Während VW in den USA die Verwendung einer solchen Software bereits zugegeben hat, vertritt der Konzern hierzulande die Position, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Doch die Zeiten schwammiger Erklärungen könnten bald vorbei sein.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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