Die Sprache der Finanzmärkte ist unmissverständlich: Am Donnerstag, als Donald Trump seine Importzölle für Stahl und Aluminium bekannt gab, brach der Dow Jones in New York um 420 Punkte ein. Am Freitag ging der Verfall der Kurse zunächst weiter: Der Dax fiel erstmals seit einem halben Jahr unter die 12 000-Punkte-Marke, der Dow verlor bei Öffnung der Stock Exchange zunächst weitere 300 Punkte, erholte sich aber später und schloss mit einem Minus von 0,3 Prozent.
Die Börsen treibt die Furcht vor einem zerstörerischen Handelskonflikt um, der im schlimmsten Fall eine Rezession auslösen könnte. Handelskriege sind - wie richtige Kriege - leichter zu beginnen als zu beenden. Und sie haben ihre eigene Dynamik. "Es bleibt der EU eigentlich gar nichts anderes übrig, als Gegenmaßnahmen gegen Trump zu ergreifen", sagt Gabriel Felbermayr, Außenhandelsexperte des Ifo-Instituts in München.
Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Erlaubte die EU es den Vereinigten Staaten, sich mit Verstößen gegen die freie Handelsordnung Vorteile zu verschaffen, dann geriete diese Ordnung in Gefahr. Man lüde zum nächsten Verstoß ein und riefe Nachahmer (etwa China und Indien) auf den Plan. Wie die USA auf Vergeltung reagieren werden, weiß niemand. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte am Freitag Zölle auf "Harley-Davidson, auf Bourbon und auf Blue-Jeans" an. "Wir sind da, und man wird uns auch kennenlernen", sagte Juncker. Ziel der EU müsste es aber sein, die Interessen möglichst vieler Amerikaner, etwa das der Arbeiter von Harley Davidson, für den Freihandel zu mobilisieren. Die Sache ist aber komplizierter. So können die US-Zölle Handelsströme umleiten: Chinesischer Stahl, der nicht mehr in die USA kommt, drängt in die EU und verursacht hier mehr Preisdruck. Dagegen könnten sich die Europäer mit einem eigenen Importzoll wehren, der dann andere Länder in den Konflikt hineinziehen würde.
Am Ende der meisten Handelskonflikte stand ein Kompromiss
Was daraus werden kann, dafür gibt es ein abschreckendes Beispiel. Im US-Wahlkampf des Jahres 1928 versprach der republikanische Kandidat Herbert Hoover, amerikanische Arbeitsplätze in der Landwirtschaft durch Zölle zu "schützen". Nach Hoovers Wahlsieg machten sich im Kongress der Senator Reed Smoot und der Abgeordnete Willis Hawley daran, das Versprechen umzusetzen. Sie erarbeiteten ein Gesetz, das die Zölle auf mehr als 900 Produkte zum Teil drastisch erhöhte. Es trat am 17. Juni 1930 in Kraft, mitten in der Weltwirtschaftskrise. "Smoot-Hawley" sollte den Absturz in die Katastrophe beschleunigen. Kanada, Frankreich und Großbritannien reagierten mit Gegenmaßnahmen. Am Ende kam der Welthandel praktisch zum Erliegen.
Das Smoot-Hawley-Trauma hat nach dem Zweiten Weltkrieg den Aufbau der offenen Welthandelsordnung begünstigt. Es gab zwar viele hässliche Konflikte, aber die Handelsordnung selbst stellte niemand mehr infrage. Im Jahr 1964 kämpften Europäer und Amerikaner zum Beispiel den berüchtigten "Hähnchenkrieg". Brüssel hatte damals auf Importe von Hühnerfleisch hohe Einfuhrzölle erhoben, die Amerikaner antworteten mit Zöllen auf französischen Cognac und auf Volkswagen. Der "Bananenkrieg" zwischen der EU und den USA sowie einigen lateinamerikanischen Ländern begann 1993 und endete erst 2009. Konflikte gab es um Stahl, Flugzeuge, Hormonfleisch und vieles mehr. Am Ende stand meist ein Kompromiss.
Aber wirkt das Trauma, die Angst vor dem Handelskrieg, heute noch, im Zeitalter des Populismus? Ein Fachmann der Bundesregierung sagt: "Ein großer Handelskonflikt zwischen den USA und der EU hätte sicher einen lachenden Dritten: die Volksrepublik China."