Abgasaffäre bei VW:VW hat die Chance zum Befreiungsschlag verpasst

VW, Matthias Müller

In der Abgasaffäre wird weiter herumgedruckst (im Bild: der VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller, 2016).

(Foto: dpa)
  • In einer Presseerklärung bestätigt VW noch einmal, in den USA 4,3 Milliarden Euro Bußgeld zu zahlen.
  • Der Skandal um jahrelange Manipulationen von Abgaswerten ist damit ausgeräumt, bevor Donald Trump Präsident wird.
  • Klar ist allerdings: Für die geschädigten Kunden außerhalb der USA will VW kein Geld zur Entschädigung aufwenden.

Analyse von Max Hägler und Klaus Ott

Fünf Seiten lang ist die Presseerklärung von Volkswagen vom Mittwochabend, es geht um den Vergleich mit der US-Justiz. Von Bedauern ist darin die Rede, von Wandel und von einem "wichtigen Schritt nach vorne". Der deutsche Autokonzern zahlt 4,3 Milliarden Euro Bußgeld und Strafen für Lug und Betrug, für jahrelang manipulierte Schadstoffmessungen bei 558 000 Dieselfahrzeugen.

Volkswagen hat sein Ziel erreicht, rechtzeitig vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Donald Trump in den USA dort den Deckel auf die Abgasaffäre zu machen. Andernfalls hätte neues Personal im Justizministerium den Fall vielleicht noch einmal von vorne aufgerollt - das wäre riskant gewesen, langwierig und vielleicht noch teurer. Mehr aber hat VW nicht erreicht.

Im Rest der Welt, wo mehr als zehn Millionen Fahrzeuge mit einer nach Ansicht der Börden verbotenen Abschalteinrichtung (Defeat Device) bei der Abgas-Reinigung unterwegs waren, ist noch vieles offen. Keiner, der mit dieser Sache direkt befasst ist, hat eine Antwort, wie groß das verbleibende Risiko ist. Nur eines ist nicht offen, ist sehr klar: VW will außerhalb der USA nichts zahlen.

Der Rest der Welt geht weiter leer aus

Diese Botschaft findet sich, umständlich formuliert und etwas versteckt, auf Seite drei der Pressemitteilung. Der US-Vergleich sei "nicht darauf ausgerichtet", Verpflichtungen von Volkswagen "außerhalb der USA zu adressieren". Im Klartext: Von den Manipulationen betroffene Kunden in Deutschland, im übrigen Europa, in der ganzen Welt sollen weiter leer ausgehen. Mit Ausnahme eben der Vereinigten Staaten, wo VW insgesamt etwa 22 Milliarden Dollar an Schadenersatz und Strafen zahlt und sich so gewissermaßen freikauft.

Vorstandschef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch könnten natürlich Klartext reden. Könnten sagen: Liebe Kunden in Deutschland und anderswo, für euch bleibt nichts mehr übrig. Oder könnten versuchen, pauschale und für den Konzern verkraftbare Entschädigungen auszuhandeln. Als Zeichen des guten Willens. Doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen wird weiter herumgedruckst.

Zur Klarstellung: Diese "Handlungen" waren Straftaten

Müller sagt, Volkswagen bedauere zutiefst und aufrichtig die "Handlungen", die zur "Dieselkrise" geführt hätten. Pötsch spricht von "Dieselthematik".

Zur Klarstellung: Diese "Handlungen" waren kriminell, waren Täuschungen, waren Gesetzesverstöße, waren Straftaten. Die "Krise" und die "Thematik" sind ein handfester Skandal. Doch anstatt diese Dinge klar und deutlich beim Namen zu nennen, reden Müller und Pötsch von der "Implementierung eines erweiterten Programms für ethisches Verhalten". Verstanden? Wohl eher nicht.

Es ist kurios: Wer von Ethik spricht, also eigenen Wertmaßstäben, sollte den passenden Bezug haben: das Wir. "Wir bei Volkswagen haben betrogen. Dafür gibt es nun eine Strafe." Doch so steht das nirgends. Es gibt übrigens kein Gesetz, dass klare Sprache verhindern würde.

In den Akten dürfte noch einiges enthalten sein zum Ausmaß der Affäre

Klarheit fehlt auch anderswo: Volkswagen will weiterhin verhindern, dass die US-Justiz weitere Ermittlungs- und Gerichtsakten freigibt. Will erreichen, dass die meisten Erkenntnisse der US-Behörden unter Verschluss bleiben. Transparenz sieht anders aus. In den Akten dürfte noch einiges enthalten sein, was Aufschluss geben könnte über das ganze Ausmaß der Affäre.

Vieles von dem, was VW in den USA zahlen muss, ist überzogen und dem dortigen Justizsystem geschuldet. Aber im Rest der Welt ins andere Extrem zu verfallen und auf stur zu schalten, ist auch keine Lösung. Müller und der Vorstand, Pötsch und der Aufsichtsrat haben die Chance zum großen, souveränen Befreiungsschlag verpasst.

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