Abgas:Großbritannien verbietet Autos mit Verbrennungsmotoren

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EU-Grenzwerte für Stickoxid werden in vielen Städten und Gemeinden Großbritanniens überschritten.

(Foto: AFP)
  • Mitten in London haben Forscher eine schlimmere Stickoxid-Belastung als in Peking gemessen.
  • Um das Problem zumindest langfristig zu lösen, verhängt die britische Regierung nun ein Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos ab 2040.

Von Michael Bauchmüller, Björn Finke und Markus Mayr, Berlin/London

Die Oxford Street im Herzen Londons ist eine Einkaufshölle. Auf zu engen Bürgersteigen schieben sich Touristentrauben, Schülergruppen auf Klassenfahrt und Einheimische aneinander vorbei. Die Kaufhäuser dort zu besuchen, ist aber nicht nur schlecht für die Nerven, sondern auch für die Lungen: An der Kreuzung Oxford Circus haben Forscher eine schlimmere Stickoxid-Belastung als in Peking gemessen. Schuld tragen die Dieselmotoren der Busse und Autos, die sich im Dauerstau durch die Innenstadt quälen.

Verbot gilt auch für Hybridfahrzeuge

Anderswo im Königreich ist die Luft ebenfalls schlecht; EU-Grenzwerte für Stickoxid werden in vielen Städten und Gemeinden überschritten. Um das Problem zumindest langfristig zu lösen, verhängt die britische Regierung nun ein Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos.

Das tritt allerdings erst im Jahr 2040 in Kraft. Es umfasst auch Hybridfahrzeuge, die über einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor verfügen. Stattdessen sollen die Untertanen Ihrer Majestät reine Elektromodelle kaufen. Deren Marktanteil liegt bisher bei unter einem Prozent.

Die Ankündigung der Regierung vom Mittwoch bedeutet, dass im zweitgrößten Automarkt Europas Verbrennungsmotoren keine Zukunft mehr haben. Das erhöht den Zwang für Hersteller wie Volkswagen oder Daimler, massentaugliche und günstige Elektromodelle zu entwickeln. Zugleich erhöht der Schritt den Druck auf die Bundesregierung. Der kommt der Plan der Briten ungelegen, denn er offenbart das Dilemma, in dem Berlin steckt.

Deutsche Zieljahr ist 2050

Einerseits ist der Verbrennungsmotor immer noch das Rückgrat der wichtigsten deutschen Industrie. Andererseits hat die Regierung eben erst einen Ausstiegsplan vorgelegt, wenn auch keinen so konkreten wie London. Das deutsche Zieljahr ist 2050, und die Formulierung ist weicher: "Das Verkehrssystem in Deutschland wird im Jahr 2050 nahezu unabhängig von Kraftstoffen mit fossilem Kohlenstoff und somit weitgehend treibhausgasneutral sein", heißt es im deutschen "Klimaschutzplan 2050".

Wie dieses Vorhaben mit den Interessen der heimischen Autoindustrie in Einklang zu bringen ist, versuchten diverse Ministerien am Mittwoch kunstvoll zu erklären. Das Verkehrsministerium verweist auf die Möglichkeit, in Zukunft synthetische Kraftstoffe zu nutzen, und warnt vor zu großen Hoffnungen bei der Elektromobilität.

"Wir halten die Diskussion für relativ fantasielos"

Ein Verbot von Verbrennungsmotoren? "Wir halten die Diskussion für relativ fantasielos", sagt der Sprecher von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Das Wirtschaftsministerium, immerhin, sieht die deutsche Autoindustrie vor einem "Umbau hin zu nachhaltiger Mobilität". Fixe Vorgaben für die Motorisierung lehnt dieses Ministerium aber ebenfalls ab.

Einzig das Umweltministerium wird deutlicher, zumindest etwas: Die deutsche Autoindustrie könne nur stark bleiben, "wenn sie sich weiterentwickelt". Dazu müsse sie rechtzeitig umsteuern. Aber von Verboten will auch das Ministerium von Barbara Hendricks (SPD) nichts wissen.

