Abgas-Affäre von VW:Auf die Person an der Spitze kommt es an

Volkswagen

Experten sagen, die Krise bei VW sei auch Folge der Markenführung, die bereits vor der Krise "mangelhaft" gewesen sei.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Was muss VW jetzt tun, damit die Marke nicht dauerhaft Schaden nimmt?
  • Krisenmanagement ist nicht nur dazu da, irgendwie durch die Krise zu kommen. Es soll auch die Zukunft gestalten.

Von Angelika Slavik

Das Video, so viel kann man jetzt schon sagen, wird diese Affäre überdauern. Wie Martin Winterkorn da steht, abgekämpft, atemlos, schlecht beleuchtet. Wie man an seinen Augen sehen kann, wie er den Text abliest, wie er sich um Nachdruck bemüht, ohne dass in seinem Gesicht so etwas wie Mimik erkennbar wäre - das wird in die Geschichte eingehen. In die von Volkswagen. Und in die der Krisenkommunikation.

Seit drei Wochen herrscht beim einst so stolzen Autokonzern Volkswagen der Ausnahmezustand. Das Unternehmen steckt in einer existenzbedrohenden Affäre, fast täglich gibt es neue Enthüllungen rund um die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren. Es sind harte Zeiten, die Volkswagen erlebt. Der Umgang mit dieser Krise wird auch maßgeblich darüber entscheiden, wie der Konzern dasteht, wenn alle Harnstofftanks verbaut, alle Softwareprogramme erneuert, alle Abgasnormen erfüllt sind. Krisenmanagement ist nicht nur dazu da, irgendwie durch die Krise zu kommen. Es soll, im besten Fall, die Zukunft gestalten. Oder, wie bei VW, wenigstens sicherstellen, dass es überhaupt eine Zukunft gibt.

"Wacker geschlagen"

Dirk Popp ist Chef der PR-Agentur Ketchum Pleon und Experte für Krisenkommunikation. Ihn rufen Unternehmen an, die sich in desaströsen Situationen befinden. Volkswagen, findet Popp, habe sich in den vergangenen Wochen "wacker geschlagen". Man merke dem Konzern das Bemühen an, so schnell und so transparent zu agieren wie möglich. Allerdings habe VW vor allem in den USA erhebliche rechtliche Risiken - das schränke den kommunikativen Spielraum ein. "Sie müssen Offenheit demonstrieren, dürfen aber keinesfalls riskieren, eine Ankündigung zu machen, die sie nicht halten können oder Informationen herauszugeben, die nicht gesichert sind", sagt Popp. In dieser Konstellation sei es schwer, kommunikativ völlig zu überzeugen.

Dazu komme, dass auch die schlaueste Kommunikationsstrategie eine Krise wie diese nicht lösen könne. "Bei Volkswagen geht es eindeutig um eine Systemkrise", sagt Popp. Die Manipulationsaffäre habe ihre Wurzeln in der Unternehmenskultur. Dafür sprächen auch die jüngsten Berichte, wonach Volkswagen seinen Händlern eine Sprachregelung vorgegeben habe, wie auf kritische Fragen von Kunden zu antworten sei. "Da entsteht natürlich der Eindruck, dass der Pfad der Aufklärung schon wieder verlassen wurde", sagt Popp.

Ähnlich sieht das Jürgen Gietl, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Brandtrust, das auf Markenstrategie spezialisiert ist. "Um eine Marke substanziell aufzubauen, muss man sie als internes und externes Leitbild verstehen, nicht nur als Marketing-Instrument", sagt Gietl. Das sei bei Volkswagen ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen. Gietl erinnert an ein Zitat aus dem Geschäftsbericht des Autokonzerns aus dem Jahr 2007.

Darin heißt es unter anderem: "Die Marke vereint in ihrem Leitbild die drei Kernbotschaften innovativ, werthaltig und verantwortungsvoll." Zudem wiesen "zahlreiche technische Highlights" auf "unser hohes Verantwortungsbewusstsein für Mensch und Umwelt" hin.

Lücke zwischen Image und gelebten Werten

Die Dieseltechnologie wird dabei explizit als Beispiel genannt. Aus Gietls Sicht verdeutlicht das die große Lücke zwischen dem gewünschten Image und den tatsächlich gelebten Werten bei VW: "Was die Kultur bei Volkswagen tatsächlich geprägt hat, war das Ziel, der größte Autokonzern der Welt zu werden. Das war eigentlich die zentrale Botschaft der Marke", sagt Gietl. "Vom verantwortungsvollsten Autokonzern der Welt war dagegen nicht die Rede." Das sei nicht die Botschaft, die VW transportiert habe. "Nicht nach außen und noch viel weniger nach innen." Insofern sei die Krise auch Folge der Markenführung, die bereits vor der Krise "mangelhaft" gewesen sei.

