Süddeutsche Zeitung

Abgasaffäre:Der nächste Verdächtige heißt Fiat

Auch der italienische Autohersteller soll manipuliert haben. Der sagt dazu nur: kein Kommentar.

Von Markus Balser, Max Hägler und Klaus Ott

Monatelang hat Alexander Dobrindt geschwiegen, hat kein kein Wort gesagt zu den Abgas-Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) bei Diesel-Autos, hat keine Zahl genannt. Lieber ließ sich der Verkehrsminister, der als früherer CSU-Generalsekretär politische Raufereien gewohnt ist, von Greenpeace und anderen attackieren. Jetzt hat der Minister die für große Teile der Autoindustrie verheerenden Mess-Ergebnisse vorlegt; später, als eigentlich geplant.

Dass es so lange gedauert hat, lag am Ende nach Recherchen von SZ, NDR und WDR auch an einem weiteren Verdacht, der zu den in der Branche seit Jahren üblichen Tricksereien bei Diesel-Fahrzeugen hinzu kam. Einem Verdacht, dem Dobrindt unbedingt noch nachgehen wollte. Der italienische Autohersteller Fiat soll manipuliert haben, um sich die teure Reinigung der Abgase weitgehend zu ersparen. Fiat hat vor knapp zwei Jahren den US-Konzern Chrysler übernommen; seitdem firmiert man unter Fiat Chrysler Automobiles (FCA). In diesem Fall aber, den die von Dobrindt wegen der VW-Affäre eingesetzte Diesel-Untersuchungskommission prüft, geht es um Modelle von Fiat. Und nicht um solche von Chrysler. Aber fragen, was es mit dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten auf sich hat, muss man natürlich Fiat Chrysler Automobiles (FCA). Die Antwort: "Kein Kommentar".

Der Hinweis auf Fiat kam von Bosch

Der Hinweis auf Fiat war vergangene Woche von Bosch gekommen, dem weltweit größten Autozulieferer mit Sitz in Stuttgart. Bosch meldete dem KBA, ein bestimmter Teil der Motorsteuerung, mit dem man Fiat versorgt habe, werde dort offenbar in fragwürdiger Weise eingesetzt. Dobrindt ließ daraufhin diese Woche sowohl Bosch als auch Fiat in die Untersuchungskommission einbestellen und nahm an diesen Sitzungen auch selbst teil. Dem Vernehmen nach hat Bosch kooperiert, Fiat hingegen blockiert. Das KBA hat auf die Schnelle ein Modell von Fiat bereits getestet. Das Resultat: Auffälligkeiten, und Zweifel, ob Fiat legal agiert.

Die Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen von Fiat wird nach einer bestimmten Zeit offenbar abgeschaltet. Ganz anders als bei den vielen anderen Modellen anderer Hersteller, die das KBA untersuchte. Im Regelfall funktioniert die Abgasreinigung erst ab einer bestimmten Temperatur, was angeblich dem Schutz des Motors dient. Das machen viele Autokonzerne so. Sie nutzen eine EU-Regel, die das grundsätzlich erlaubt. Diese EU-Verordnung wird aber aus Sicht von KBA und Verkehrsministerium von etlichen Herstellern ausgenutzt, um die aufwendige Abgasreinigung teilweise zu umgehen. Bei Fiat soll das anders laufen. Dort soll eine Art Zeitschaltuhr eingebaut sein.

Als KBA und Ministerium Fiat mit dieser Erkenntnis konfrontierten, soll der italienische Hersteller keine oder zumindest keine nachvollziehbare Erklärung geliefert haben. Jetzt wird weiter getestet. Das KBA will auf dem Prüfstand herausfinden, ob Fiat manipuliert. Falls das nicht reicht, muss eben auf der Straße untersucht werden. Auch wenn das länger dauert.

Ein "Defeat Device" ist nicht generell verboten

Dass der Hinweis auf Fiat von Bosch kam, erinnert an die VW-Affäre. Bosch hat einen Teil der von Volkswagen manipulierten elf Millionen Fahrzeuge mit einer speziellen Abgassteuerung versorgt. Es handelt sich um eine Software, die erkennt, ob sich ein Auto auf dem Prüfstand befindet oder auf der Straße. Auf dem Prüfstand wurde bei den VW-Fahrzeugen die Abgas-Reinigung eingeschaltet, die Werte stimmten. Auf der Straße wurden die Schadstoffe ungefiltert hinausgeblasen. Diesen Teil der Motorsteuerung, in der Branche "Defeat Device" genannt, hat Bosch wohl auch anderen Konzerne geliefert, darunter Fiat. Bosch bestätigte am Freitag, mit dem KBA und dem Bundesverkehrsministerium gesprochen zu haben. Man kooperiere "in vollem Umfang mit den Behörden".

Der Autozulieferer fügte hinzu, er könne nicht in jedem Einzelfall bewerten, ob es sich bei diesem Teil der Motorsteuerung um eine "unzulässige" Einrichtung handele, oder nicht. Ein "Defeat Device" ist nicht generell verboten, jeder Vorgang muss einzeln geprüft werden. Das gilt auch für Fiat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2961745
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.04.2016/vit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.