Die Zeit drängt

Wer seinen Schummeldiesel nicht rechtzeitig nachrüstet, muss mit der Stilllegung des Autos rechnen, darauf weist jetzt noch einmal das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hin: Der Rückruf von 2,46 Millionen Autos des VW-Konzerns sei schließlich "verpflichtend" gewesen. Autos, die nicht umgerüstet werden, könnten deshalb außer Betrieb gesetzt werden. 18 Monate haben Autobesitzer Zeit , um das jeweilige Update aufspielen zu lassen. Im Januar 2016 gab es die erste neue Software, und zwar für den VW Amarok, danach folgten andere Modelle. Wer so ein Auto hat und die Umrüstung noch nicht erledigt hat, wird dieser Tage von der Zulassungsbehörde informiert.

SZ

Ehrgeiziger Zeitplan in Norwegen

So freuen sich die deutschen Grünen am allermeisten über den Vorstoß aus Großbritannien. Sie fordern in ihrem Wahlprogramm einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor von 2030 an. Das Verbot auf der Insel kommt da gerade recht. Die Industrie dürfe "den Anschluss nicht verlieren", sagt Parteichef Cem Özdemir.

Zumal das Königreich mit seinem Plan nicht alleine dasteht. Frankreich will ebenfalls von 2040 an den Verkauf von Autos mit Diesel- oder Ottomotoren verbieten. Das kündigte Umweltminister Nicolas Hulot bereits Anfang des Monats bei der Vorstellung des nationalen Klimaplans an.

Norwegen ist beim Zeitplan ehrgeiziger, setzt aber nicht auf ein Verbot. Vielmehr sollen steuerliche Anreize beim Kauf von Elektroautos deren Marktanteil erhöhen.

Ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in den Niederlanden

Der nationale Transportplan, den die Regierung im Herbst verabschiedete, sieht vor, dass von 2025 an keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden müssen, weil Elektroautos und andere schadstofffreie Modelle den Markt beherrschen. Der Strom für die Elektroflitzer würde auch nicht das Klima belasten: Das Land gewinnt fast 100 Prozent seines Stroms aus umweltfreundlichen Quellen wie Wind und Wasser.

Auch in den Niederlanden kämpft die Regierung gegen die Luftverschmutzung. Von 2035 an lässt sie nur noch emissionsfreie Autos zu. In Österreich hat das Umweltbundesamt bereits 2016 durchgespielt, ob eine Zukunft ohne fossile Energie möglich ist.

Das Ergebnis: Ja, wenn der Verkauf von Autos mit Verbrennern bald eingedämmt wird. Österreichs Industrieverbände taten das Gedankenspiel als verspäteten Aprilscherz ab. In Schweden wiederum verabschiedet sich statt der Regierung ein bekannter Autobauer (allerdings in chinesischem Besitz) von Verbrennungsmotoren, zumindest schrittweise.

Von 2019 an sollen alle neuen Volvo-Modelle über Hybrid- oder Elektroantrieb verfügen. Reine Verbrennungsmotoren würden nur noch in älteren Modellen verbaut, sagte Volvo-Chef Håkan Samuelsson.

Volvo gehört zum chinesischen Geely-Konzern, genau wie LTC, der Hersteller der Black Cabs, der berühmten Londoner Taxis. Das Unternehmen aus Coventry bringt in diesem Herbst ein Black Cab auf den Markt, das eher ein Green Cab ist - das Taxi fährt mit Hybridantrieb.

Das ist nötig, denn auf dem wichtigsten Markt für LTC, London, lässt die Verkehrsbehörde von 2018 an nur noch Taxis neu zu, die in der Innenstadt schadstofffrei herumsummen können. Schon in diesem Oktober führt die Kommune zudem eine Strafabgabe für alte Auto-, Bus- und Lastwagenmodelle ein, die besonders viele Schadstoffe in die Luft blasen. Die Innenstadt-Maut erhöht sich für diese Autos um happige zehn Pfund am Tag.

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