In einer Studie über die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit von Automarken, die Brandtrust bereits vor dem Bekanntwerden der Manipulationen durchgeführt hat, schneidet VW in vielen Kategorien nur durchschnittlich ab. Vor allem in Sachen "gesellschaftlicher Relevanz" wurde dem Konzern wenig zugetraut, auch bei "Vertrauen" wurden die Wolfsburger von BMW und Mercedes ausgestochen - und von Tesla. Zudem habe sich etwa Konkurrent Toyota immer wieder mit Neuerungen hervorgetan. "Toyota hat den Hybridantrieb massentauglich gemacht, kürzlich ein serienreifes Brennstoffzellen-Fahrzeug vorgestellt", sagt Gietl. Das verleihe einer Marke Stärke. "Es geht eben auch um die Frage, wie man Innovationskraft interpretiert", sagt Gietl. "Bemüht man sich um die Umwelt - oder baut man einen besonders leistungsstarken Luxuswagen wie den VW Phaeton?"

"Im Internet gibt es Ansätze einer Gegenbewegung"

Dennoch sei die Marke Volkswagen nicht für alle Zeiten kaputt, das lasse sich auch aus den hohen Werten bei der emotionalen Verbundenheit mit der Marke ablesen. "Im Internet gibt es Ansätze einer Gegenbewegung", sagt Gietl. Viele Menschen versuchten, den negativen Schlagzeilen etwas entgegenzusetzen und sich zu VW zu bekennen. "Das ist ein großer Wert, von dem diese Marke gerade in der Krise profitiert."

Aber mit welcher Strategie kann VW diese Krise überstehen? VW setzt auf Hilfe von gleich drei großen Agenturen. Das Hauptmandat hat die Strategieberatung Hering Schuppener, zudem gibt es für den angelsächsischen Raum, der für die Finanzmärkte besonders wichtig ist, Hilfe von Finsbury aus London und Kekst aus New York. Alle drei, darf man anmerken, sind nicht billig. Zudem wurde auch im Kommunikationsbereich Personal ausgetauscht. Der bisherige Leiter Stephan Grühsem, vor kurzem von der Fachpresse noch zum "PR-Manager des Jahres 2014" gekürt, musste gehen. Grühsem war ein langjähriger Vertrauter Winterkorns; dass er nach dessen Abgang Platz machen musste für einen Wegbegleiter des neuen Konzernchefs, ist durchaus üblich.

Gut gepflegtes Image vom Ingenieur

Allerdings gilt Grühsem auch als der Mann, der für Winterkorn das Image vom akribischen Tüftler, vom Ingenieur im Chefsessel kreiert hat. Auf dieser Schiene ist Winterkorn lange gut gefahren, er hat dieses Image mit zahlreichen Auftritten bei Automessen und Konzernveranstaltungen gepflegt. Auch die Medien liebten das Bild, sie trugen die Geschichten davon in die Welt, wie Winterkorn Türdichtungen überprüft, Konkurrenzautos begutachtet ("Da scheppert nichts") und seine Leute antreibt. Aber genau dieses Image war es auch, das Winterkorn am Ende in die Bredouille brachte - weil es besonders schwer zu vermitteln war, dass ausgerechnet der pedantische Winterkorn nicht gewusst haben soll, was in seinem Laden und in seinen Autos vorging.

Trotzdem werde auch Winterkorns Nachfolger Matthias Müller die Öffentlichkeit suchen müssen, glaubt Christian Scherg, Vorstandschef der Revolvermänner AG, die auf Reputationsmanagement spezialisiert ist. "Wenn die Person an der Spitze glaubwürdig und sympathisch ist, kann das für ein Unternehmen in einer Krise viel abfedern", sagt Scherg.

Ein gutes Beispiel dafür sei der Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der nach dem Absturz einer Germanwings-Maschine im März viel Schaden vom Unternehmen abgewendet habe. "Man hat ihm sowohl die Betroffenheit, als auch die Ehrlichkeit und die Kompetenz abgenommen", sagt Scherg. Zudem habe Lufthansa auf allen Kanälen gleichermaßen angemessen emotional als auch professionell und transparent kommuniziert - anders als etwa der Versicherungskonzern Ergo, der beim Bekanntwerden von Partys mit Prostituierten immer nur zugab, was nicht mehr zu bestreiten war.

In jedem Fall werde Volkswagen neben den Ausgaben für Nachrüstungen und Strafzahlungen beachtliche Summen aufwenden müssen, um sein Image neu aufzubauen. "Man muss kommunikativ zur Normalität zurückfinden", sagt Scherg. Eine weiteres technisches Problem an den Autos dürfe es aber nicht geben. "VW muss jetzt perfekte Leistung abliefern", sagt Scherg. Denn: "Ein zweiter Fehler dieser Dimension wird ihnen nicht verziehen."

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