Süddeutsche Zeitung

Abgaben für Stahl und Aluminium:Wo Trumps Strafzölle spürbar werden

Welche Auswirkungen haben die angekündigten Zölle auf Stahl und Aluminium auf die deutsche Industrie? Welche auf den Weltmarkt? Und welche auf den Konsumenten? Fragen und Antworten.

Von Hans von der Hagen und Benedikt Müller

Nie hat Präsident Donald Trump Zweifel daran gelassen, dass er den Industrien der USA, den "verrosteten Fabriken", die "verstreut wie Grabsteine in der Gegend" herumlägen, zu neuem Glanz verhelfen will. Nun kündigt er üppige Zölle für Stahl (25 Prozent) und Aluminium (zehn Prozent) an, die für weit mehr Aufregung sorgen als die Zölle für Solarpanels, die er unlängst eingeführt hat. Fragen und Antworten.

Beginnt jetzt ein Handelskrieg?

Das ist gut möglich - schon weil es bei den jetzt angekündigten Zöllen nicht um die üblichen Einfuhrzölle geht, sondern um Strafzölle. Gewöhnlich werden sie nur für kurze Zeit verhängt, Trump sagte aber, dass sie für "lange Zeit" gelten sollen. Entsprechend gab es weltweit harsche Reaktionen auf die Ankündigung. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von einer "eklatanten Einmischung" zum Schutz der US-Industrie. In den kommenden Tagen würden Gegenmaßnahmen erarbeitet, die im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO stünden. "Wir werden nicht untätig dabeisitzen, während unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden", sagte Juncker. Auch Chrystia Freeland, Außenministerin des besonders betroffenen US-Nachbarn Kanada, geißelte das Vorgehen Trumps mit den Worten "absolut inakzeptabel". Der Präsident twitterte am Freitagmorgen selbst über Handelskriege: Diese seien "gut - und einfach zu gewinnen".

Was will Trump mit den Zöllen bezwecken?

Die USA spielen bei der Produktion von Rohstahl in der Welt keine große Rolle mehr. 2016 produzierten die amerikanischen Stahlkonzerne 80 Millionen Tonnen Rohstahl, das entspricht nur noch etwa fünf Prozent des weltweiten Volumens. Ende der Sechzigerjahre waren die Vereinigten Staaten noch der weltgrößte Stahlhersteller.

Das Problem aus Trumps Sicht: Die Zuwachsrate beim Stahlverbrauch liegt in den USA noch immer im zweistelligen Bereich; das Land ist heute der weltgrößte Importeur. Die neuen Zölle sollen den Zukauf aus dem Ausland verteuern, reduzieren und dadurch die heimische Stahlproduktion schützen und wieder ankurbeln. Bei der Präsidentschaftswahl erzielte Trump mit dem Versprechen, die darbenden Industrien des Landes zu stützen, gerade bei den Arbeitern im Mittleren Westen große Erfolge. Jetzt sagt er: "Wir werden neue Jobs bekommen und pulsierende Unternehmen".

Welche Länder sind besonders betroffen?

Im vergangenen Jahr importierten die USA knapp 36 Millionen Tonnen Stahl. Der größte Exporteur in die Vereinigten Staaten war Kanada mit 5,8 Millionen Tonnen, gefolgt von Brasilien und Südkorea. Deutschland liegt mit 1,4 Millionen Tonnen lediglich auf Platz acht, Indien und China - der mit Abstand größte Produzent - sogar erst auf den Plätzen zehn und elf. In den vergangenen Jahren haben sich vor allem die Einfuhren aus Ländern wie Vietnam, Thailand und den Vereinten Arabischen Emiraten erhöht.

Welche Auswirkungen werden die Zölle auf die deutsche Stahlindustrie haben?

Die Stahlindustrie in Deutschland befürchtet, dass sie gleich doppelt unter den Handelsbeschränkungen leiden wird. Zum einen dürfte es für die Hersteller viel schwieriger werden, ihren Stahl in die USA zu exportieren. Ein Zoll in Höhe von 25 Prozent würde Produkte aus Europa so sehr verteuern, dass sie "vermutlich vollständig" vom Markt verdrängt würden, erwartet die Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Zum anderen dürfte sich der Weltmarkt stark verändern. "Die USA bauen eine Zollschranke auf, mit der sie sich gegen Stahlimporte aus aller Welt abschotten", sagt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf. Die Folge, fürchtet Kerkhoff: Noch mehr Stahl wird in offene Märkte nach Europa verschifft. "Wenn die EU nicht handelt, wird unsere Stahlindustrie die Rechnung für den Protektionismus in den USA bezahlen." In Deutschland arbeiten etwa 85 000 Beschäftigte in der Stahlindustrie. Die größten Hersteller hierzulande sind Thyssenkrupp und Salzgitter. Die Sorgen schlugen sich auch an der Börse nieder. Die Aktie von Thyssenkrupp etwa verlor im frühen Geschäft bis zu drei Prozent an Wert.

Welche Auswirkungen werden Konsumenten spüren?

In Europa werden die Bürger kaum etwa davon zu spüren bekommen. Ganz anders die Menschen in den Vereinigten Staaten: Sie müssen damit rechnen, dass von der Alufolie bis zum Auto vieles teurer werden dürfte.

Haben andere US-Präsidenten je Ähnliches probiert wie jetzt Donald Trump?

Der Schutz der Stahlbranche hat in den Vereinigten Staaten eine lange Tradition. Mit Ausnahme seines unmittelbaren Vorgängers Barack Obama haben seit den siebziger Jahren alle US-Präsidenten versucht, Stahlimporte entweder über Quoten oder Zölle zu reduzieren. Bill Clinton hat es während seiner Amtszeit sogar dreimal probiert.

Allerdings konnten Zölle dem Industriezweig bis heute nicht nachhaltig helfen, das belegt der Niedergang der US-Stahlbranche. Zudem treffen die steigenden Stahlpreise auch all jene Unternehmen, die für ihre Produktion Stahl benötigen - und die jetzt ihre eigenen Produkte teurer machen müssen. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass durch die Einführung von Zöllen durch George W. Bush Anfang der 2000er Jahre mehr Menschen in den USA ihren Job verloren als insgesamt in der Stahlindustrie beschäftigt waren. Denn es arbeiten weit mehr Menschen in der stahlverarbeitenden Industrie als in Unternehmen der Stahlproduktion. An der Wall Street ist dieser Zusammenhang noch gut in Erinnerung: Die Kurse der großen Autohersteller wie Ford oder General Motors brachen nun ein, denn sie werden besonders unter den steigenden Kosten für Stahl und Aluminium leiden.

Was können die von den Strafzöllen betroffenen Länder nun tun?

Neben der Einführung möglicher Vergeltungszölle bleibt den Ländern nur der Weg zur WTO, die auf die Lösung von Handelskonflikten spezialisiert ist. Erschwert wird das freilich dadurch, dass die USA behaupten, der Schutz der nationalen Stahlindustrie liege im Interesse der nationalen Sicherheit. US-Handelsminister Wilbur Ross beruft sich dabei indirekt auf Artikel 21 der sogenannten GATT-Verträge, die Ausnahmen von den geltenden Zoll- und Handelsregeln zur Wahrung der nationalen Sicherheit möglich machen. In einer Stellungnahme sagte WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo bislang nur: "Ein Handelskrieg ist im Interesse von niemandem." Die WTO will die Lage nun sehr genau beobachten. Trump macht allerdings keinen Hehl daraus, dass er die WTO sowieso nicht ernst nimmt. Einst nannte er sie "ein Desaster".

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