Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Zwei VW-Topjuristen sind einer zu viel

  • In Wolfsburg herrscht offenbar Uneinigkeit, wer der Rechtsabteilung von VW vorstehen soll.
  • Gleich zwei Topjuristen, Christine Hohmann-Dennhard und Manfred Döss, sollen bei dem Autobauer aufräumen und Konzernchef Müller den Rücken freihalten.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Das Leben eines Autobosses kann ziemlich cool, aber auch ziemlich hart sein. Das Leben von VW-Chef Matthias Müller ist in diesen Wochen: sehr hart. Vor zehn Tagen noch stand er bei der Automesse in Detroit, übermüdet und gestresst, und machte mit einem Interview Schlagzeilen, in dem er den Dieselskandal herunterspielte. Dann ging es weiter nach Washington zu Krisengesprächen mit der US-Umweltbehörde EPA, die erfolglos waren. An diesem Donnerstag nun die nächste Reise: Diesmal wird Müller zum Rapport bei der EU-Kommission in Brüssel erwartet, um den Stand der Ermittlungen in der Abgasaffäre zu schildern.

Die Kommission will wissen, wie Volkswagen die 8,5 Millionen betroffenen Dieselfahrzeuge in Europa umrüsten will. Und ob die Kunden ausreichend entschädigt werden. Nach deutlicher Kritik an Müller aus dem Aufsichtsrat ist die Sprachregelung jetzt klar: Ja, VW hat Gesetze verletzt und ethische Grenzen überschritten. Und, ja, man wird die Affäre schonungslos aufklären. Müller versucht zu retten, was zu retten ist. Viel gewonnen ist damit aber noch nicht. Denn die Lage in der Konzernzentrale in Wolfsburg ist verfahrener denn je. Es geht um Posten und um Macht.

Zwei Topjuristen sollen sich eine Aufgabe teilen

Gleich zwei Spitzenjuristen sollen Müller den Rücken freihalten und sich darum kümmern, dass aufgeräumt wird. Für diesen Job hatte man Anfang des Jahres die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt als Vorstand für Integrität und Recht nach Wolfsburg geholt. Sie kennt solche Fälle, sie hat schon bei Daimler nach einer weltweiten Schmiergeld-Affäre aufgeräumt. Gleichzeitig aber gibt es in der VW-Zentrale noch jemand anderen für die Aufräumarbeiten. Seit Anfang 2016 ist Manfred Döss als neuer Leiter Rechtswesen im Amt. Ein Mann mit viel Macht und "Ellenbogen aus Edelstahl", wie ihn ein Juristenkollege beschreibt. Döss ist in einer komfortablen Lage, denn er weiß die Hauptaktionäre von VW hinter sich, die Milliardärsfamilien Porsche und Piëch. In deren Familienholding Porsche SE, die VW beherrscht, spielt Döss eine Schlüsselrolle.

Hohmann-Dennhardt und Döss, zwei Spitzenjuristen, die beide gerne das Sagen haben. An der Spitze kann es aber auf Dauer nur einen geben. Das Risiko für Müller ist groß: Scheitert Hohmann-Dennhardt in Wolfsburg, dann wird das die Zweifel am Aufklärungswillen bei VW noch verstärken. Einen ersten Eindruck, wie ungemütlich es für sie in Wolfsburg bereits ist, hat die Ex-Verfassungsrichterin bereits bekommen. Ihr Plan, Louis Freeh, den früheren Chef der US-Bundespolizei FBI, als Sonderbeauftragten für Übersee anzuheuern, wurde am Dienstag im Aufsichtsrat vertagt. Man ist sich (noch?) nicht einig.

Eine merkwürdige Konstruktion in Wolfsburg

Pro Freeh, contra Freeh - das wirft Fragen nach der Unternehmenskultur auf. Bleibt man in Wolfsburg trotz oder gerade wegen der größten Krise der Konzerngeschichte lieber weiter unter sich? Halten die alten Kräfte zusammen? Als Hohmann-Dennhardts Wechsel von Daimler zu VW im Oktober 2015 verkündet worden war, konnte die Ex-Verfassungsrichterin sicher sein, bei der Aufklärung der Affäre das Sagen zu haben. Das wirkte so, als ob nun ein frischer Wind in Wolfsburg wehe.

Doch dann, kurz vor Weihnachten, änderten sich die Vorzeichen. VW berief Manfred Döss zum 1. Januar 2016 zum neuen Leiter des Rechtswesens, was alleine noch kein Problem wäre: In Wolfsburg ist Hohmann-Dennhardt formal die Vorgesetzte von Döss. Ober sticht Unter. Doch Döss hat noch einen zweiten Job, in Stuttgart, als Vorstand bei der Porsche Holding SE. Dort haben die Familien Porsche und Piëch ihre VW-Aktien gebündelt. Wer bei der Familienholding das Sagen hat, der hat es eigentlich auch bei Volkswagen. Auch hier gilt: Ober sticht Unter. Eine merkwürdige Konstruktion, wie sie sich so wohl bei keinem anderen Konzern in Deutschland findet.

Döss war 2013 vom Energie-Unternehmen RWE, wo er die Rechtsabteilung geleitet hatte, zur Porsche Holding geholt worden. Als Feuerwehrmann, weil ein Großbrand drohte. Fonds verklagten die Holding wegen angeblich manipulierter Aktienkurse auf Schadensersatz in Milliardenhöhe, Staatsanwälte ermittelten gegen die Clanchefs Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch, gegen Betriebsräte und gegen Wendelin Wiedeking, den einstigen Chef des Sportwagen-Herstellers Porsche. Das war alles eine Folge des gescheiterten Versuchs von Porsche, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Schließlich ging das genau andersherum aus. Der oberste Porsche-Jurist Döss bewährte sich anschließend beim Löscheinsatz.

Döss wehrte Schadensersatzklagen ab und hielt die Staatsanwälte im Zaum. Ein noch laufender Prozess gegen Wiedeking dürfte mit einem Freispruch enden. Quasi zur Belohnung ernannte die Stuttgarter Porsche Holding kurz vor Weihnachten Döss zum Vorstandsmitglied; zeitgleich mit seiner Berufung zum Leiter des Rechtswesens bei VW in Wolfsburg. Selbst konzerninterne Kritiker dieser Konstruktion bescheinigen dem Doppel-Jobber, dass er ein erstklassiger Jurist sei; wie geschaffen für die Wolfsburger Mission.

Das ist eigentlich Hohmann-Dennhardts Aufgabe. Die aber hat, anders als Döss, keinerlei Hausmacht. Eine vertrackte Lage, erst recht in diesen Zeiten.

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SZ vom 21.01.2016/vit
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