Abgasaffäre:Schweige-Klausel

Audi bleibt an der Börse

Bei Audi befürchtet man unbequeme Wahrheiten.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Auch der frühere Chefentwickler von Audi soll mit einem Millionenbetrag abgefunden werden. Er besitzt Unterlagen, die nicht öffentlich diskutiert werden sollen.

Von Klaus Ott

Noch ist auf dem Konto von Ulrich Weiß das viele Geld offenbar nicht eingegangen, auf das der frühere Chef der Motorenentwicklung bei Audi hofft. Es wird wohl noch verhandelt. Wenn es gut läuft für den Ingenieur, dann ist er bald um einige Millionen reicher. Allerdings gleichzeitig um einen recht lukrativen Job ärmer. Audi hatte Weiß wegen der Abgasaffäre gefeuert und ihm vorgeworfen, der Konzernspitze verschwiegen zu haben, dass Schadstoffmessungen von Dieselfahrzeugen jahrelang manipuliert worden waren.

Der Chefentwickler weist das zurück und will per Klage beim Arbeitsgericht Heilbronn seine Stelle wiederhaben, oder alternativ eine hohe Abfindung bekommen. Jetzt sieht es danach aus, dass Audi und Weiß sich alsbald einigen und der Ingenieur den geforderten Millionenbetrag erhält. Das sicherste Indiz: Das Arbeitsgericht hat die für diesen Freitag angesetzte Verhandlung gestrichen.

Gleiches geschah bereits vergangene Woche beim Arbeitsgericht Ingolstadt, wo sich ein ebenfalls wegen der Abgasaffäre Gekündigter aus der Abteilung Abgas und Fahrzeugzulassung ebenso wie Weiß gegen seinen Rauswurf wehrt. Dass beide voraussichtlich mit Geld für den Verlust ihrer Arbeitsplätze abgefunden werden, passt zur Firmenpolitik von Audi und seiner Konzernmutter Volkswagen.

Der Manager kann viel erzählen und besitzt offenbar jede Menge Unterlagen

Die Vorstände und Aufsichtsräte beider Unternehmen sind nicht daran interessiert, dass schmutzige Details der Abgasaffäre öffentlich erörtert werden. Vor allem das Verfahren in Heilbronn könnte für den Konzern gefährlich werden, zumal der Richter dort sehr kritisch ist. Der Ex-Chefentwickler Weiß kann viel erzählen über das, was er von 2012 an bei Audi alles erlebt hat. Und er besitzt offenbar jede Menge Unterlagen, die den Ingolstädter Autohersteller bloßstellen könnten. Dieses Wissen reicht angeblich bis hin zu Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. Ihn wollen die Hauptaktionäre von Volkswagen, die Familien Porsche und Piëch, unbedingt behalten.

Da könnte Weiß möglicherweise dazwischenfunken. Was liegt also für Audi näher, als sich mit dem gefeuerten Chefentwickler zu einigen, inklusive einer Schweigeklausel? Weiß dürfte sich dann öffentlich nicht mehr äußern. Das schützt Audi zwar nicht vor den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II. Dort hat Weiß bereits als Zeuge ausgesagt. Aber bis dieses Verfahren abgeschlossen ist und in München vielleicht ein Prozess anstünde, dürfte es noch Jahre dauern.

Bis dahin hätte Audi Ruhe, so offenbar das Kalkül in Ingolstadt. Der Autohersteller hat bereits Ex-Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch, der tief in die Affäre verstrickt sein soll, eine Art Abfindung in Höhe 3,8 Millionen Euro zugesagt. Jetzt steht die nächste große Zahlung an. Weder der Anwalt von Weiß noch Audi äußern sich dazu. Die beiden Parteien wollen sich lieber einigen. Ganz im Stillen.

Weiß hatte im Jahr 2014 bei Audi in einer Mail geschrieben, er werde "keiner Dehnung des Gesetzes zustimmen". Andere im Konzern haben das getan. Wer das alles war, wird wohl zumindest beim Arbeitsgericht Heilbronn nicht mehr öffentlich erörtert.

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