Abgasaffäre:Jetzt sollte auch der VW-Chef hinwerfen

Die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt verlässt Volkswagen. Für den Konzern ist das der Totalschaden.

Kommentar von Marc Beise

Dass eine Führungskraft ihr Amt wegen "unterschiedlicher Auffassungen über Verantwortlichkeiten und Arbeitsstrukturen" verliert, kommt vor. Dass dies ein Jahr nach Amtsantritt geschieht, ist selten. Gänzlich außergewöhnlich ist der Vorgang, wenn die Betroffene Christine Hohmann-Dennhardt heißt und das Unternehmen VW.

Die Reputation der früheren Verfassungsrichterin ist tadellos. Als für gute Unternehmensführung zuständige Vorständin hatte sie dem Daimler-Konzern nach einer Schmiergeldaffäre wieder Halt gegeben. Auch beim durch den Dieselbetrug gebeutelten VW-Konzern sollte und wollte sie eine Kultur der Rechtschaffenheit und der Integrität etablieren.

Damit stand sie noch am Anfang, doch die Machthaber in Wolfsburg waren nach dem Ende der ersten großen Verfahren in den USA, die viele Milliarden Dollar gekostet haben, der Meinung, man habe nun genug gebüßt. Die Machthaber, das sind die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch und deren Vollstrecker im Management, aber auch - und nicht zuletzt - der mächtige Betriebsrat.

Sie gaben Hohmann-Dennhardt eher widerwillig Rückendeckung, solange die Dinge in den USA nicht entschieden waren. Der Ruf und die Beziehungen der Juristin halfen dort, die gröbsten juristischen Probleme zu lösen. Doch das kann nur der Anfang der Erneuerung des Konzerns sein. Nun muss es darum gehen, alle Prozesse in dem unübersichtlichen Konzern zu überprüfen und transparent zu machen. Daran aber haben die alten Seilschaften offenbar kein Interesse; lieber wollte man wieder unter sich sein. Wer aber so denkt, verkennt die Notwendigkeit, das Unternehmen insgesamt integer zu machen. Ein "Weiter so" darf es nicht geben.

Wenn der Vorstandsvorsitzende Müller Marke und Mitarbeitern einen Dienst erweisen will, dann folgt er seiner Vorständin und wirft ebenfalls hin. Und wenn der staatliche Miteigentümer, das Bundesland Niedersachsen, vertreten durch seinen Ministerpräsidenten, seiner Aufsichtspflicht genügen will, dann sorgt es jetzt dafür, dass der Konzern wirklich an Haupt und Gliedern erneuert wird. Wer jetzt kein Zeichen setzt, macht sich mitschuldig am fortschreitenden Niedergang eines einst angesehenen Konzerns.

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